Gefährdet sind in der Wirtschaft energieintensive Unternehmen sowie Arbeitsplätze und Versorgungsstrukturen im Einzelhandel und Speditionsgewerbe. Der Bundesverband Güterkraftverkehr und Logistik (BGL) befürchtet gar eine Pleitewelle, weil viele mittelständische Transporteure die extrem steigenden Kosten für Dieseltreibstoff nicht mehr stemmen können. Dies könnte dazu führen, dass die Regale in den Supermärkten bald leer sind, wenn die Warenanlieferungen nicht erfolgen. Es besteht also bei der Bundesregierung dringender Handlungsbedarf für die steuerliche Entlastung beim Dieseltreibstoff.
Hohe Spritkosten gefährden Arbeitsplätze
Extrem hohe Spritpreise belasten auch die Berufspendler und Dienstleister, die auf ihren PKW angewiesen sind. Deutschland ist bei den Kosten für Diesel und Benzin einsamer negativer Spitzenreiter. Eine Ausrede für diese Entwicklung hat die Politik schon gefunden, den Ukraine-Krieg. Doch diese Schutzbehauptung stimmt nur zum Teil, wie die Beispiele Schweden, Frankreich, Italien, Dänemark – von den USA ganz abgesehen – zeigen. Teilweise liegen die Spritpreise in den genannten Ländern aktuell 60 Cent und mehr unter den entsprechenden deutschen Kosten. Deshalb schlägt der Energiebranchenverband BDEW im Energiebereich eine Absenkung der Mehrwertsteuer von 19% auf 7% vor. Auch die Stromsteuer könnte lt. BDEW auf das europäische Mindestmaß fallen.
Die Energieverteuerung belastet nicht nur Deutschlands Vorzeigebranche Maschinenbau und Anlagen (VDMA). 45% der Branchenunternehmen melden in einer Umfrage negative Auswirkungen auf die Umsatzzahlen. Immer mehr zeigen sich die Auswirkungen einer völlig verfehlten deutschen ideologisch geprägten Energiepolitik – auch der viel zu schnelle Ausstieg aus der Kernenergie, so er überhaupt sinnvoll war und ist. Die verfehlte Energiepolitik – Ausstiegsszenarien in der grundlastfähigen Stromerzeugung – hat mit den aktuellen Ukraine-Ereignissen nichts zu tun.
Noch vor nicht allzu langer Zeit gab die Bundestagsfraktion der Grünen die Studie „Die neue Gaswelt“ (Januar 2020) in Auftrag). Im Vorwort forderte der damalige Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter eine Abkehr vom Erdgas. Jetzt haben wir eine Abkehr vom Erdgas – doch leider auf eine völlig andere Art! Wir sind „im heute“ und nicht in der Zukunft etwa des Jahres 2050. Heute sind wir auf Erdgas dringend angewiesen, wie auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, derzeit auf Einkaufstour für Erdgas, betont. Dies hörte sich bei den Grünen einmal anders an: Die Zukunft, so die Grünen-Studie, läge im Energieträger Wasserstoff und im Einsatz von synthetischem Biomethan. Wasserstoff könnte in der Zukunft einen wichtigen Beitrag für die Energieversorgung leisten, doch zunächst muss erst einmal – über theoretische „Wasserstoff-Initiativen“ hinausgehend – eine für die Produktion und Verteilung notwendige deutsche Infrastruktur aufgebaut werden. Dies braucht Zeit.
Die „Zeitenwende“
Bundeskanzler Scholz hat die Ukraine-Ereignisse zum Anlass genommen, infolge des Krieges von einer „Zeitenwende“ zu sprechen: „Wir erleben eine Zeitenwende“ und dies bedeute, dass die Welt nicht mehr dieselbe wie davor sei. Ja, wir haben eine Zeitenwende, aber dies heißt nicht zwangsläufig, dass die Deutschen frieren und ärmer werden müssen, wie Finanzminister Christian Lindner (FDP) sagte. Jetzt muss die Regierung zeigen, was sie kann! Politik ist die Kunst des Möglichen. Immer noch ist in der aktuellen Situation der Preiserhöhungen mit fälligen Steuerentlastungen und anderen politischen Instrumenten viel Spielraum möglich! Ca. 50% der Spritpreise sind durch Steuern und Abgaben getrieben. Das muss nicht sein!
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder hat die Gefahren für Unternehmen und die Bevölkerung richtig erkannt: Die Bürger sollen, so seine Empfehlung, bei den extrem hohen Treibstoffkosten durch eine „absolute Energiepreisbremse“ entlastet werden. „Deswegen sollte die Mehrwertsteuer so weit reduziert werden, wie es geht und vielleicht sogar mit Zustimmung der EU auf null reduziert werden.“ Söder erwartet dann eine Senkung der Benzin- bzw. Dieselpreise um ca. 20%.
Es ist bedenklich, wenn Christian Lindner den Deutschen einen volkswirtschaftlichen Wohlstandsverlust ankündigt: „Man kann das übersetzen, dass wir alle ärmer werden“, sagte der FDP-Bundesfinanzminister. Doch die FDP wurde bei der Bundestagswahl 2021 nicht für Hiobsbotschaften gewählt. Vielmehr sollten die Liberalen – dies war die Motivation für eine FDP-Stimmabgabe – ein rot-grünes oder gar rot-rot-grünes Chaos verhindern. Doch was ist jetzt in der Ampel geschehen? Die FDP ist bisher – Christian Lindner konkret – beim politischen Management der Krise eine Enttäuschung. Dies zeigt sich bei den enorm sinkenden Zustimmungswerten der Partei.
Die Wahrheit ist eine andere
Wer in diesen Wochen Äußerungen aus den Reihen der Ampelkoalition (bei den Schuldzuweisungen ist auch die Union beteiligt) verfolgt, gewinnt den Eindruck, dass für den Anstieg der Energiepreise Russland und nur Russland Schuld trägt. Dies klingt nach Ausreden. Denn die hohen Energiepreise – vorwiegend bei den Stromrechnungen erkennbar – sind keine aktuelle Entwicklung. Schon in der Großen Koalition wurden falsche energiepolitische Weichen gestellt. Klimadebatten – so wichtig Klimaschutz auch sein muss – wurden bereits unter Angela Merkel zum Anlass für zahlreiche Belastungen.
Die Bundesregierung wollte und will die Welt retten und bastelte mit verschiedenen Belastungen und Abgaben (vorwiegend in Stoßrichtung der Energie- und Automobilwirtschaft) eifrig an der drohenden Deindustrialisierung Deutschlands. Von einer notwendigen Balance zwischen Ökologie und Ökonomie keine Spur! Hinzu kam zu allem Unglück die Pandemie, die zahlreichen Branchen – Gastronomie, Kultur, Messen und Kongresse, Tourismuswirtschaft u.a. – zusetzte. Trotz all dieser Herausforderungen gefällt sich Deutschland in seiner Rolle, auch indirekt über die EU, als Finanzier für alle erdenkbaren Projekte im In- und Ausland. Hilfsprogramme für den deutschen Ausstieg aus der Kernenergie und der Kohle haben astronomische Ausmaße angenommen. Allein für den Kohleausstieg sollen an Finanz- und Strukturhilfen in den betroffenen Bundesländern bis zu 40 Milliarden Euro fließen.
Kontraproduktive deutsche Energiewende diskriminierte Kernenergie
Die deutsche Energiewende wurde durch drei Entscheidungen geprägt. Dies sind, erstens, der deutsche kostenintensive Sonderweg als selbsternannter Musterschüler und Vorreiter (als ob Deutschland die Welt retten könnte), zweitens der spontane Ausstieg aus der Kernenergie und schließlich, drittens, das Ende der Kohle und deren Verstromung. Deutsche Energiepolitik war immer durch die Kriterien Versorgungs-Sicherheit und Wirtschaftlichkeit geprägt. Doch durch die zu einseitige ideologische Fokussierung auf Wind- und Solarenergie, die beide die erforderliche Grundlast der Stromerzeugung wetterbedingt nicht garantieren können, wurde Deutschland energiepolitisch verstärkt vom Ausland abhängig. Das Ergebnis sehen wir jetzt! Deutschland ist gegen die Kernenergie und importiert aber fleißig „Atomstrom“ aus dem Ausland. Allein 2020 wurden ca.33.000 Gigawattstunden Strom vom Ausland bezogen. Stromlieferanten, made by Kernenergie, waren und sind Frankreich, Tschechien und die Schweiz.
Inzwischen hat die EU erkannt, dass ohne die Kernenergie die ehrgeizigen Klimaziele nur schwer erreicht werden. Zahlreiche Länder bauen daher diese aus oder planen entsprechende Anlagen. Während in Deutschland ideologische Streitgespräche zur Kernenergie stattfinden, hat China jüngst einen Thorium-Flüssigkeitsreaktor als Pilotanlage in Wuwai in Betrieb genommen. Bill Gates entwickelt mit seiner Firma TerraPower kleine Reaktoren für eine CO2 freie Energieerzeugung und der britische Triebwerkehersteller Rolls-Royce plant und produziert mit seiner Tochtergesellschaft Rolls-Royce SMR (Small Modular Reactor) kleine atomare modulare Reaktoren für eine saubere Energieerzeugung. Allein UK will 16 Mini-AKWs von RR installieren. Das Genfer Startup-Unternehmen Transmutex entwickelt einen neuen Reaktor – wie die Chinesen ebenfalls auf Thorium-Basis. Die Nuklearindustrie scheint vor einer Renaissance zu stehen.
Neue Chancen für „Small-Modular-Reactoren“
Die Überlegungen in Richtung Kernenergie, mit einer völlig neuen Konfiguration, könnten jetzt weltweit, nicht nur dem Klima sondern auch der Versorgungssicherheit zuliebe, beschleunigt werden. Aktuell spürt Deutschland die Brisanz ausufernder Energie- bzw. Stromkosten. Während über eine Verlängerung der Restlaufzeiten der noch produzierenden drei deutschen AKW nachgedacht wird (Bayerns Ministerpräsident Markus Söder empfiehlt dies), sollen sogar – vor wenigen Wochen noch undenkbar – deutsche Kohlekraftwerke evtl. die Energieversorgung in einer bestimmten Zeitachse sichern. Die Not hebt Denkverbote auf, so ist sogar aus dem Umfeld der Bundesregierung zu hören.
Die deutsche Energiewende ist unglaubwürdig. Während einerseits die Wälder geschützt werden sollen, ist allein für den Ausbau der Windenergie ein Flächenbedarf an Land von 2% der gesamten Fläche Deutschlands vorgesehen. Dies sind 7.140 qkm oder die Größe des Saarlandes und der Stadtstaaten Berlin, Hamburg, Bremen sowie der Großstädte Köln, München, Dresden, Leipzig, Frankfurt/Main, Essen, Düsseldorf, Hannover und Stuttgart zusammen. Ein Wahnsinn. Es sollte daher tatsächlich auch in Deutschland zumindest über das Thema Small-Modular-Reactor nachgedacht werden. Der Ukraine-Krieg und seine Folgen erzwingt neue Energielösungen.