Das Ansinnen hätte die Marktstrukturen der Konsumgüterindustrie, insbesondere im Lebensmittelbereich, entschieden verändert und denjenigen Recht gegeben und Wasser auf die Mühlen gespült, die ideologisch von einer ohnehin zu großen Marktmacht der „Gobal Player“ sprechen, die zu Lasten der Verbraucher und landwirtschaftlichen Betriebe ginge. Immerhin wäre – gemessen am zusammenaddierten Umsatz mit 82 Milliarden US-Dollar – ein Unternehmen entstanden, das sogar Nestlé, den derzeit weltgrößten Konsumgütergiganten, hätte überflügeln können.
Unilever
Aber selbst Unilever allein ist ja nicht irgendwer. Mit 300 Fabriken, 400 Marken und 171.000 Mitarbeitern, die in 190 Ländern beschäftigt werden, ist Unilever selbst ein Riese auf den Geschäftsfeldern Reinigungsmittel, Kosmetik, Körperpflege und Nahrungsmittel. Täglich benutzen weltweit ca. 2 Milliarden Menschen Produkte des britisch-niederländischen Unternehmens, das freilich starke Säulen auch in Deutschland mit bekannten Marken hat. Hinter dem in breiteren Bevölkerungskreisen – außerhalb der Finanzwelt – relativ unbekannten Namen Unilever stehen aber bei den Endverbrauchern so bekannte und beliebte Marken wie Knorr, Pfanni, Rama, Becel, Lätta, Langnese Speiseeis, um nur wenige aus dem Bereich Nahrung zu nennen. Hinzu kommen Pflege- und Reinigungsmittel wie Dove, Rexona, Coral, Signal, Comfort oder Domestos – um auch hier nur stellvertretend einige Marken zu nennen.
Vor wenigen Tagen berichtete Unilever über seine Ergebniszahlen für das vergangene Geschäftsjahr 2016. Bei einem Umsatz von 52,7 Mrd. Euro erwirtschaftete Unilever ein operatives Ergebnis von 7,8 Mrd. Euro sowie einen Nettogewinn vom 5,6 Milliarden Euro. Die Ursprünge des Unternehmens gehen bis 1869 zurück und sind mit den Namen Bergh und Jurgens auf holländischer und den Brüdern James und William Lever auf britischer Seite verbunden. Unilever gehört zu den großen Adressen und Referenzunternehmen der Weltwirtschaft. Dies alles zum Hintergrund der geplanten Attacke von Kraft Heinz.
Und noch eine Eigenheit ist mit dem Namen Unilever verbunden. Seit seiner Gründung ist das Unternehmen als „Dual-Listet-Company“ (DLC) aufgestellt. Firmenrechtlich gibt es zwei gleichberechtigte Gesellschaften, die britische Unilever PLC und die niederländische Unilever N.V.. Entsprechend gibt es nach wie vor zwei verschiedene Hauptversammlungen und zwei Konzernzentralen in London und Rotterdam. Das operative Geschäft wird allerdings von einem gemeinsamen Vorstand unter dem Vorsitz von Paul Polman geführt. Polman legt größten Wert darauf, seine Managertätigkeit in beiden Konzernzentralen vorzunehmen.
Kraft Heinz
Im Gegensatz zum Traditionsunternehmen Unilever besteht die amerikanische Kraft Heinz erst seit 2015, nachdem die früheren Unternehmen Kraft Foods und H.J. Heinz Company fusionierten. Hinter dem Unternehmen stehen die Investoren Warren Buffett (Finanzdienstleistungen) und Jorge Paulo Lemann (Brauereien), die auch Mitglied des Verwaltungsrates sind. Die wesentlichen Aktivitäten der Gesellschaft liegen im Bereich verschiedener Käse- und Ketchup-Marken sowie bei Fertiggerichten. Erfrischungsgetränke und Kaffee runden das Produktangebot ab. Im Bereich Käse ist in Deutschland insbesondere die Marke Philadelphia ein Begriff. Unter dem Dachnamen Oscar Mayer werden schließlich verschiedene Wurst- und Beefwaren angeboten. Zu den bekannten Marken zählt auch Maxwell House (Getränke und Kuchen) sowie in Deutschland Capri Sun (früher Capri Sonne).
Mit einem Umsatz von 25,2 Milliarden Euro ist zwar auch Kraft Heinz ein großes Unternehmen, erreicht aber noch nicht einmal die Hälfte des Unilever-Umsatzes. In den USA und Kanada sieht sich Kraft Heinz als drittgrößte Nahrungsmittel- und Getränkefirma. Weltweit beansprucht man den fünften Platz. Wichtigster Ankeraktionär ist die Berkshire Hathaway Investmentgesellschaft, die nach wie vor von dem Investor Warren Buffett geprägt wird.
Unter keinem guten Stern
Das Vorhaben von Kraft Heinz stand unter keinem guten Stern. Offensichtlich sickerten die Planungen zu früh an die Öffentlichkeit, sodass die Amerikaner gezwungen waren, entsprechend den britischen Übernahmeregeln das Vorhaben zu kommunizieren. Dies wiederum sensibilisierte die Öffentlichkeit und offensichtlich im Hintergrund die Politik sowohl in den Niederlanden als auch in Großbritannien. Kraft Heinz hatte infolge des Durchsickerns noch keine überzeugenden Argumente aufgebaut. Dazu muss man wissen, dass insbesondere der Großinvestor Warren Buffett Übernahmen immer in einem freundschaftlichen bzw. einvernehmlichen Klima durchziehen will. Dies ehrt ihn und unterscheidet die von ihm mit kontrollierte Beteiligungsgesellschaft Berkshire ganz wesentlich von anderen Kapitalgesellschaften. Buffett scheut bzw. will keine lange Übernahmeschlachten, die allen Beteiligten nichts bringen.
Nachdem Unilever sofort nach der Bekanntgabe der Übernahmegelüste von Kraft Heinz deren Angebot als zu niedrig ablehnte, war offensichtlich für den starken Mann im Hintergrund – eben Warren Buffett – die Planung abgehakt. Gerade bei Attacken, bei denen das zu übernehmende Unternehmen wesentlich größer als der „Angreifer“ ist, kommt es auf einen breiten Konsens an. Schließlich – auch dies wurde rechtzeitig erkannt – sind die Kulturen und Strategien zwischen Unilever und Kraft Heinz zu unterschiedlich. Unilever gilt als britisch konservatives und niederländisch vorsichtiges Unternehmen. Ein Angleich hätte viele auch personelle Ressourcen gebunden.
Schließlich passen – gerade im sensiblen Bereich Nahrung – Mega-Fusionen derzeit nicht in das gesellschaftspolitische Umfeld in Europa. Die großen Marktteilnehmer – siehe Einleitung – werden ohnehin, oft ideologisch gesteuert, kritisch durch Medien und Nichtregierungsorganisationen (NRO) bzw. durch selbsternannte Verbraucherverbände beäugt. Selbst ein friedliches Zusammengehen von Unilever und Kraft Heinz hätte derzeit einfach, zumindest in Europa, nicht in die Zeit gepasst. Die Politik wäre in Zugzwang bzw. unter den öffentlichen Druck geraten. Eine Übernahme von Unilever wäre insbesondere in Großbritannien sofort zum Politikum geworden, denn Unilever gilt insbesondere auf der Insel als stolzes und auch britisches Unternehmen.
Zurecht hat jüngst der neue Nestlé-Konzernchef Ulf Mark Schneider davon gesprochen, dass insbesondere in der Lebensmittelbranche die ganz großen Deals bei Übernahmen vorbei sind. Sie lassen sich gesellschaftspolitisch nicht mehr oder nur noch sehr schwer vermitteln. All diese Gründe hat wohl noch rechtzeitig Kraft Heinz zur Kenntnis genommen. Es war besser so.