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Neue CDU-Vorsitzende steht vor großen Herausforderungen

Zukunft mit einer neuen CDU-Positionierung oder doch nur Angela Merkel „light“? Annegret Kramp-Karrenbauer, die neue CDU-Bundesvorsitzende, muss Entscheidungen treffen. Zukunft mit einer neuen CDU-Positionierung oder doch nur Angela Merkel „light“? Annegret Kramp-Karrenbauer, die neue CDU-Bundesvorsitzende, muss Entscheidungen treffen. © CDU / Laurence Chaperon

Merkel-Light oder Kontrast

Die CDU hat in Hamburg eine neue Vorsitzende der Bundespartei gewählt. Denkbar knapp hat sich die Saarländerin Annegret Kramp-Karrenbauer gegen den Sauerländer Friedrich Merz durchgesetzt. Hätte Merz 18 Stimmen mehr bekommen, wäre er Bundesvorsitzender geworden. Doch in der entscheidenden Phase zeigte Merz Nerven; Kramp-Karrenbauer war um einen Deut in ihrer Bewerbungsrede emotionaler. Bei Merz, und das überraschte eigentlich, denkt man an seine Reden im Bundestag als CDU-Fraktionsvorsitzender zurück, fehlte in Hamburg das Feuer und die Leidenschaft. Kurz gesagt fehlte, als es darauf ankam, das Temperament und der Esprit. Das war der Grund seiner Niederlage. Es fehlte letztendlich das Mitreißen der noch fehlenden und zu überzeugenden Delegierten durch eine kämpferische Rede, wie sie z.B. einmal Oskar Lafontaine am 16. November 1995 auf dem berühmt-berüchtigten SPD-Parteitag in Mannheim hielt und damit den damaligen SPD-Chef Rudolf Scharping stürzte.

Ein so knappes Ergebnis, wie jetzt in Hamburg, lässt eine Polarisierung der unterschiedlichen Flügel der CDU vermuten. Doch dazu muss es nicht kommen, wenn es Kramp-Karrenbauer tatsächlich gelingt, das Motto des Hamburger Parteitages, nämlich „Zusammenführen und zusammen führen“, erfolgreich umzusetzen. Sollte diese nicht leichte Aufgabe, die Koordination unterschiedlicher Strömungen, tatsächlich durch die neue Parteichefin realisiert werden können, muss sie sich aber recht schnell von vielen links-grünen Positionen der Angela Merkel abgrenzen und verabschieden. Denn Merkel war für das Auseinanderdriften der Partei durch viele Fehler in den letzten drei Jahren verantwortlich. Kramp-Karrenbauer muss sofort an die Front. Dies mag aus der Sicht noch vorhandener „Hofschranzen“ um Merkel unangenehm werden, aber „Grausamkeiten“ müssen gleich zu Beginn einer neuen Aufgabe angegangen werden – ohne Begleitmusik durch öffentliche Trompeten zwar, aber wirkungsvoll, bevor es endgültig für die CDU zu spät ist.

Ein Weiter so à la Merkel wäre für die CDU tödlich

Leicht wird die Abgrenzung von Merkel für Kramp-Karrenbauer nicht, denn die neue Bundesvorsitzende, so nicht wenige Parteimitglieder des konservativen CDU-Flügels (beispielsweise Großunternehmer und Vertreter der mittelständischen Wirtschaft), gilt in ihrer Wahrnehmung als eine Art „Merkel-Light“. Aber vielleicht stimmt diese Einschätzung auch nicht, denn die Saarländerin kann durchaus Härte zeigen und ein eigenes Profil entwickeln. Die langjährige Parteichefin Angela Merkel hat in den letzten Jahren leider das Erscheinungsbild der CDU, hin in Richtung Sozialdemokratie, Anbiederung bei den Grünen, immer stärker verwässert. Dies führte dazu, bürgerliche CDU-Wähler politisch heimatlos zu machen. Wählerschichten, die in der Folge teilweise zur AfD abwanderten und heute der CDU für Mehrheitsbeschaffungen fehlen. Wenn sich die CDU, wie der baden-württembergische Erfolgsunternehmer Martin Herrenknecht (Tunnelbohrmaschinen/Bohrtechnik) jetzt so richtig und treffend formulierte, auch unter Kramp-Karrenbauer „so in der lauwarmen Weiter-so Blase einigelt“, dann wird die Partei extrem auch künftig an Zustimmung und Bedeutung in der Bevölkerung verlieren. So ging die berühmte italienische frühere Schwesterpartei Democrazia Cristiana, die Italien Jahrzehnte prägte, unter.

Die CDU braucht schleunigst jetzt eine schonungslose Analyse über den IST-Zustand. Für was steht die CDU noch? Die neue Chefin im Konrad-Adenauer-Haus muss Prämissen setzen, denn „everybody’s Darling“ wird zum everybody’s Depp, so heißt es! Sollte Kramp-Karrenbauer den ach so bequemen Kurs des Zeitgeistes, hin zu einer links-grün abdriftenden Partei (und sei es nur aus Gründen des temporären Machterhalts mit linken oder links-grünen Koalitionen) weiter fahren, dann wird die AfD nicht kleiner werden… Da hilft es nicht weiter, Millionen Wähler(innen) dieser Partei zu beschimpfen. Im Gegenteil. Auf die Dauer wird dies auch nicht fruchten. Wenn zehn Millionen Deutsche AfD wählen, dann sind dies nicht zehn Millionen „Populisten oder Rechtsextreme“ – dies glauben selbst die geneigten Medien um Vorgängerin Merkel nicht. Es muss daher auch zu einer Neubewertung der Konstellationen innerhalb der Parteienlandschaft kommen, damit wieder andere Koalitionen, nämlich bürgerliche, möglich sind. Das Tabuthema einer Koalition der Union mit der FDP sowie der AfD wird früher oder später fallen. Es gibt keine Denkverbote.

Neubewertung in Koalitionsfragen

Warum braucht das Parteienspektrum neue Bewertungen, weshalb braucht sie insbesondere die CDU? Es genügt ein Blick auf das Beispiel Baden-Württemberg. Man muss sich folgendes vorstellen. Das erfolgreiche Musterland im Südwesten Deutschlands war – stärker sogar wie Bayern für die CSU – immer ein schwarzes Kernland. Denn von einer kurzen Übergangszeit abgesehen, unmittelbar nach der 1952 erfolgten Gründung des Landes Baden-Württemberg, stellte die CDU dort ununterbrochen vom 30.9.1953 bis zum Mai 2011, sagenhafte fast 59 Jahre – zum Teil sogar mit absoluten Mehrheiten – den Ministerpräsidenten des Landes. Dann kam der Sonderfall der Landtagswahl 2011 mit dem Reizthema Stuttgart 21. Die CDU blieb im Ergebnis 2011 zwar immer noch deutlich die stärkste Partei im Landtag, aber Stuttgart 21 stärkte die Grünen. Es kam erstmals nach 59 Jahren zu einer knappen Mehrheit für eine grün-rote Koalition gegen die CDU mit dem populären Winfried Kretschmann als Ministerpräsidenten.

Aber bereits nach der Landtagswahl 2016 hatte die die CDU die Chance, in ihrem angestammten Stammland die Regierungsverantwortung wieder zu übernehmen, nicht angegangen. Sie hatte vor und nach der Landtagswahl die AfD, die 2016 in Baden-Württemberg 15,1% erhielt, stigmatisiert, obwohl ganz eindeutig frühere entschlossene CDU-Wähler zur AfD wechselten. Das „bürgerliche“ Lager mit CDU, AfD und FDP könnte locker auch aktuell eine tragfähige Regierung in Baden-Württemberg bilden. Aber die CDU hat in Baden-Württemberg nach der Landtagswahl 2016 nicht um die Macht  gekämpft und ordnete sich dem Grünen Kretschmann unter. Zum Glück für Baden-Württemberg ist Kretschmann „ein Ministerpräsident unter falscher Flagge“. Stigmatisierungen führen auf längere Zeit nicht zum Ziel bürgerlicher Mehrheiten. Und – die AfD ist nicht vom Himmel gefallen; sie ist eine Folge einer zur links-grünen CDU gewordenen Partei unter Angela Merkel. Übrigens wurden Stigmatisierungen auch beim Aufkommen der Grünen in ihrer Gründungsphase versucht und nach der Wiedervereinigung auch im Falle der Nachfolgeparteien der SED bzw. PDS. Heute stellt die Linke sogar den Ministerpräsidenten in Thüringen – durchaus nicht schlecht, wie man zugeben muss.

Ein anderes Beispiel: Die Miniorganisation Deutsche Umwelthilfe (DUH), eine Nichtregierungsorganisation, führt derzeit die Bundesregierung am Nasenring durch die Manege und beleidigt dabei auch persönlich den Bundesverkehrsminister. Die DUH erhält gleichzeitig Millionenzuschüsse durch Steuergelder. Dies versteht kein normaler Mensch und Autofahrer. Dafür darf dann die DUH Verkehrspolitik machen, die Autofahrer gängeln und die deutsche Automobilindustrie als wichtigsten Arbeitgeber Deutschlands gefährden. Der CDU-Parteitag hat jetzt in Hamburg beschlossen, die Gemeinnützigkeit der DUH zu prüfen. Die Mittelstandsvereinigung der Union fordert sogar zurecht die Streichung der Fördermittel aus dem Bundeshaushalt. Doch dazu wird es leider nicht kommen, weil die SPD (dies verstehen Arbeitnehmer in den Autofabriken, frühere SPD-Wähler, überhaupt nicht) den CDU-Antrag nicht mitträgt: Die CDU als Gefangener ihrer Koalitionspolitik. Würde die Stigmatisierung der AfD aufhören, hätte man künftig in solchen Feldern zusammen mit der FDP klare Mehrheiten. Erste Verbände und Repräsentanten der CDU haben in Mitteldeutschland erkannt, dass man, schneller als dies recht sein kann, die AfD noch baucht. Doch das Strafgericht der Angela Merkel kam prompt. Dies sollte jetzt unter Kramp-Karrenbauer vorbei sein, dann könnte die CDU – nicht alle – viele verlorene Stammwähler zurückgewinnen. Ob die Saarländerin freilich den Mut hat, das Rädchen zurückzudrehen, wird sich zeigen.

Viel CDU in den Genen

Wenn die CDU unter Kramp-Karrenbauer viele unselige Entwicklungen unter Angela Merkel über Bord wirft, dann hat die Partei durchaus gute Chancen. Dann könnte sie – es wäre ein positive Überraschung – die Deutschen in West und Ost wieder zusammenführen. Es war ja schließlich kein Zufall, dass nach der Wiedervereinigung die CDU lange die stärkste Kraft im Osten war. Auch dies wurde unter Angela Merkel verspielt. Man fragt sich, wo die großen Leistungen der Ex-Chefin der CDU liegen sollen. Selbst in der sehr bedrohlichen Finanzkrise war es nicht Merkel, sondern der damalige Finanzminister – Ehre wem Ehre gebührt – Peer Steinbrück (SPD), der die Krise managte. Jetzt droht im nächsten Jahr der CDU sogar der Fall von Sachsen, ein Land in dem „König Kurt“ Biedenkopf für die CDU satte absolute Mehrheiten einfuhr. Jetzt ruhen alle Hoffnungen der CDU auf Kramp-Karrenbauer. Sie hat durchaus – im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin – CDU-Charakter in den Genen. Sie ist Katholikin und Mitglied im Zentralkomitee der Deutschen Katholiken. Lange vor dem Mauerfall – da lebte Angela Merkel noch im Reich des real existierenden Sozialismus – trat Kramp-Karrenbauer 1981 in die CDU ein. Sie ist bis zum heutigen Tage in ihrer saarländischen Heimat in Püttlingen, wenige Kilometer von Völklingen entfernt, verwurzelt. Die seit 1984 verheiratete CDU-Chefin hat drei erwachsene Kinder.

Es gehört zu den guten Gepflogenheiten, der neuen Parteivorsitzenden der CDU auch in der Öffentlichkeit eine faire Chance einzuräumen. Sie kann es schaffen, wenn nur an Helmut Kohl erinnert werden darf. Auch Kohl wurde zu Beginn seiner Amtszeit – auch als Parteivorsitzender – unterschätzt und später beim Start seiner Kanzlerschaft in den Medien verspottet. Ein hinterwäldlerischer Provinzpolitiker sei er im Vergleich zum hanseatischen Weltmann Helmut Schmidt, den er ablöste. Sie haben sich damals alle gründlich getäuscht. Insbesondere die Hamburger Magazine! Für die bodenständige Saarländerin wird jetzt das Berliner Haifischbecken zur größten Herausforderung ihrer politischen Karriere. Die gemütlichen Zeiten im Saarland sind vorbei.

Letzte Änderung am Donnerstag, 13 Dezember 2018 11:06
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag