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Euphorie weicht Nüchternheit:

Euphorie weicht Nüchternheit: Pixabay

Spitzenmanager befürchten Destabilisierung Deutschlands

Die Realität hat nun auch die Wirtschaft eingeholt. Noch zu Beginn der Zuwanderung im Herbst 2015 haben führende Repräsentanten des BDI im Flüchtlingsstrom die Chance ausgemacht, den Fachkräftemangel und die demografischen Probleme zu lösen. Das wirtschaftsnahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) prognostizierte durch den Wirtschaftswissenschaftler Michael Hüther gar positive Effekte für die deutsche Wirtschaft. Und völlig realitätsfremd sprach David Folkerts-Landau (Chefvolkswirt der Deutschen Bank) von einer Riesenchance für Deutschland, wenn im laufenden Jahr 2016 nochmals eine Million Zuwanderer kämen. Frühzeitige andere besorgte Stimmen, etwa durch den Hauptgeschäftsführer der Deutschen Bauindustrie (Michael Knipper), passten nicht in das Konzept des BDI, dessen Vertreter Markus Kerber die Zuwanderung ebenfalls im US-Fernsehsender CNN lobte. Doch diese Euphorie hat inzwischen einer nüchternen Betrachtung Platz gemacht.

Jetzt überwiegen die Sorgen. Der Massenzustrom war auch ein großes Thema beim Weltwirtschaftsforum in Davos. In der Tat war die Vorstellung, dass Flüchtlinge das Fachkräfteproblem mindern, mehr wie „blauäugig“ (Michael Knipper von der Bauindustrie). Inzwischen sieht die Wirtschaft sogar ein Investitionsrisiko, wenn Deutschland als führender Wirtschaftsstandort infolge gesellschaftspolitischer Spannungen durch die hohe Anzahl der Flüchtlinge destabilisiert würde.

Einflussreiche Manager warnen

Bereits vor einigen Wochen hat Mathias Döpfner, Vorstandsvorsitzender der Axel Springer SE, in einem lesens- und bemerkenswerten Editorial in der Tageszeitung „Die Welt“ die derzeitige Entwicklung kritisch gesehen: „Die Fakten der Einwanderungswelle lassen jeden Menschen, dem der Verstand nicht abhandengekommen ist, erkennen, dass es so (wie bisher in der Asylpolitik – die Redaktion des WirtschaftsReport) nicht weitergehen kann. Weitere prominente Konzernchefs wie Dr. Kurt Bock (BASF), Marijn Dekkers (Bayer AG) oder Dr. Bernd Scheifele (Heidelcement) haben sich ebenfalls kritisch zur Einwanderungseuphorie geäußert.

Jetzt haben sich zwei weitere Schwergewichte kritisch zur Entwicklung infolge der Flüchtlingskrise geäußert. Insbesondere Airbus-Chef Tom Enders legte sich keine Zurückhaltung auf: „Wenn dieses Jahr wieder eine Million mehr Menschen kommen sollten, wird das die politische und soziale Stabilität in Deutschland gefährden“, sagte der Manager in einem Gespräch mit der „Welt am Sonntag“. Auch Siemens-Chef Joe Kaeser hat in der gleichen Zeitung Handlungsbedarf angemahnt. Kaeser will differenzieren: Menschen, die um ihr Leben Angst haben, sollen in Deutschland aufgenommen werden. „Wirtschafts- und Wohlstandsmigranten können dagegen erst kommen, wenn wir sie benachrichtigen, dass wir sie jetzt brauchen.“

Gefahren für die Qualität des Standortes Deutschland

Der Aufsichtsratschef der BASF, Jürgen Hambrecht, sieht sogar die Gefahr des Auseinanderbreches der EU aufgrund der Flüchtlingskrise. In der Februar-Ausgabe des Manager Magazins weist Hambrecht darauf hin, dass man sich in der Wirtschaft über diese drohende Entwicklung „tiefe Sorgen“ mache. Auch der ehemalige BDI-Präsident und frühere Chef von IBM Europa, Hans-Olaf Henkel, sieht die derzeitige Entwicklung des ungezügelten Zustroms nach Deutschland kritisch. Deutschland sei, so Henkel in einem Interview mit dem „Aktionär“, Exportweltmeister gewesen, „jetzt sind wir noch an dritter Stelle. Dafür sind wir inzwischen Importweltmeister bei der Einfuhr von Leuten geworden, die ein menschenfeindliches Frauenbild haben“. Deutschland leide unter einem Helfersyndrom und müsse dringend auf die Couch. Mit Ungemach sieht auch Henkel das Meinungsbild im Ausland und zitiert dabei das Weltblatt „New-York-Times“. Man frage sich im Ausland, wie es passieren konnte, dass das einst so sichere Deutschland quasi über Nacht für Frau unsicher geworden ist.

Diese Entwicklungen sind sehr ernst zu nehmen, denn sie beschädigen den Wirtschaftsstandort Deutschland. Wenn die Umfeldbedingungen für Investitionen – dazu gehört die Sicherheit – nicht mehr stimmen, könnten internationale Unternehmen einen Bogen um Deutschland machen.

Letzte Änderung am Donnerstag, 20 April 2017 10:35
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag