Davon kann jedoch in keiner Weise die Rede sein. Im Gegenteil: In breiten Bevölkerungskreisen haben insbesondere die deutschen bäuerlichen Betriebe eine außergewöhnlich hohe Akzeptanz, verbunden mit einem guten Ansehen des Berufsbildes Landwirt. Auch die Leistungen der Ernährungsindustrie stellen sich täglich mit einer außergewöhnlichen Produktvielfalt dem Verbrauchervotum im Verkaufsregal. Letztendlich ist es die individuelle Entscheidung des Endverbrauchers, welche Lebensmittel er bevorzugt. „Entfremdet“ haben sich also keineswegs Verbraucher und Erzeuger. Die Entfremdung gilt allenfalls für nichtstaatliche Organisationen, die u.a. die Landwirtschaft vorwiegend ideologisch bewerten. Hauptangriffspunkte des beeinflussten und gelenkten Protests sind u.a. die Tierhaltung sowie die Belastung der Böden. Beides wird aber extrem überzeichnet dargestellt.
Eine Landwirtschaft, die beispielsweise ohne Düngemittel und – fast noch wichtiger – ohne Pflanzenschutz gegen Unkräuter, Pilze und Schadorganismen auskommen soll, ist ökonomisch nicht überlebensfähig. Vor allem könnte sie auch weltweit eine weiter stark anwachsende Weltbevölkerung nicht ernähren. Man muss nicht auf die biblische Geschichte im Alten Testament mit den Zehn Plagen – u.a. Heuschrecken – zurückgreifen. Auch in unseren Zeiten, etwa im Jahr 2004, haben z.B. in Westafrika oder in Madagaskar Heuschrecken die landwirtschaftlichen Erträge (somit war eine Hungersnot programmiert) vernichtet, sodass die Vereinten Nationen zur Hilfe aufriefen.
Keine Polarisierung
Die angebliche Polarisierung oder Entfremdung zwischen der überwiegenden Anzahl der Bevölkerung mit den Landwirten und den Erzeugern unserer Lebensmittel besteht eindeutig nicht. Es ist auch kein politisch vorgegebenes „Leitbild“ für die künftige Landwirtschaft erforderlich. Auch die Landwirtschaft als wichtiger integraler Bestandteil der gesamten Volkswirtschaft kann nicht planwirtschaftlich vorgegebenen Strukturen unterworfen werden. Was verbirgt sich unter dem geforderten „Leitbild“? Ziemlich unverblümt geht es darum, dass selbsternannte Verbraucherschützer unter dem Deckmantel der hohen Subventionen für die Handhabung der Landwirtschaft ein Mitspracherecht über die „richtige“ Landwirtschaft einfordern.
Sieben Milliarden Euro gingen in Deutschland derzeit, als vom Steuerzahler aufgebrachte Agrarsubventionen, an 300.000 Empfänger. Vorwiegend an landwirtschaftliche Betriebe. Doch allein der Begriff Subvention mit Steuermittel ist in Bezug zur Landwirtschaft ein völlig falscher Denkansatz für ein eingefordertes Mitspracherecht. Erstens reden die Bürger im Bundestag über ihre Volksvertreter über Subventionen mit. Zweitens entscheiden – es kann nicht oft genug darauf hingewiesen werden – die Verbraucher, wir alle, über das Einkaufsverhalten im Supermarkt. Es ist jedem Verbraucher freigestellt, Bioprodukte oder Erzeugnisse der konventionellen Landwirtschaft vorzuziehen. Das von Ideologen geforderte Mitspracherecht über die „richtige“ Bewirtung durch die Landwirte haben wir also längst – durch die Kaufentscheidung der Verbraucher. Und drittens werden die enormen Leistungen der Landwirte in der Landschaftspflege völlig ignoriert. Müssten Bund und Länder für den Kulturauftrag der intakten Landschaftsbilder zahlen, würden die angeblichen hohen Subventionen für unsere Landwirte in einem anderen Licht gesehen. Was gemeint ist, kann oft im Ausland im Urlaub, wenn die Landwirtschaft bzw. bäuerliche Strukturen dort vernachlässigt wurden, gesehen werden.
Die Mär von der Marktmacht
Rechtzeitig – es war keineswegs ein Zufall – erschien zur Grünen Woche ein „Konzernatlas“ einiger Verbraucherverbände. Dabei wurde der Eindruck erweckt, dass auch in Deutschland die kleinen bäuerlichen Betriebe durch die Agrarmacht der riesigen internationalen Lebensmittelkonzerne abhängig seien. Gemeint war die angebliche Abhängigkeit der Bauern durch Saatgut- und Düngemittelhersteller und durch wenige riesige internationale Lebensmittelkonzerne wie Nestlé oder Unilever. Doch auch hier entlarvt ein Blick in die Regale der Supermärkte die Verfasser des kritischen Konzernatlas. Zentrale Bereiche – etwa Milch- und Molkereiprodukte (Butter, Käse) – befinden sich in Deutschland auf der Produktionsebene in Händen genossenschaftlicher und mittelständischer – oft familiengeführter – Unternehmen.
Auch die angeblich fehlende Sicherheit bei den Produkten wird durch plakativ erwähnte Beispiele nicht glaubwürdiger. Natürlich gibt es in einer stark EU-orientierten Arbeitsteilung auch Missbräuche. Die Lasagne aus Pferdefleisch basierte in erster Linie auf kriminellen Machenschaften bei Zulieferungen aus dem Ausland. Damit sollen derartige Ärgernisse aber nicht verharmlost werden. Hier ist vor allem die Politik mit ihren nachgeordneten Überwachungsbehörden gefordert, die bei den Kontrollmechanismen versagt haben. Diese ärgerlichen Einzelfälle sind aber die berühmten Ausnahmen. Übrigens ist von derartigen Tricksereien leider auch die Biowirtschaft nicht verschont geblieben.
Die deutsche Ernährungswirtschaft umfasst – außerhalb der Landwirtschaft – ca. 5.800 Unternehmen, die mit 170.000 Produkten für eine in Deutschland noch nie gehabte Auswahl sorgen. Es ist einfach unglaubwürdig, eine komplette breitaufgestellte Branche unter Generalverdacht zu stellen. Lebensmittel und Ernährung ist ein sensibles Thema, das vor allem einen Konsens zwischen der Bio- und konventionellen Landwirtschaft und Vertrauen auf den verschiedenen Stuften der Erzeugung verdient. Plakative Vorwürfe wie Missbräuche durch Marktmacht sind nicht zielführend.