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China setzt auf High-Tech

China setzt auf High-Tech © Siemens

Wenn Kunden Konkurrenten werden

Stolz berichtete Siemens über einen Großauftrag aus China für 60 Hochgeschwindigkeitszüge. „Mit diesem Auftrag erhält China weltweit modernste Technologie. Damit können wir auch die langfristige, strategische Partnerschaft der deutschen und chinesischen Eisenbahnindustrie weiter ausbauen“, teilte Siemens mit. Dies war 2005. Die Konstruktions- und Projektierungsarbeiten für den Auftrag wurden in den Siemens-Standorten Erlangen und Krefeld durchgeführt. Die ersten drei Züge wurden einschließlich der wichtigen Komponenten in Deutschland hergestellt.

Doch nach der Freude ist längst Ernüchterung eingetreten. China wurde im Rahmen seiner Strategie, Knowhow „abzukupfern“ und somit von Low-Tech auf High-Tech zu setzen, inzwischen zu einem knallharten Konkurrenten für Siemens. So hat das renommierte Beratungsunternehmen für die Mobilitätswirtschaft, die SCI Verkehr GmbH, analysiert, dass China nach „intensiven Technologietransfers der globalen Technologieführer“ massiv in die eigene Forschung und Entwicklung investiert hat und inzwischen über eine leistungsstarke Bahnindustrie verfügt, die offen den Wettbewerb mit den alten Platzhirschen Siemens, Bombardier und Alstom auf den Weltmärkten sucht. Was heißt aber Technologietransfer? Dieser besteht nach wie vor darin, Blaupausen zu kopieren. Ganze Heere von chinesischen Tüftlern sollen die ersten Siemens-Hochgeschwindigkeitszüge für China bis zur letzten Gewindeschraube nachgebaut haben.

Die Home-Basis ist nach wie vor dabei stark und der chinesische Bahntechnikmarkt erreicht ein Volumen von ca. 26 Mrd. Euro und wird weiter jährlich um 4% wachsen, teilt SCI Verkehr in seiner Studie „The Railway Market in China“ mit. Jetzt haben die beiden führenden chinesischen Bahntechnikunternehmen CNR und CSR ihre Fusion zum weltgrößten Branchenführer bekanntgemacht. Der neue Koloss will die komplette schienengebundene Infrastruktur bis hin zur Vorfinanzierung – einschließlich Nahverkehrssysteme wie U- und S-Bahnen – anbieten. Da die Chinesen eine aggressive Preispolitik verfolgen, gelang es ihnen, sogar in den USA einen spektakulären Auftrag zu ergattern: Der Auftragswert beläuft sich auf ca. 570 Millionen US-Dollar für die U-Bahn in Boston.

Chancen rechnen sich die Chinesen auch für ihre Hochgeschwindigkeitszüge in Kalifornien aus. Weitere Zielmärkte sind insbesondere auch Mittel- und Südamerika sowie der afrikanische Kontinent. Inzwischen gleichen die chinesischen Wettbewerber den noch bestehenden Wettbewerbsnachteil bei komplizierten Komponenten aus. So übernahm bereits im Sommer 2014 der chinesische Radsatz- und Schienenhersteller Masteel den französischen Konkurrenten Valdunes. Es mag sein, dass es immer noch Qualitätsunterschiede gegenüber Siemens, Alstom und Bombardier gibt. Doch die Chinesen holen in atemberaubender Geschwindigkeit auf. So stellt der CRH380A Highspeed Train – mit 420 km/h einer der schnellsten Züge weltweit – des Herstellers CSR eine chinesische Eigenentwicklung dar.

Was kann Siemens tun? Außer zähneknirschend wütend zu sein nicht viel, denn der chinesische Markt ist einstweilen auch für Siemens in anderen Bereichen zu wichtig, um die Verärgerung über den abgekupferten „Technologietransfer“ zu zeigen. Was hätte es gebracht, wenn Siemens 2005 den chinesischen Auftrag nicht angenommen hätte? Nichts, Lieferanten wie Alstom und Bombardier waren ante Portas … Für die interessanten Märkte müssen die etablierten Zuganbieter immer einen Tick besser sein. Noch ist es undenkbar, dass chinesische Hochgeschwindigkeitszüge auf deutschen oder französischen Schienen fahren. In Russland kam Siemens mit seinem Hochgeschwindigkeitszug auf der Strecke St. Petersburg-Moskau zum Zuge. Doch künftig dürften auch in Russland – nicht zuletzt durch die unsinnige Sanktionspolitik des Westens – chinesische Hochgeschwindigkeitszüge das Rennen machen.

Ähnliche Entwicklungen im Maschinenbau

Auch Deutschlands Paradebranche, der Maschinen- und Anlagenbau, muss aufpassen. Zwar ist China derzeit der größte Exportmarkt der deutschen Hersteller – doch Vorsicht ist auch da geboten, denn inzwischen sind die Chinesen auch im Maschinen- und Anlagenbau zu einem gefährlichen Wettbewerber auch in anspruchsvollen Kundensegmenten geworden. Sichtbares Zeichen dafür sind etwa im Hamburger Hafen die riesigen elektronisch gesteuerten hochmodernen Containerbrücken des chinesischen Weltmarktführers ZPMC. Die neuen Brücken können dank ihrer 74 Meter langen Ausleger auch die neuen 18.000-TEU-Schiffe optimal abfertigen. Auch im neuen Jade-Weser-Port sind die weltgrößten Containerbrücken von ZPMC geliefert worden.

Doch nicht nur mit diesen spektakulären Anlagen demonstrieren die Chinesen ihre Fähigkeiten. Wie Reinhold Festge, Präsident des Verbandes des deutschen Maschinen- und Anlagenbaues (VDMA), bereits bei der Vorstellung der Studie „Strategien des chinesischen Wettbewerbs“ sagte, unternehmen die Maschinen- und Anlagenbauer aus dem Reich der Mitte „große Anstrengungen, um von Low-Tech in die High-Tech-Bereiche aufzusteigen“. Zwar haben die deutschen Unternehmen immer noch zum Teil deutliche Technologie- und Qualitätsvorteile, dennoch planen die chinesischen Wettbewerber einen gezielten Ausbau der Exportaktivitäten nach Südostasien und Indien. In einer zweiten Welle sollen dann – beginnend in diesem Jahr – mit Produkten des mittleren Marktsegmentes auch europäische und amerikanische Märkte angegangen werden. Noch sind die Deutschen – insbesondere in der Präzision – führend. Doch zum Ausruhen besteht kein Anlass. Auch für die Maschinen- und Anlagenbauer gilt: immer innovativer und besser zu sein.

Letzte Änderung am Mittwoch, 26 April 2017 11:12
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag