Zunächst muss einmal festgehalten werden, dass die bekanntgewordenen Verfehlungen keineswegs die Norm und nur der Wirtschaft zuzuordnen sind. Selbst Beamte und Politiker waren und sind immer wieder sowohl im In- als auch im benachbarten Ausland betroffen, wenn nur an die jüngsten Anschuldigungen in Österreich beim Kauf von Abfangjägern erinnert werden darf. Und das ist lediglich ein Beispiel.
Anstand und Grundwerte
Was treibt die Menschen zum Missbrauch und zur Gier? Sind es Zeiterscheinungen oder gar, wie einige Medien meinen, die fehlenden Regeln für Ethik und Moral? Wenn es doch so einfach wäre! Vor Missbrauch und Steuerhinterziehungen schützen auch Regeln nicht. Denn wer ganz bewusst etwa als Unternehmer Abgaben nicht leistet, macht dies ja, obwohl er weiß, dass die Handlungen einen strafbaren Tatbestand darstellen. Die Betonung liegt auf dem Wort „bewusst“. Denn Kriminalität wird nie auszuschließen sein und ist die eine Seite. Die andere Seite ist de facto ein Mangel an Bewusstsein für Ethik und Moral. Unstreitig fehlt in einem lockerer gewordenen gesellschaftlichen Umfeld, in dem es für einzelne Medien Mode geworden ist, sogar den Papst zu verunglimpfen, das Gespür für die Notwendigkeit von mehr Anstand. Die Wirtschaft als ein wichtiger Teil der Gesellschaft macht da keine Ausnahme. Vorab: Wir brauchen auf unseren Märkten keine strengeren „Regeln“, die ja nichts anderes sind als ein Gängeln; wir brauchen aber mehr positive Grundwerte – eben eine größere Aufrichtigkeit in allen Belangen.
Darf ich als Firmeninhaber meinen bewährten Partner, beispielsweise einen Materiallieferanten, beim Einkauf überfordern, darf ich als Geschäftsführer immer weiter menschliche Kompetenzen abbauen, was zulasten der Qualität meiner Produkte geht? Ist es verantwortbar, wenn wir Textilwaren aus Bangladesch beziehen, obwohl wir wissen, dass etwa die Hemden durch Kinderarbeit genäht wurden? Natürlich sollte man dies alles nicht tun. Demgegenüber steht der harte Wettbewerb, der Kostendruck – wer da als Unternehmen versagt, ist später dann oft „zweiter Sieger“. Dies müsste aber nicht sein, würde in unserer gesamten Gesellschaft wieder klar: Alle Waren und Dienstleistungen, seien sie vom Handwerk, der Industrie oder aus der Finanzwirtschaft, haben ihren Preis oder ihren Tarif. Ich muss mir auch als letztes Glied, als Verbraucher, bewusst sein, dass ich keine optimale Qualität haben kann, wenn ich nicht bereit bin, etwa für Fleisch einen fairen Preis zu akzeptieren.
Freiheit ohne Regeln?
Wir brauchen also einfach mehr Rechtschaffenheit und da gibt es sehr wohl noch „Leuchttürme“.
Es ist nicht so, dass etwa die Finanzwirtschaft generell zu verteufeln ist. Auch die großen deutschen Banken haben ja schließlich wichtige Beiträge geleistet. Sie sorgen nicht nur für den Blutkreislauf der Wirtschaft mit Krediten. Sie begleiten die Exportwirtschaft, die Industrieunternehmen unseres Landes, bei der Vor- und Zwischenfinanzierung großer Infrastrukturprojekte und sichern somit indirekt industrielle Arbeitsplätze in Deutschland.
Feindbild Banken
Nun wird in Teilen der deutschen Öffentlichkeit ein neuer Feind ausgemacht, der den Ansprüchen an Ethik und Moral nicht genügen würde, die Banken und die großen Firmen, die mit Preisabsprachen die Gesellschaft überfordern würden. Banken – aber auch große Industrieunternehmen – müsse man mehr „Regeln“ auferlegen. Alles mögliche soll dirigistisch geregelt werden. Unter dem Vorwand, die „Macht der Banken“ einzuschränken, will die Linke die „Vergesellschaftung“ der Finanzwirtschaft. Die Sozialdemokratie hat ein Wahlkampfthema für die kommende Bundestagswahl – das Feindbild Banken. Dies alles ist sehr populistisch angelegt und gibt Anlass zur Sorge. Viele Verfechter des Dirigismus wollen eine andere Wirtschaftsordnung, die mit einer sozialen Marktwirtschaft nichts mehr gemein hat.
Wir brauchen aber weder einen zu starken Dirigismus noch gar Fesseln, wenn unternehmerisches Handeln in Industriefirmen und Banken wieder stärker von der Verantwortung über den Tellerrand hinausgehend bestimmt wird. Die Wirtschaft braucht mehr Ethik und Moral; mehr Umsetzung der Soziallehre auch.
Freiheit und Verantwortung oder mehr Regeln für die Wirtschaft? – so überschrieben wir diesen Beitrag. Die Frage ist aber falsch gestellt. Denn unternehmerische Verantwortung, auch für die Beschäftigung, kann nur in einem Umfeld von Freiheit praktiziert werden. Für diese unternehmerische Verantwortung braucht man keine Regeln in Form dirigistischer Zurechtweisungen, sondern tatsächlich Richtlinien und Normen für mehr Verpflichtung und Anständigkeit, was heute hochtrabend mit Ethik umschrieben wird.