Wer Bedenken äußerte, etwa ob unsere Gesellschaft durch Millionen fremder Menschen polarisiert wird, kam unter das Fallbeil des Rechtsextremismus. „Wir schaffen das“, sagte – und eigentlich immer noch – gebetsmühlenartig die Kanzlerin, wobei sie offen ließ, wer „wir“ ist. Sie wollte eine europäische Lösung, schwafelte davon, dass es doch leicht sei, ein paar Millionen Zuwanderer (berechtigte Flüchtlinge oder Wirtschaftsflüchtlinge) auf die EU zu verteilen und übersah, dass man in vielen Ländern nicht ansatzweise daran dachte, einer Quotenregelung zuzustimmen. Eine Opposition gab es im Bundestag nicht mehr. In der Willkommenskultur übertrafen sich CDU, SPD, Grüne und die Linke, die an das alte Ideal des Kommunistischen Manifestes (Proletarier aller Länder, vereinigt euch) anknüpfte.
CSU – einsamer Rufer in der Wüste
Wer heute, ein Jahr nach dem Ausrufen der unkontrollierten Zuwanderung, das Aufkommen der AfD kritisiert, sollte einmal darüber nachdenken, was für eine Alternative ansonsten die Wähler haben, wenn es in zentralen Fragen – und die Einwanderungspolitik ist eine zentrale Frage – keine Opposition gibt. Die einzige Partei, die sich noch dem unkontrollierten Massenzustrom entgegenstellte, war die CSU, die dafür prompt auch von einer vereinheitlichten Journalistenschar, die einem Betroffenheitsjournalismus unterliegt, Schelte bekam. Aber die CSU hatte leider nicht den Mut, einen bundesweiten Auftritt, der die sogenannten bürgerlichen, nicht rechtsextremen, Wähler binden könnte, ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Auch die FDP kann man getrost vergessen – heute so, morgen so.
Längst schwenkte die Meinung in Deutschland um. Spätestens nach den Übergriffen an Silvester 2015 in Köln drehte sich die Stimmung. Spätestens nach den Brüsseler Anschlägen wurden den Menschen bewusst, dass ein unkontrollierter Zustrom auch enorme Gefahren bedeutet. Darauf wiesen immer deutlicher die Sicherheitsfachleute hin.
Eine Woche vor den Anschlägen in Brüssel gab es bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Sachsen-Anhalt und in Rheinland-Pfalz die ersten Ernüchterungen. In Baden-Württemberg eroberte die CDU ihren früheren angestammten Platz als führende Kraft nicht zurück und die SPD landete noch hinter der AfD auf einem beschämenden vierten Platz. In Sachsen-Anhalt wurde gar die AfD zweitstärkste Kraft; auch hier die SPD abgeschlagen unter ferner liefen. Und selbst in Rheinland-Pfalz, hier verlor die SPD bereits 2011 ihre absolute Mehrheit, reichte es nur zu einer Dreierkoalition SPD-FDP-Grüne. Auch in Rheinland-Pfalz wurde die AfD vom Stand heraus stärker als die jetzigen Koalitionspartner der SPD, FDP und Grüne zusammen. Letztere mussten bis zum letzten Moment um den Einzug in den Landtag zittern.
Man höre und staune
Immer war die Flüchtlingspolitik das bestimmende Thema. Wer glaubte, dass insbesondere die CDU und die Kanzlerin aufgrund der Wahlschlappen ihre Politik ändern würde, sah sich getäuscht. Erst nachdem auch Deutschland mit Terrorangriffen von Asylanten u.a. in Würzburg und Ansbach konfrontiert wurde und jetzt wenige Tage vor den Landtagswahlen in Mecklenburg-Vorpommern, verkündete die Kanzlerin, dass die „Unruhe und Sorge“ in der deutschen Bevölkerung verständlich sei. Und – man höre und staune – „Deutschland wird Deutschland bleiben, mit allem was uns lieb und teuer ist“, sagte die Kanzlerin. Doch knapp ein Jahr vorher verkündete die Kanzlerin andere Worte: „Was wir jetzt erleben, das ist etwas, was unser Land schon in den nächsten Jahren beschäftigen und verändern wird, und wir wollen, dass es sich positiv verändert“. Aha, vor einem Jahr sollte sich Deutschland laut Merkel noch verändern.
Jetzt, wo der Kanzlerin und ihrer Partei die Felle davonschwimmen, will sie retten, was noch zu retten ist. Zu spät, Frau Bundeskanzlerin! Jetzt plötzlich will auch Sigmar Gabriel, Vizekanzler und Parteichef der SPD, eine Obergrenze, deren Forderung er mit einer deutlichen Kritik an der Bundeskanzlerin verband. Jetzt vernehmen wir selbst von den Grünen neue Töne zur Integration. Wer unsere Kultur und unsere Werte nicht annehmen wolle, müsse ja nicht zu uns kommen – so Grünen-Chef Cem Özdemir. Zu spät! Das Volk hat noch die anderen Töne in Erinnerung.
Längst wurde Deutschland durch die Flüchtlingspolitik zum Buhmann unserer Nachbarn. Die Briten werden die EU verlassen. Das Votum wurde eindeutig mit der unseligen Flüchtlingspolitik und den Verteilungsquoten nach den Vorstellungen der Bundeskanzlerin begründet. In Österreich sprechen Regierungsmitglieder (Hans-Peter Doskozil, Verteidigungsminister) offen davon, dass „Die Wir schaffen das-Politik unverantwortlich“ sei. Es sei ihm rätselhaft, weshalb aus dem vergangenen Jahr 2015 „nicht die richtigen Lehren gezogen worden sind.“
Die Visegrad-Staaten Polen, Slowakei, Tschechien und Ungarn haben jetzt erneut bei einem Treffen mit der Kanzlerin verdeutlicht, dass sie einer Quotenregelung nicht zustimmen, schon überhaupt nicht unter deutschem Druck. Tschechiens Präsident Zeman nannte die Willkommenskultur weiterhin „Unsinn“ und die Türkei hat Merkel und Deutschland geradezu gedemütigt. Die Türkei erteilte sogar deutschen Bundestagsabgeordneten ein Besuchsverbot auf dem deutschen Stützpunkt in Incirlik. Die Bürger und Wähler fragen sich immer mehr, mit wem sich die Kanzlerin überhaupt noch einlässt. Charakter- und Führungsstärke sieht anders aus. Europäische Lösungen in der Flüchtlingspolitik sind weiter denn je entfernt.
Am Sonntag werden die Bürgerinnen und Bürger bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern der Kanzlerin und ihrer CDU – aber auch der SPD, den Grünen und selbst der Linken, eine unangenehme Quittung ausstellen. Die Opportunisten kommen zu spät.