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60 Jahre Römische Verträge

60 Jahre Römische Verträge Pixabay.de

Eine gute Idee wurde verwässert

Am 25. März 1957 wurden die „Römischen Verträge“ im Konservatorenpalast auf dem Kapitol unterzeichnet – es war die Geburtsstunde der EU. Sechs Länder, die Beneluxstaaten, Deutschland, Frankreich und Italien unterzeichneten ein umfangreiches Vertragswerk, die Keimzelle der heutigen EU. Doch eine richtige Jubel- und Feierstunde wollte jetzt beim „Geburtstag“ in Rom bei den 27 Mitgliedsländern – just im zeitlichen Umfeld des Jubiläums reichte das Vereinigte Königreich den Scheidungsbrief ein – nicht aufkommen. Die jetzt aus Anlass der Jubiläumsfeier der Römischen Verträge unterzeichnete „Erklärung von Rom“ entpuppt sich als eine Ansammlung von Worthülsen. Man wolle die aktuellen „nie dagewesenen Herausforderungen“ gemeinsam bewältigen. Nie dagewesene Herausforderungen? Im Oktober 1962 – fünf Jahre nach den Römischen Verträgen – stand durch die Kuba-Krise die Welt, und somit Europa, am Abgrund eines Atomkrieges. Dies nur, um die wirklichen Herausforderungen einzuordnen.

Selbst die jetzt vorgenommene Erklärung von Rom kam nur mit Hängen und Würgen zustande. Griechenland und Polen konnten nur mit allergrößten Mühen dazu bewogen werden, die Erklärung zu unterzeichnen. Die europäischen Politiker haben sich vor allem in jüngster Zeit als unfähig erwiesen, eine grundsätzlich gute Sache, nämlich die EU und das europäische Einigungswerk (von der Mitnahme und Akzeptanz durch die Menschen her) zu managen. Weshalb, dies wurde ja jetzt in Rom laut gefragt, lässt die emotionale Bindung der Menschen zur EU nach? Weshalb muss man Angst haben, dass nach Großbritannien nun auch Frankreich, die Niederlande und Italien als Gründungsmitglieder der „Römischen Verträge“ die EU verlassen? Von der Hand zu weisen ist ja diese Gefahr nicht. Weshalb muss man über ein Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten schwadronieren? Was ist das für eine EU, in der Mitglieder wie Polen, Tschechien, Ungarn und die Slowakei durch Brüssel und abgehalfterte deutsche „EU-Politiker“ mit Liebesentzug, sprich dem Streichen von finanziellen Zuwendungen, bedroht werden, wenn sie nicht brav die Deutungshoheit der alleinig seligmachen EU-Politik mittragen wollen?

Zu unterschiedliche Strukturen

Die Wahrheit heute ist, dass die EU konzeptionell überhaupt nicht mehr funktionieren kann, weil im Gegensatz zu den Ideen der Gründungsväter zu viele unterschiedliche Strukturen unter einen Hut zu bringen sind. Man hat viel zu schnell aus politischen Gründen Länder aufgenommen, die wirtschaftlich nicht reif für die EU bzw. den europäischen Binnenmarkt waren. Infolgedessen hat sich die EU zu einem riesigen Verschiebebahnhof für Finanztransfers entwickelt. Griechenland ist dafür ein gutes, will sagen schlechtes, Beispiel. Die griechische Wirtschaft kommt mit dem Euro nicht zurecht.

Wenn es darauf ankommt, kocht jedes Land der EU seine eigene Suppe. Ein tragisches Beispiel dafür ist die nach wie vor nicht harmonisierte Energiepolitik. Während Angela Merkel selbstherrlich 2011 nach Fukushima den Ausstieg aus der Kernenergie verkündete, dachten andere EU-Staaten im Traum nicht daran, ihr zu folgen. Im Gegenteil: Frankreich baut derzeit einen neuen Kernenergie-Block über 1.650 MW, der im Herbst 2018 in Betrieb genommen werden soll. Auch das EU-Mitglied Finnland will nach dem Motto „schert euch zum Teufel“ von der deutschen Energiepolitik nichts wissen. Auch in Finnland entsteht derzeit ein neues Kernkraftwerk Olkiluoto 3. Ähnlich verhält es sich mit der Kohleverstromung in Polen.

Heute wird als größte Errungenschaft der EU der Frieden in Europa gefeiert. Doch dieser beruht nicht auf der EU-Sicherheitspolitik, sondern auf dem Schutzschirm der USA bzw. der NATO. Zurecht wies ganz im Gegenteil ausgerechnet jetzt EU-Präsident Jean-Claude Juncker auf die Defizite der EU-Länder hin: „Die Art und Weise, wie die Europäer ihre Verteidigung organisieren, ist schlicht lächerlich.“ Auch Vorteile und Exportstärke der deutschen Wirtschaft beruhen keineswegs allein auf offenen Grenzen oder der gemeinsamen Währung Euro. Europäische Exportlokomotive war Deutschland schon zu Zeiten der D-Mark bzw. als es noch zwischen Deutschland und Österreich oder an den französischen oder italienischen Grenzen Zollkontrollen gab.

Welche Identität will Europa künftig?

Wenn die EU langfristig eine Zukunft haben soll, dann muss vor allem definiert werden, wie Europa künftig ausgerichtet werden soll. Immer noch bekennen sich die Menschen in wichtigen Ländern wie Spanien, Italien, Polen und selbst in Frankreich mit seinen enormen nordafrikanischen Migrationsherausforderungen, zur christlich-abendländischen Kultur. Dies hat mit einer intransigenten Haltung gegenüber dem Islam überhaupt nichts zu tun. Schon überhaupt nicht in Deutschland. Im Gegenteil: Bereits in der wilhelminischen Ära pflegten Kaiser Wilhelm II. sowie die Doppelmonarchie enge wirtschaftliche und freundliche Verbindungen zum Osmanischen Reich (heute die Türkei). Im 1. Weltkrieg waren die Türken sogar loyale „Waffenbrüder“ der Mittelmächte (Deutschland und Österreich-Ungarn).

 

Heute sieht die Realität so aus: Es gibt keine abgestimmte Asyl- und Flüchtlingspolitik der EU-Länder. Dies war ein ganz wesentlicher Grund für die Briten, mehrheitlich den Brexit zu befürworten. Die Briten wollten sich beispielsweise einer von Angela Merkel vorgegebenen Quotenregelung nicht unterwerfen. Es gibt keine abgestimmte Türkei-Politik. Dann wieder murren in einigen EU-Länder bereits die Sparer durch eine Enteignung ihrer Guthaben infolge einer wahnsinnigen Nullzinspolitik durch die EZB. Hinzu kommen Vorbehalte gegenüber einer Regulierungswut aus Brüssel. Kleinigkeiten, wie Abstände bei den Grillöfen (weil sie bei notwendigen Entscheidungen nicht weiterkommen), wollen die Eurokraten festlegen – vor wichtigen Entscheidungen , wie z.B. die dringend Harmonisierung bei der Energie-, Verteidigungs- und der Asyl- und Flüchtlingspolitik, kapituliert die EU. Weshalb? Weil die EU inzwischen einfach nicht mehr steuerbar ist. Viele Köche verderben den Brei. Weniger wäre mehr gewesen. Die richtigen Ansätze in den Römischen vom 25. März 1957 wurden leider verwässert.

Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag