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Wenn der Boulevard Volkswirtschaft spielt

Wenn der Boulevard Volkswirtschaft spielt http://ec.europa.eu

Euro, Griechenland und das EU-Rettungspaket

Zehn „Fachleute“ – zehn Meinungen

Der Boulevard und die Schwätzer haben einmal wieder Hochkonjunktur! Medienvertreter, pensionierte und aktive Politiker aller Couleur, Moderatorinnen von Talkshows, Banker und Altbanker, Wirtschaftsweise und Ökonomen – sie alle haben zu den derzeitigen Problemen um Griechenland und zum in der Tat riesigen Rettungspaket der EU viel zu sagen. Während die einen fast schon unsinnig eine Inflation herbeizetern, sind andere am Kochen der Suppe aus verschiedenen Gründen interessiert.

In einer Zeit, in der elektronische Medien und oft auch die politischen Talkshows, die immer mehr zum Unterhaltungsklamauk verkommen, die notwendige Übersicht verlieren, haben es die Überbringer von Untergangsstimmungen leicht. Umgekehrt finden gute Botschaften leider fast kein Gehör. Wer ruft schon Informationen der Deutschen Bundesbank, nach wie vor sehr glaubwürdig, ab und wer versteht komplizierte volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen? Und bei dem derzeitigen Gerede oder auch Schüren von Ängsten darf gerne darauf hingewiesen werden, dass die Realwirtschaft Deutschlands, also die Leistungen und Verkäufe der deutschen Unternehmen, aktuell im Export ganz erheblich zugelegt haben.

Deutsche Exporte „brummen“

Der Motor der Industrie brummt wieder – und wie! Im März 2010, also im letzten Monat des I. Quartals, stieg der Wert der Exporte nach dem Bundesbank-Bericht auf 85,6 Milliarden Euro, eine Steigerung um fast ein Viertel (genau 23,3%) gegenüber dem März 2009. Der März-Anstieg war der höchste seit dem Sommer 1992! Auch das gesamte I. Quartal 2010 legte bei den Ausfuhren mit 219,5 Milliarden Euro gegenüber der Vergleichsperiode 2009 (197,2 Milliarden Euro) wieder erfreulich zu. Deutschland hat alle Chancen, wieder die Position eines Exportweltmeisters zurückzuerobern, die unser Land im Krisenjahr 2009 knapp verlor. Analysiert man aber die deutschen Exporte in der Qualität (also anspruchsvolle Güter wie Anlagen oder forschungsintensive Produkte), so war Deutschland ohnehin auch 2009 nach wie vor die Nummer eins. Radiergummi, Bleistiftspitzer, billige Trikotagen, Regenschirme, Wegwerffeuerzeuge – dies ist nicht das Standing deutscher Exportgüter …

Es bestünde also viel Grund, zufrieden in die nähere Zukunft zu schauen, zumal ja auch die französische Finanzministerin Christine Lagarde den Deutschen die Exportüberschüsse – sicher auch aus einer Portion Neid – missgönnt und Deutschland zur Zurückhaltung aufruft. Wir würden, so die absurde Begründung, andere EU-Länder an die Wand drängen, weil diese nicht die Wettbewerbsfähigkeit wie Deutschland hätten. In diesem Zusammenhang spielt der jetzt so stark gescholtene Euro eine durchaus positive Rolle. Eine Rückkehr zur D-Mark, die sich viele Bürger aufgrund der vielen unqualifizierten Redereien in der Öffentlichkeit derzeit wünschen, wäre geradezu für unsere Exportwirtschaft kontraproduktiv, denn die so oft zitierten Spekulanten würden gerade jetzt in die D-Mark gehen und somit den Kurs erheblich hochtreiben. Diese Gefahr hat jetzt Siemens-Aufsichtsratschef Gerhard Cromme skizziert: „Wir würden als Exportnation draußen in der Welt bei einem hohen D-Mark Kurs nichts mehr verkaufen können.“ Daraus ergibt sich aber in der Umkehrung, dass die derzeitigen Kurseinbrüche des Euro keineswegs beunruhigen müssen, weil sie unserer deutschen Exportwirtschaft helfen.

Temporäre Probleme

Der Euro war und ist eine der stärksten Währungen und dies trotz der aktuellen Krise. Seit seiner Einführung vor zehn Jahren hat er auch aktuell immer noch um 30% zum US-Dollar zugelegt. Natürlich müssen jetzt in Problemländern der EU endlich die Hausaufgaben gemacht und notfalls muss auch die rote Karte gezogen werden. Auch müssen einige Produkte einer „vermeintlichen“ Finanzwirtschaft einem Ordnungsrahmen unterworfen werden. Was sollen hochriskante Hedgefonds, die mit Fremdkapital „Produkte“ verkaufen, die sie noch nicht einmal besitzen (Leerverkäufe), für eine volkswirtschaftliche Berechtigung haben? Was ist von einem Handel mit Kreditausfallversicherungen zu halten, der darauf in der Tat spekuliert, dass Anleihen, etwa von Griechenland, nicht mehr zurückgezahlt werden können? Wie können Großbanken Kredite vergeben, ohne die dafür notwendige Risikotragfähigkeit zu besitzen? Was ist von Rating-Agenturen zu halten, die mit unsinnigen Analysen regelrecht Investoren zu falschen Engagements verleiten? Und leider spielen auch führende Banker wie Josef Ackermann mit ihrem unverantwortlichen Gerede (deutlicher Geschwätz) eine schlimme Rolle. Jeder Banklehrling bekommt von der ersten Stunde an eingebläut, dass das Kreditgewerbe ein diskretes und verschwiegenes Geschäft ist. Auch ein Ackermann hat über einen Kreditnehmer und seine Bonität in der Öffentlichkeit nicht zu reden, ob er nun 1.000 Euro oder 100 Milliarden Euro aufgenommen hat. Bereits Rolf E. Breuer hat als ehemaliger Topmanager der Deutschen Bank über einen Medienunternehmer geredet, ob direkt oder indirekt ist dabei völlig unerheblich. Ackermann hat jetzt öffentlich die Fähigkeit Griechenlands angezweifelt, die eingeräumten Kredite zurückzahlen zu können. Dies mag so sein – aber ein Bankchef darf nun einmal so nicht reden.

Vielleicht wäre es gut, wenn man einige „Schwätzköppe“ aus der Optik nimmt, denn durch Gerede werden Probleme oft zur großen Krise. Auch die Politik macht es sich zu einfach! Wir haben bereits erwähnt, dass einige Finanzprodukte fast schon sittenwidrig sind und schlicht müssten diese verboten werden. Aber haushaltspolitisch gemachte Krisen wie in Griechenland nur den „Spekulanten“ anzulasten, ist dann doch etwas zu einfach. Was heißt Spekulation? Wenn ich eine Aktie kaufe, spekuliere ich darauf, dass diese im Wert steigt. Bin ich deshalb ein Spekulant? Natürlich nicht. Wenn ein Land wie Griechenland 300 Milliarden Euro Schulden anhäuft (und es ist ein Unterschied, ob Deutschland, Japan, die USA, UK oder eben Griechenland oder Portugal Schulden haben), dann hat die Politik in Griechenland versagt und selbstredend haben die Überwachungsmechanismen der EU nicht funktioniert. Man hat doch gesehen, was die Politik in Griechenland, ohne nennenswerte eigene industrielle Exportwirtschaft, alles an Prestigeobjekten investierte.

Qualität der Schulden

Schulden in einem überschaubaren Rahmen können ja sogar in einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung sinnvoll sein. Bei starken Industrieländern wie Deutschland oder Japan ist auch nicht so sehr die Auslandsverschuldung ein Kriterium, sondern der Vermögensstatus. Mit anderen Worten: Wie bei einer Bilanz müssen bei einem Vermögensstatus den Schulden des Staates seine Forderungen gegenüber gestellt werden. Japan ist übrigens das am höchsten verschuldete Industrieland. Die Staatsverschuldung steuert (siehe Länderanalyse der Helaba vom 15.4.2010) auf rund 200% des Bruttoinlandsprodukts zu und dennoch ist das Wort „Inflation“ in Japan kein Thema. Im Gegenteil dort sind vielmehr Kennzeichen einer Deflation (sinkende Preise bei einem Überangebot von Gütern) erkennbar. Wir müssen also in Deutschland mit unserer Realwirtschaft nicht befürchten, über Nacht unser Geld zu verlieren. Dies ist, so es gesagt wird, Unfug. Noch einmal sei daher die vermutlich beste Zeitung der Welt, die gewiss neutrale „Neue Zürcher Zeitung“ vom 15. Mai 2010 zitiert. Auf der Titelseite schreibt Markus Spielmann unter der Überschrift „Eurokropolis“: „Nun aber soll nach französischer Lesart auch der brummende deutsche Exportmotor gedrosselt werden, sei dieser doch mitschuldig an der zu geringen Wettbewerbskraft anderer europäischer Nationen.“ Man muss sich diese Sätze auf der Zunge zergehen lassen. Nein, keine Sorgen liebe Mitbürger(innen) – Deutschland ist ein starkes Land und kann die derzeitigen Probleme gut stemmen.

Wahr ist aber auch, dass wir nicht alle Narreteien dieser Erde lösen können. Es ist einfach unverantwortlich, wenn just in dieser Zeit darüber nachgedacht wird, Länder aus dem Baltikum in die Eurozone aufzunehmen. Die D-Mark war eine großartige Währung, dies ist aber auch der Euro, trotz temporärer Schwierigkeiten. Schlimmer sind die politischen Fehler, die gemacht wurden. Man hat Länder zusammengespannt, die für eine gemeinsame Währung völlig unterschiedliche Ausgangspositionen hatten. Heute rächt sich dieser Fehler. Trotzdem hilft alles nichts. Wir müssen da durch, nochmals, Hausaufgaben machen, Haushalte in Ordnung bringen, Sündern harte Auflagen erteilen und flankierend hierzu etwa Hedgefonds und Leerverkäufe verbieten. Auch Deutschland selbst muss haushaltspolitisch einiges auf den Prüfstand stellen. Kaputtsparen freilich dürfen wir unsere Wirtschaft auch nicht. Die Parteien müssen mehr patriotische (nicht nationalistische) Verantwortung zeigen und weniger ideologischen Prinzipien nacheifern. Im Energieland Nordrhein-Westfalen gibt es dazu demnächst bei einer neuen Landesregierung eine gute Gelegenheit. Saubere Kohlekraftwerke der neuesten Generation schonen das Klima und sollten eben aufgrund ihrer hohen Wertschöpfung nicht blockiert werden. Da fängt es nämlich an.

Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag