Die USA unter Joe Biden
Tektonische Verschiebungen – die EU, China und Russland
Grundsätzlich hat eine US-Präsidenten-Wahl immer besondere Auswirkungen in die deutsche und europäische Politik. Das weltweite politische Koordinatensystem wird wesentlich durch die jeweilige politische Führung im Weißen Haus in Washington beeinflusst. Wird die globale Politik (und damit auch die Wirtschaft) unter Präsident Joe Biden wieder stärker durch eine atlantische Brücke zwischen den Vereinigten Staaten und den EU-Ländern inklusive dem Vereinigten Königreich geprägt? Werden die USA wieder „America First“ aufgeben – was eher unwahrscheinlich ist, weil die Vereinigten Staaten ihren Führungsanspruch auch unter Joe Biden behaupten wollen – oder stehen unter dem neuen Präsidenten, wie bereits unter Barack Obama, die Asien-Pazifik-Staaten mehr im Fokus? Dafür spricht viel.
Trump: Amtsenthebung abgelehnt
Der Präsident im Aufwind
Infolge der Thüringer Ereignisse wurde ein Thema, das wochenlang Schlagzeilen und Medien beherrschte – das Amtsenthebungsverfahrens gegen US-Präsident Donald Trump – weitgehend verdrängt. Trotzdem konnten insbesondere auch deutsche Kommentatoren, nach der Ablehnung der Amtsenthebung durch den Senat, ihre Wut nicht verbergen. Besonders hervorgetan hat sich der Nachrichtensender NTV, der über die Senderkette RTL zur Bertelsmann-Gruppe gehört.
Präsident Macron verliert das Volk
Franzosen steigen gegen Macron auf die Barrikaden
Die Franzosen verstehen von Revolutionen viel. Bereits am 14. Juli 1789 stürmten sie die Bastille in Paris und läuteten dadurch die Französische Revolution ein. Zeitenwende 1968: Selbst dem großen Idol und Präsidenten General de Gaulle setzten die berüchtigten Mai-Unruhen des Jahres 1968, die am 3. Mai in der Sorbonne begannen und fast den gesamten Mai anhielten, persönlich zu. Er resignierte. Berühmt wurde daher sein geheimer Flug am 29. Mai 1968 nach Baden-Baden zu seinem Kameraden, dem Haudegen und Fallschirmjägergeneral Jacques Massau, dem die französischen Truppen in Deutschland unterstanden. Nachdem Draufgänger Massau dem Präsidenten seine Loyalität und die vielleicht notwendig werdende militärische Unterstützung bei einem Ausnahmezustand zusicherte und gleichzeitig de Gaulle beschwor, nach Paris an „die Front“ zurückzukehren, schöpfte dieser wieder Mut (General Massu in seinem Buch „ BADEN 68 – SOUVENIRS D’UNE FIDELITE GAULLISTE“ – Erinnerungen an die gaullistische Treue) und flog nach Paris zurück.
Giuseppe Conti wird wohl neuer Chef im Palazzo Ghigi in Rom
Die Deutschen kritisieren als Oberlehrer
Neuer Hausherr im altehrwürdigen prunkvollen Palazzo Chigi in Rom wird wohl als neuer italienischer Ministerpräsident Giuseppe Conti, zur Zeit „Professore“ an den Universitäten Florenz und Rom. Italiens Staatspräsident Sergio Mattarella hat jetzt den Weg freigemacht. Damit erhält das Land wieder eine neue Regierung, die durch eine Koalition der Fünf-Sterne-Bewegung mit der Lega-Partei (früher Lega Nord) getragen wird. Rechnet man noch die Forza Italia von Silvio Berlusconi und die Fratelli d’Italia (beide Parteien schlossen eine Teilnahme an der Koalition aus – gehören aber zum Mitte-Rechts-Bündnis) bei vielen künftigen Abstimmungen hinzu, kann sich Guiseppe Conti bzw. die neue Regierung auf eine breite Mehrheit stützen. Dies zeigte sich bei den Präsidentschaftswahlen für den Senat und die Abgeordnetenkammer. Im Wahlkampf trat das „Mitte-Rechts-Bündnis“ aus Lega, Forza Italia und Fratelli d’Italia, das vor der Fünf-Sterne-Bewegung die meisten Stimmen im März 2018 erhielt, geschlossen auf. Dass die Lega jetzt eine Koalition mit den Fünf-Sternen einging, bedeutet keine Abkehr vom Mitte-Rechts-Bündnis (Lega, Forza Italia und Fratelli d’Italia).
Das Tribunal – Vorwand für was?
Die neuen Schlafwandler im Westen
Ein nach wie vor ungeklärter Giftgasanschlag vom 4. März 2018 im britischen Salisbury wurde zum Hintergrund für eine einmalige Hexenjagd Großbritanniens gegen Russland und seinen Präsidenten Wladimir Putin. Für die britische Premierministerin Theresa May und ihrem Außenminister Boris Johnson war es sofort eine ausgemachte Sache: Russland bzw. Präsident Putin wären verantwortlich. Siehe hierzu auch unseren Kommentar „Politische Hysterie um Russland“.
Was folgte aus London? Unterstellungen, zum Teil auch persönliche Beleidigungen sowie mehr oder weniger offene Drohungen – weitere Sanktionen gegen Russland sind da noch harmlos: ein ganzes diplomatisches Arsenal unter Zuhilfenahme einiger Boulevard-Medien wird aufgeboten. Nicht eine wünschenswerte Deeskalation ist die Devise, sondern der ganz bewusste Aufbau eines Feindbildes namens Russland.
Leider haben sich beim britischen Kesseltreiben mit dem Ziel des „Bestrafens“ der Russischen Föderation, außer den USA und weiteren EU-Ländern (längst nicht alle) auch die deutsche Bundesregierung – wie könnte es auch durch die Bundeskanzlerin anders sein – sowie verschiedene andere deutsche Repräsentanten der Politik beteiligt. Die vom Vereinigten Königreich geforderte Loyalität durch Premierministerin Theresa Mai genügte. Deutschland stand, im Gegensatz zu Österreich, durch die Kanzlerin sofort stramm. Und dies ohne Beweise zur Frage, ob die britischen Anschuldigungen gegen Russland realistisch sind. Mit im Tribunal sind auch deutsche Scharfmacher aus der Medienlandschaft.
Nicht alle Medien machten allerdings mit, aber immerhin einige Hofberichterstatter. Mit an der vordersten Front stand sofort beispielsweise der stellvertretende Chefredakteur der Bild-Zeitung, Nikolaus Blome. Für Blome, der schon vorher die rhetorische und polemische Frage stellte, ob man eine Fußballweltmeisterschaft bei „Feinden“ abhalten könne, war der Giftgasanschlag in einem Kommentar ein „Weckruf“ an Putin: Bis hierher und nicht weiter! Da fehlt nur noch die Ergänzung „sonst“ …
Wehret den Anfängen
Durch Scharfmacher fing auch 1914 die Tragödie des 1. Weltkrieges an, wie der Historiker Christopher Clark in seinem zum Bestseller gewordenen Buch „Die Schlafwandler“ so treffend skizzierte. Auch damals gab es eine Vorgeschichte, die zu einem durchaus nicht gewollten aber vermeidbarem Ergebnis, den Krieg, führte. Soweit sind wir jetzt natürlich gottlob auch nicht ansatzweise, aber durch politische Dummheiten und ein katastrophales politisches Krisenmanagement schaukelten sich damals die Entwicklungen hoch. Wehret also heute den Anfängen einer gefährlichen Entwicklung.
Es sei daher den voreiligen und alles schon wissenden Hellsehern und „Analysten“ der „richtigen Argumente“, etwa im Vereinigten Königreich, in Brüssel und auch in Berlin, dringend geraten, sowohl Clark’s Werk „Die Schlafwandler“, als auch das nicht weniger beeindruckende Buch „14/18 – Der Weg nach Versailles“ des Historikers Jörg Friedrich zu lesen. Auch damals gab es Noten, Depeschen, Telegramme, Intrigen und vor allem falsche Behauptungen durch die Doppelmonarchie in Wien und das Deutsche Kaiserreich. Auch damals war viel vom Bestrafen und „Aufräumen“ die Rede. Wohin dies führte, ist bekannt.
Scharfmacher und von der Leyen
Jetzt erleben wir ein regelrechtes vorgefasstes Tribunal, auch in Deutschland, voll von Widersprüchen. Einer der Höhepunkte in Deutschland war der Auftritt der Bundesverteidigungsministerin von der Leyen in einem sogenannten „Bild-Talk“ mit Nikolaus Blome und Anna von Bayern am 19. März 2018. Unter dem Thema „Was lassen wir Putin noch alles durchgehen?“, sagte die Ministerin zur Frage, ob Putin noch ein Partner des Westens sei, wörtlich „Er ist schon lange kein Partner mehr“. In Oberlehrermanier fügte sie noch hinzu, dass wir (der Westen und Deutschland) nicht auf Putins Art reagieren, sondern auf unsere… Und dann kam die Drohung und „Analyse“ der von der Leyen wörtlich: „Was tut dem Autokraten (Wladimir Putin war gemeint) weh? Wo ist Russland schwach? Wir bleiben bei den Sanktionen, die richtig weh tun.“ Belehrend fügte sie dann noch hinzu, dass die NATO das stärkste Militärbündnis der Welt sei.
Um die Analyse der Ministerin im „Bild-Talk“ perfekt zu machen, verwickelte sie sich dann sogar noch in Widersprüche. Sie will einerseits auf Dauer gute Beziehungen zu Russland und zu Putin, obwohl dieser, andererseits, schon lange kein Partner mehr sei (siehe oben). Das „schwache Russland“ sei ernst zu nehmen, klärte sie dann noch auf … Wenn man dieses Gerede verinnerlicht, bleibt nur eine Konsequenz: Ernst nehmen, kann man die Ministerin schon lange nicht mehr …
Kontraproduktive Sanktionen
Das laut von der Leyen „schwache Russland“ braucht den Westen beim Aufbau neuer Technologien nicht unbedingt. Längst stellen, um ein Beispiel stellvertretend für andere Produkte zu nennen, die Russen nahtlose Hightech-Großrohre für Unterwasser-Gasleitungen in Moskau und in Tscheljabinsk, dort in einem hochmodernen neuen Werk namens Chelpipe, selbst her. Zum Leidwesen der deutschen Salzgitter AG.
In wenigen Tagen wird Präsident Putin die Türkei besuchen und zusammen mit seinem türkischen Kollegen Erdogan den Baustart für das nach seiner Fertigstellung weltgrößten Atomkraftwerkes in Akkuyu feiern. Russland wird schlüsselfertig das 4.800 MW (das Vierfache der Leistung von Isar 2 bei Landshut) starke Kraftwerk bauen. Zum Einsatz kommt modernste Technik. Russland ist inzwischen Marktführer in der nuklearen Kraftwerkstechnik und führend in der internationalen Luft- und Raumfahrt. Wer derartig komplizierte Technologien beherrscht, muss westliche Sanktionen nicht fürchten. Die Wirtschaft – etwa in Deutschland – ist im Gegensatz zur Politik viel realistischer. „Strafen“ mit Sanktionen gegen Russland, so sehen dies die Vertreter der deutschen Wirtschaft, gehen eher zu Lasten deutscher Firmen. Deshalb halten die deutschen Unternehmen von Sanktionen überhaupt nichts.
Signale für eine Entspannung kommen in Deutschland erfreulicherweise aus den Reihen der CSU. So bezweifelt CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt den Nutzen von Sanktionen. Auch der FDP-Chef Christian Lindner sieht in der bevorstehenden Fußball-Weltmeisterschaft eine gute Chance für eine Entkrampfung des deutsch-russischen Verhältnisses. Sich freuen über deutsche Sanktionen, die nach der Ministerin von der Leyen „wehtun“ müssen, werden sich allenfalls Konkurrenten der deutschen Industrie; Japan, Südkorea und inzwischen auch schon China.
Was bleibt von einem Tribunal gegen Russland? Außer einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen dem Westen und Russland nicht viel. Ohnehin wird sich das globale Gewicht zugunsten der Achse Russland-China verändern. Gefragt ist jetzt im Westen mehr Vernunft. Scharfmacher haben da keinen Platz. Die „Schlafwandler“ lassen grüßen …