Die jetzt wieder in einem Zeitungsbeitrag formulierten Vorschläge des Präsidenten laufen auf eine riesige zusätzliche Bürokratie, die ja eher in Brüssel abgebaut werden soll, hinaus. So will er eine „Europäische Agentur für den Schutz der Demokratie“ schaffen, was immer darunter zu verstehen ist. Was soll denn konkret wo geschützt werden, wenn die etablierten Parteien in der EU erst für die Politikverdrossenheit gesorgt haben? Dann fordert er eine gemeinsame Asylpolitik mit einheitlichen Regeln und lässt dabei außen vor, dass diese aufgrund der unterschiedlichen Mentalitäten und Strukturen in den Mitgliedsstaaten der EU gegen die Bürger nicht umsetzbar ist. Die osteuropäischen EU-Länder haben nun einmal andere Vorstellungen zum Thema Asyl. Dies mag aus der Sicht von Macron bedauerlich sein, aber so ist nun einmal die Realität. Sollen Polen und Ungarn die EU verlassen, soll Italien gegängelt werden?
Eine weitere überflüssige Behörde wäre der von Macron vorgeschlagene „Europäische Rat für innere Sicherheit“. Anstelle Posten und Pöstchen abzubauen, will Macron offensichtlich die EU weiter aufblähen. Weshalb kann man entsprechende Aufgaben nicht auf der Ebene der EU-Regierungschefs abklären? Eine Europakonferenz will der Präsident einführen. Für was, warum? Es gibt bereits genug Konferenzen in Brüssel und in den anderen Hauptstädten der EU-Länder. Bereits jetzt sind zwei EU-Kommissare für die Außen- und Sicherheitspolitik und für Inneres zuständig. Es gibt bereits Instrumente wie Europol und Frontex und eine Agentur für IT-Sicherheit. Es ist daher wohl das Geheimnis von Macron, was etwa der von ihm vorgeschlagene Europäische Rat für innere Sicherheit tun soll.
Unrealistische Planspiele
Eine Umverteilungs- und Transferinstitution wäre auch die weitere Worthülse „Europäische Klimabank für die Finanzierung des ökologischen Wandels“ und insbesondere der enorme Aufwand für eine gemeinsame europäische Verteidigung, bei der wohl Macron einen großen Teil des Wehretats für die konventionellen Streitkräfte Frankreichs verlagern will, um die aus dem Ruder laufenden Kosten für die atomaren Streitkräfte des Landes, die natürlich auch künftig unter französischem Oberbefehl bleiben, besser im Haushalt darstellen zu können (siehe „Unrealistische Planspiele einer Europa-Armee“).
Inzwischen haben die CDU-Parteivorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer und der Unions-Fraktionsvorsitzende Ralph Brinkaus (CDU) die Vorschläge von Macron reserviert kommentiert. Man sei zwar in vielen Fragen bei Macron, aber mit einem europaweiten Mindestlohn und einer entsprechenden sozialen Grundsicherung – auch dies schlug der Franzose vor – wollen sich die Unionsparteien nicht anfreunden. Im ZDF-Morgenmagazin wies Brinkaus darauf hin, dass mehr Institutionen und mehr europäische Budgets, die auf eine Umverteilung hinauslaufen, nicht die Lösung seien. Viele jetzt beschriebenen Vorschläge des französischen Präsidenten ähneln seiner Sorbonne-Rede aus dem Jahr 2017. Schon damals war die Bundesregierung bei einigen Vorstellungen von Macron reserviert. Es verwundert daher, wenn der Präsident einige frühere Vorschläge wieder aufwärmt. Mit seinem Gastbeitrag hat er jedenfalls die stark an Zulauf gewinnende Bewegung der „Gelbwesten“ in seinem Land nicht überzeugen können. Macron schwimmen die Felle davon. Nicht Europa ist in Gefahr, wohl aber innenpolitisch Frankreich und vor allem Macrons Reputation. Vielleicht auch deshalb erfolgte jetzt sein Ablenkungsmanöver in einem Zeitungsgastbeitrag.