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Die Stimmung kippt

Die Stimmung kippt © www.gov.uk

Die EU am Scheideweg

Wir wollten jetzt keinen weiteren Beitrag zum Thema Griechenland veröffentlichen. Dieses Thema haben unzählige Medien in allen Varianten breitgetreten. Über den griechischen Schlendrian hat „Der WirtschaftsReport“ bereits am 12. März 2015 unter der Überschrift „Tricks, Erpressungen und Mogelpackungen“ kommentiert. Dem ist nichts hinzuzufügen. Immerhin haben es aber jetzt die Griechen fertiggebracht, dass die EU vor Sein oder Nichtsein stand und immer noch steht! Die Frage, ob die EU bzw. die Länder der Eurozone willens sind, Länder die nur schwer bereit sind, ihre Haushaltsprobleme zu lösen, weiter mitzuschleppen, ist offen.

Griechenland – dies ist die traurige Tatsache – kann nie aus eigener Kraft seinen Schuldenberg abtragen. Die Schwierigkeiten wurden lediglich jetzt, wieder einmal, bis zum nächsten Mal, vertagt … Entweder man löst das Problem politisch unter dem Gesichtspunkt, dass Athen für Europa eine wichtige strategische Position (auch im Hinblick auf die Flüchtlingsströme aus Vorderasien und Afrika) einnimmt – so sehen es z.B. Frankreich und die USA – oder unter dem finanziellen Aspekt, demnach Griechenland ein Fass ohne Boden ist. Geld kostet es die Länder der Eurozone allemal, die frühere politische Dummheit, ein nicht eurofähiges Griechenland in die Währungsunion aufzunehmen, jetzt zu reparieren. Doch dies ist Schnee von gestern!

Aktuell viel schlimmer ist, dass die EU als großartiges Projekt am Scheideweg steht. Die Verdrossenheit vieler EU-Bürger basiert nicht nur auf den griechischen Finanzproblemen. Die EU erhält immer weniger Akzeptanz. Wie kann es sein, dass in Österreich locker, wie jüngst geschehen, 261.000 Bürger ein Volksbegehren zum EU-Austritt des Landes unterschreiben und damit spielend die Hürde von 100.000 notwendigen Unterschriften für die Behandlung des Begehrens im österreichischen Nationalrat übertrafen? Zwar wird Österreichs Parlament das Begehren abschmettern – aber die Stimmungslage ist offenbar. Aber Griechenland und Österreich sind ja noch überschaubare Probleme. Was geschieht, wenn sich die Briten evtl. schon bald – spätestens 2016 – gegen die EU entscheiden? Wer kompensiert – neuerdings ist United Kingdom die zweitgrößte und gut florierende Volkswirtschaft in der EU – das dann entstehende finanzielle Vakuum im EU-Haushalt? Noch gibt es kraftmeierische Sprüche aus Deutschland, die da meinen, dann hätte man einen Störenfried weniger. Dies ist natürlich ein populistisches Gerede. Großbritannien gehört nämlich zu den größten Nettozahlern (Einzahlungen in den EU-Haushalt minus EU-Zuwendungen) der EU. Die EU braucht Großbritannien als Stachel und Regulativ, denn ohne das Vereinigte Königreich, ist die EU kein Modell der europäischen Einigkeit mehr.

David Cameron hat recht

Und Großbritanniens Premier David Cameron liegt ja mit seiner Kritik an Brüssel und dessen Strukturen richtig. Die EU wird immer weniger attraktiv, weil sie sich durch eine unglaubliche Regulierungswut (die auch die Unternehmen belastet) und durch einen Zentralismus auszeichnet. Immer mehr verkörpert Brüssel ein Modell der „Planwirtschaft“ mit zum Teil unsinnigen Vorgaben in allen möglichen Bereichen. Die EU, so die Vorwürfe aus London, beschäftige sich zu sehr mit sich selbst und weniger um die wichtigeren Fragen des Freihandels und der Wettbewerbsfähigkeit. Großbritannien will auch nicht in Geiselhaft genommen werden für Versäumnisse in anderen EU-Staaten. Die Briten sind da aber keineswegs allein. Schon die Finnen haben jetzt beim Griechenland-Thema kräftig gemosert!

Unfähig, auch darauf weist London hin, zeigt sich die EU auch bei den enormen derzeitigen Herausforderungen durch die europäische Flüchtlings- und Asylpolitik. Auch hier kippt die Stimmung bei den Menschen in Deutschland, in Italien und natürlich auch in Frankreich, von kleineren Ländern wie Ungarn ganz abgesehen. Selbst im aufgeschlossenen Dänemark wurde das bisherige Mitte-links Bündnis abgewählt. Die neue Regierung in Kopenhagen will etwa die Flüchtlings- und Asylpolitik erheblich verschärfen – aber nicht aus Bosheit, sondern weil sich das Land überfordert sieht. Großbritannien hat bereits quasi die Tore geschlossen.

Wollen und Können

Insbesondere in Deutschland wollen einige Gruppierungen nicht erkennen, dass es nicht mehr um das Wollen, sondern um das Können geht. Gewiss, da hat die Bundeskanzlerin recht, ist Deutschland insgesamt ein relativ reiches Land – aber warum sind dann oft keine Mittel da, um Einrichtungen der Infrastruktur zu reparieren oder beispielsweise Kindergärtnerinnen in den Kitas vernünftig zu bezahlen? Dies sind nur zwei Beispiele. Da streiten sie, ob der Bund oder die Länder mehr Mittel für die Unterbringung der Flüchtlinge und Asylsuchende aufbringen müssen und übersehen dabei, dass es so oder so Steuermittel sind. Mittlerweile sollen die Kosten für die Asylbewerber aus dem Ruder laufen. Sie kosten den deutschen Steuerzahler in diesem Jahr zwischen fünf und sechs Milliarden Euro.

Längst sind die Kommunen überfordert – quer durch die Parteien, die die Landräte oder Bürgermeister stellen. Ein braver Landrat aus dem Bayerischen Wald, ein SPD-Mann übrigens, will jetzt keine erhöhten Flüchtlingszahlen mehr akzeptieren, weil die Gemeinden überlastet sind. Notfalls will er Flüchtlinge per Omnibus vor den Landtag in München karren …

Es geht nicht um Stimmungen oder gar um „Biertischgerede“ gegen Asylbewerber und schon überhaupt nicht um rechtes Gedankengut, wie es gerne einzelne Politiker und Medien darstellen. Es geht um die Frage, was noch verkraftbar und vor allem gegenüber den Bürgern vermittelbar ist. Jetzt kommen im Rahmen des „Streits“ zwischen Bund und Ländern Zahlen für den Finanzaufwand infolge der Unterbringung und Versorgung in die Öffentlichkeit, die, siehe oben, in die Milliarden gehen. Natürlich soll geholfen werden; dies geht aber nur bis zu einer gewissen Grenze der Belastbarkeit. Deutschland kann allein nicht die Probleme der Welt schultern. Deshalb ist auch die EU gefordert; sie muss der Wahrheit ins Auge sehen. Weshalb nehmen reiche Länder wie Saudi Arabien, VAE oder Katar trotz gemeinsamer Sprache und Kultur keine Flüchtlinge aus Nordafrika und Syrien auf, obwohl Amnesty International dies mehrmals gefordert und angemahnt hat? Wo ist da der Einfluss Brüssels gegenüber diesen Staaten? Hier könnte sich die EU auch im Sinne der vielen Flüchtlinge profilieren.

Letzte Änderung am Dienstag, 25 April 2017 14:42
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag