Auch aktuell stehen in Frankreich die Zeichen gegen den amtierenden Präsidenten Emmanuel Macron auf Sturm. Und das ging erstaunlich schnell. Seit der Übernahme des Präsidentenamtes im Mai 2017 durch Macron sind die Zustimmungswerte des Präsidenten am Boden. Selten, wenn überhaupt, hat ein Präsident der Republik in Frankreich so schnell das Vertrauen der Bevölkerung verloren. Die fehlende Zustimmung für die Politik Macrons mündete inzwischen sogar in einen blanken Hass. Sichtbares Zeichen waren auch jetzt wieder am Wochenende die anhaltenden Demonstrationen gegen ihn – begleitet von einer beispiellosen Gewalt und Zerstörungswut. Die Bilder, die um die Welt gingen, zeigen am Pariser Prachtboulevard Champs-Élysées und rund um den Triumpfbogen fast schon einen bürgerkriegsähnlichen Charakter. Die „Gelbwesten“ der Demonstranten erschüttern inzwischen das ganze Land. Zwar ist die Zerstörungswut vieler Chaoten, die sich offenbar dem Protest anschlossen, auf keinen Fall zu entschuldigen, aber die große Mehrheit der französischen Bevölkerung steht hinter dem Protest gegen Macron.
Ex-Präsident Hollande zeigt für die „gilets jaunes“ Verständnis
84% der Franzosen halten die Rebellion der „gilets jaunes“ für gerechtfertigt. Darunter befindet sich die nationale Symbolfigur Brigitte Bardot und selbst Macrons politischer Ziehvater und Vorgänger im Élysée-Palast, Francois Hollande, zeigt Verständnis für die Protestbewegung. Der Protest, und dies ist für Macron so gefährlich, ist inzwischen partei- und gesellschaftsübergreifend. Linke und Rechte sind bei ihrer Ablehnung des Präsidenten sogar vereint. Es sind seltsame Bündnisse! Schon werden Neuwahlen gefordert. Was aber ist der Grund für die geradezu lawinenartig zunehmende Wut der Franzosen? Es hat sich viel zusammengebraut. Der Präsident habe kein Verständnis für die Probleme und Sorgen der einfachen Menschen. Die Vergangenheit als „kalter und arroganter Investmentbanker“ – so weiter die Franzosen – habe Macron wieder eingeholt. Anstelle die unter den Nägeln brennenden Probleme anzugehen, mache Macron den „Modespleen“ der deutschen Energiewende mit, die er mit der Spritsteuer finanzieren will. Mit der Erhöhung bzw. der Einführung von Steuern, die insbesondere den Geldbeutel der kleinen Leute belasten, hat Macron das Fass zum Überlaufen gebracht, zumal die Besteuerung z.B. auf Kapitalerträge reduziert wurde bzw. wird.
Immer noch verärgert sind die Franzosen auch über die umstrittene Bahnreform, die mit einem Abbau vieler Privilegien der Eisenbahner verbunden ist. Frankreich ziehe sich unter Macron aus der Grundversorgung für die Bürger zurück und setze auf Privatisierungen. Im Sommer gab es monatelange Streiks des Bahnpersonals. Alles in allem wird der Anstieg der Lebenshaltungskosten im Nachbarland beklagt. Auch bei der Reduzierung der Arbeitslosenziffern ist noch kein Durchbruch gelungen. Zwar kann kein Präsident zaubern und die Arbeitslosenziffern (immer noch sind sie in Frankreich sehr hoch) über Nacht reduzieren – aber es ist, immerhin nach 20 Monaten Macron als Staatspräsident, noch keine Trendwende erkennbar, trotz besserer Bedingungen für die Unternehmen.
Arroganz, Taktkosigkeit und Ausweg EU
Neben den aus der Sicht der französischen Bevölkerung falschen Entscheidungen, die zu einem zu schnellen und starken Abbau sozialer Standards führen, wird immer wieder auch die Arroganz und Taktlosigkeit des Präsidenten moniert. Dafür steht der inzwischen berühmt gewordene Satz des Präsidenten, wer Arbeit suche brauche nur über die Straße laufen und hätte dann Beschäftigung. Eine solche „Empfehlung“ ist für die Arbeitslosen eine Brüskierung. Hinzu kommen bei der Bewertung Macrons Ärgernisse wie die Affäre des prügelnden Macron-Leibwächters Benalla und – noch viel schwerwiegender – das Davonlaufen seiner engsten Mitarbeiter wie Nicolas Hulot (Umweltminister) und Gérard Collomb (Innenminister). Die offensichtliche Unfähigkeit des Präsidenten, die in der Tag dringend notwendigen Reformen mit einem sozialen Konsens zu verbinden, könnte der Grund auch dafür sein, dass der Präsident offensichtlich viele Ausgaben im Staatshaushalt auf eine Transferunion über die EU verlagern will. Zahlmeister ist dann natürlich Deutschland.
Wie geht es jetzt in Frankreich weiter? Wenn es Macron nicht ganz schnell gelingt, die Unzufriedenheit der Bevölkerung in den Griff zu bekommen, könnten seine Tage als Präsident bald gezählt sein. Denn ein Präsident, der sein Volk nicht mehr erreicht, sollte zurücktreten. So ganz überraschend kommt die derzeitige Entwicklung aber auch wieder nicht. Von vornherein war der Wahlsieg Macrons bei den Präsidentschaftswahlen 2017 im 2. Wahlgang ein Kompromiss durch ein Bündnis von so unterschiedlichen Parteien wie Republikaner (Gaullisten), Sozialisten und der Linken, die gemeinsam die Bewegung Macron beim 2. Wahlgang unterstützten – nur zum Zweck, Marine Le Pen, die im 1. Wahlgang nur knapp hinter Macron lag, zu verhindern. Der Zwist gegen Macron durch die etablierten Parteien war spätestens für den Zeitpunkt des Ausbleibens von Macron-Erfolgen absehbar. Dies ist offensichtlich der Stand heute. Der Staatspräsident, so unisono die französischen Parteien Republikaner (Gaullisten), Sozialisten, Linke und Rassemblement National, der frühere Front National, kann es offensichtlich nicht.