Eckhard Cordes (Bild), Vorsitzender des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft, sieht durch die Sanktionen gegenüber Russland globalpolitische Auswirkungen durch eine wesentlich enger werdenden wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Russland und China. Diese könnte zu Lasten der deutschen Unternehmen negative Folgen haben. Chinesische Unternehmen könnten deutsche Firmen auf dem russischen Markt verdrängen. Zwar erkennt die deutsche Wirtschaft grundsätzlich den Primat der Politik an, aber 42% der befragten Unternehmen halten Wirtschaftssanktionen grundsätzlich für ein ungeeignetes Mittel, um politische Konflikte zu lösen. Weitere 35% lehnen Wirtschaftssanktionen zum jetzigen Zeitpunkt ab und lediglich 24% – noch nicht einmal ein Viertel – halten die EU-Wirtschaftssanktionen gegen Russland für angemessen. Dies sind die Ergebnisse der 12. Umfrage des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft und der Deutsch-Russischen Außenhandelskammer zu Beginn dieses Jahres 2015. Diese Erkenntnisse stehen deutlich im Gegensatz zu Befragungen durch Allensbach zum Thema Sanktionen (siehe Beitrag oben).
Deutsche Wirtschaft hält an Russland fest
Auch entwickeln sich die Sanktionen immer mehr auch für die deutsche Wirtschaft zum Ärgernis. Nach einer ARD-Text-Meldung, die sich auf Reuters und das Statistische Bundesamt bezieht, brachen die deutschen Exporte nach Russland 2014 um 18,1% oder rund 6,5 Milliarden Euro ein. Diese Entwicklung wird auch durch die neueste Umfrage des Ost-West-Ausschusses indirekt bestätigt. Demnach wirke sich auf drei Viertel der befragten Unternehmen der Ukraine-Konflikt negativ oder sogar stark negativ aus. Dr. Rainer Seele, Präsident der Deutsch-Russischen Außenhandelskammer und Vorstandsvorsitzender der Wintershall Holding, wies darauf hin, dass alle ausländischen Unternehmen in Russland bereits die Auswirkungen der Krise spüren. „Aber Russland ist nach wie vor der größte Handelspartner in der Region, und die deutsche Wirtschaft hält an dem Land fest. 6.000 deutsche Firmen im Markt bestätigen das“, sagte Seele. Dies sei ein deutliches Zeichen. Die Politik müsse alles unternehmen, „schnellstmöglich wieder miteinander ins Gespräch zu kommen und nachhaltige Lösungen zu finden. Wir brauchen also mehr Verständnis.
Die BASF, zu der Wintershall gehört, ist z.B. nicht nur im Energiebereich (Erdgas) einer der wichtigsten Partner Russlands. Auch wenn die aktuelle Situation angespannt sei, sind Russland und Europa aufeinander angewiesen. Seele: „Die Fakten zeigen: Europa bleibt auf absehbare Zeit der größte und wichtigste Absatzmarkt für russisches Erdgas.“ Bei allen derzeitigen politischen Irritationen darf nicht vergessen werden, dass in dem so wichtigen Bereich des Energieträgers Erdgas Russland und Deutschland auf eine inzwischen über 40-jährige erfolgreiche Zusammenarbeit zurückblicken können. Selbst zu Zeiten des „kalten“ Krieges noch unter Sowjetzeiten und lange vor der deutschen Wiedervereinigung, funktionierten die Lieferbeziehungen beim Erdgas zwischen Deutschland und Russland ungestört. Insofern ist es sehr bedauerlich, dass es zur Absage der geplanten South-Stream-Pipeline kam. Die Russen setzen jetzt auf eine Pipeline in die Türkei und eine vertiefende Zusammenarbeit mit diesem Land.
Aber nicht nur im Energiebereich bestehen auf der deutschen Unternehmensebene eine gute Zusammenarbeit mit den russischen Partnern. Selbst die Tourismuswirtschaft beklagt das Ausbleiben russischer Gäste. Währungsprobleme setzen der deutschen Automobilindustrie im Absatzmarkt Russland zu. Und schließlich befürchten viele deutsche Unternehmen globalpolitische Auswirkungen durch eine Hinwendung Russlands nach China und anderen asiatischen Konkurrenten Deutschlands. Russland ist keineswegs isoliert, wenn nur die Beispiele China, Indien, das NATO-Mitglied Türkei, Brasilien, Argentinien und andere Staaten als Beleg dienen. Mit allen genannten Ländern baut Russland derzeit die wirtschaftliche Zusammenarbeit erheblich aus.