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Deutsche Industrieunternehmen besorgt:

Deutsche Industrieunternehmen besorgt: Pixabay

Unsichere Rahmenbedingungen

Grundsätzlich ist die Wirtschaft und hier insbesondere die Industrie in Deutschland noch zufrieden. Dabei liegt die Betonung auf „noch“. Diese Einschätzung basiert auf den Einschätzungen der Unternehmen für das abgelaufene Jahr 2016. In einer Ende Dezember 2016 veröffentlichten großangelegten Umfrage bei 6.000 Unternehmen hat der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) insbesondere die Sorgen des verarbeitenden Gewerbes zum Ausdruck gebracht.

Zwar sind wichtige Kriterien wie z.B. die Beschäftigungslage (eine wichtige Kennziffer für die industrielle Entwicklung) sogar aktuell noch gut; allein die deutsche Industrie will auch im laufenden Geschäftsjahr 30.000 weitere Arbeitsplätze aufbauen; dennoch zeigen sich Gewitterwolken. Zum einen sind die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen durch den Brexit, die Zukunft des Euros und insbesondere die Frage der künftigen Entwicklung des Handelsvolumens EU und USA (nach der Präsidentenwahl in den Vereinigten Staaten) derzeit noch nicht abschließend beurteilbar, aber wenn es z.B. Brüssel nicht gelingt, mit Großbritannien einen Modus Vivendi zu erreichen, könnte es für die deutsche Industrie schwierig werden, weil das Vereinigte Königreich einen wichtigen Absatzmarkt darstellt. Dies gilt insbesondere für hoffentlich gute künftige bilateriale Handelsabkommen Deutschlands mit den USA.

Auch da befinden sich die deutschen Exporteure in einer offenen Hängepartie, insbesondere dann, wenn der künftige Präsident Donald Trump seine Ankündigungen „America First“ umsetzt, wovon auszugehen ist. In einer relativ guten Position sind dann Unternehmen wie Siemens, die in den USA nicht nur ein Exportzielland sehen, sondern dort auch produzieren. In Europa selbst dürften Befürchtungen um die Zukunft des Euro kurzfristig unbegründet sein. Wenn aber die Unzufriedenheit der Bürger mit der EU anhält, könnten Länder wie Italien – insbesondere wegen der wirtschaftlichen Entwicklung dort – aus der Einheitswährung aussteigen. Diese Gefahr ist bei Neuwahlen in Italien durchaus gegeben.

Für ein Exportland wie Deutschland sind naturgemäß auch die Absatzmärkte der Schwellenländer wichtig. Besorgniserregend ist in diesem Zusammenhang das südamerikanische Riesenland Brasilien. Das Land steckt in der schwersten Rezession seit über 70 Jahren! Zwar verbreitet Brasiliens Präsident Michel Temer Optimismus, wenn der ankündigt, die Krise werde 2017 überwunden, doch Ankündigungen und Realität sind in Brasilien oft zwei Paar Stiefel. Es ist auch zu wünschen, dass die unseligen Sanktionen gegenüber Russland – kontraproduktiv für Deutschland – beendet werden. Die Administration Trump lässt da hoffen, denn der künftige amerikanische Präsident will das Verhältnis mit Russland normalisieren.

Digitalisierung als Anker – aber Mangel an hochqualifizierten Fachkräften

Aber auch durch innenpolitische Entwicklungen in Deutschland selbst, könnte die deutsche Wirtschaft vor großen Herausforderungen stehen. Ein Risiko dürften die wieder anziehenden Energie- und Rohstoffpreise für die energieintensiven deutschen Branchen werden. Und nicht zuletzt prägt die Digitalisierung weiterhin die Entwicklung. Die Digitalisierung braucht aber vor allem hochqualifizierte Fachkräfte.

Unabhängig von den erwähnten Rahmenbedingungen wird für die deutsche Industrie die Digitalisierung eine große Rolle spielen. Mit der Digitalisierung macht sich die deutsche Wirtschaft für die Zukunft fit. Gebremst wird die Digitalisierung aber vor allem durch den erheblichen Mangel an gut ausgebildetem Fachpersonal. Gefragt sind insbesondere IT-Experten. „Viele Arbeitgeber suchen händeringend nach hoch qualifizierten Mitarbeitern“, sagte Prof. Dr. Bernhard Lorentz, IT-Experte bei Ernst & Young (EY). Es sei, so Lorentz weiter, verheerend, wenn es dem Innovationsstandort Deutschland nicht gelingt, die Lücke zu schließen und der Entwicklung in anderen Ländern hinterherhinke, weil es hier nicht genügend geeignete Fachkräfte gibt.

Flüchtlingspolitik schmälert Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Deutschland

Noch wird es öffentlich nur hinter vorgehaltener Hand zugegeben: Die Flüchtlingspolitik löst das Fachkräfteproblem nicht, weil die notwendige Ausbildung und Qualifikation bei der überwiegenden Anzahl der Zuwanderer fehlt. Die Mär von den Fachkräften durch Flüchtlinge war eben doch eine Mär. Die Industrie hat für die Zuwanderer mangels Eignung keinen Bedarf. Ganz im Gegenteil besteht offenbar für junge tüchtige Fachleute aus Deutschland ein Zusammenhang der nachlassenden Attraktivität des Standortes Deutschland mit der Flüchtlingspolitik.

Immer mehr Akademiker und qualifizierte Kaderkräfte haben durch die nachlassende deutsche innenpolitische Sicherheit Angst um ihre Familien und um die Zukunft ihrer Kinder. Die Lebensqualität sinke in Deutschland aus der Sicht gutverdienender Führungskräfte, die es sich leisten können aus Deutschland abzuwandern, enorm, wenn das Land seine Identität weiter verliere, heißt es. Weihnachten 2016 war ein leider negatives Beispiel für die Sorgen der Menschen. Ein Land, das bereits Weihnachtsgottesdienste schwerbewaffnet schützen müsse, sei nicht nur für aktive Führungskräfte in der Wirtschaft aus Gründen der Lebensqualität nicht mehr vermittelbar.

Tatsächlich haben nach einem Bericht des New Yorker Think Tank GATESTONE INSTITUTE allein im vergangenen Jahrzehnt 1,5 Millionen deutsche Bürger Deutschland verlassen. Insbesondere die Schweiz und die Vereinigten Staaten gehören zu den Ländern, in denen die Auswanderer aus Deutschland eine neue Perspektive aufbauen. Das „Abstimmen mit den Füßen“ geht weiter. Immerhin haben nach Angaben der staatlichen Bundesbehörde Statistisches Bundesamt auch 2015 (für 2016 liegen die Zahlen noch nicht vor) 139.000 deutsche Bürger unser Land verlassen. Es ist erstaunlich, dass die meisten deutschen Medien dieses hochbrisante Thema ausblenden. Wenn diese Entwicklung weitergeht, fehlen der deutschen Wirtschaft im eigenen Land die wichtigsten personellen Ressourcen.

2015 verzeichnete Deutschland laut Statistischem Bundesamt eine registrierte (ohne die nicht erfassten unkontrollierten bzw. unbekannten Ziffern) Zuwanderung von 2.137.000 Menschen. Davon hatte die überwiegende Anzahl von 2.016.000 Menschen einen ausländischen Pass. Diesen Zahlen stehen 998.000 Abwanderungen – davon 859.000 mit ausländischem Pass – entgegen. Die Differenz – 998.000 minus 859.000 – bei den Abwanderungen stellen die erwähnten 139.000 deutschen Bürger dar.

Wenn die skizzierte Entwicklung anhält und Deutschland immer unattraktiver für die eigene Bevölkerung wird, verbleibt für die deutsche Hightech-Industrie als Ausweg oft nur die Verlagerung von hochqualifizierten Aktivitäten ins Ausland. Mittel- und langfristig ist diese Entwicklung die gefährlichste Herausforderung für den Wirtschaftsstandort Deutschland. Es ist höchste Zeit, dass das Thema in der Öffentlichkeit sensibilisiert wird.

Letzte Änderung am Freitag, 07 April 2017 12:15
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag