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Unwürdiges Gezerre um die Wahl des Bundespräsidenten

Unwürdiges Gezerre um die Wahl des Bundespräsidenten Kleinschmidt / MSC

Musterbeispiel für Politik-Verdrossenheit

1. Grundsätzliche Vorbemerkungen

Das deutsche Staatsoberhaupt verfügt zwar nicht über die Machtfülle seiner Kollegen in den USA oder in Frankreich; selbst in Österreich hat der dortige Bundespräsident erheblich mehr Befugnisse im Vergleich zum deutschen Bundespräsidenten. Die Tagespolitik bestimmt in Deutschland, im Gegensatz zu den Präsidenten in den Vereinigten Staaten und Frankreich, die Bundeskanzlerin bzw. das Kabinett.

Und dennoch haben die deutschen Bundespräsidenten – jedenfalls sollte es so sein – eine wichtige Funktion als eine innenpolitische parteiübergreifende Instanz, die insbesondere für den inneren Ausgleich in der Gesellschaft sorgen muss. Dies ist in Zeiten drohender Parallelgesellschaften durch die Flüchtlingsflut von großer Bedeutung. Der innere Ausgleich und der soziale Frieden haben selbst für die Wirtschaft den höchsten Stellenwert z.B. für die Standortqualitäten unseres Landes im Standortwettbewerb mit anderen Ländern. Der soziale Friede war und ist auch in Zeiten der Verlagerung industrieller Produktion in Niedriglohnländer neben der Flexibilität, der Qualität und der politischen Stabilität ein herausragendes Qualitätsmerkmal Deutschlands. Dieses hohe Gut gilt es zu wahren und auch insofern hat der Bundespräsident als „Bürger aller Bürger“ eine wichtige Wächterfunktion.

2. Die Bevölkerung sollte wählen

Das derzeitige Geschacher innerhalb der Parteienlandschaft um die Frage, wer wohl Bundespräsident oder Bundespräsidentin werden solle, führt erneut zu einer Politikverdrossenheit in der deutschen Bevölkerung. Warum wählt die amerikanische, französische und österreichische Bevölkerung ihr Staatsoberhaupt im Gegensatz zu uns in Deutschland selbst? Fehlt es der deutschen Bevölkerung an der politischen Reife, um einen Bundespräsidenten direkt zu wählen?

Es wird immer wieder durch heutige Vertreter der Politik das unsinnige Argument der „unseligen“ Erfahrungen mit dem Reichspräsidenten von Hindenburg angeführt, der durch das Volk direkt gewählt wurde und später Hitler trotz seiner enormen Machtfülle nicht verhindert hätte. Doch genau dieses Argument ist nicht stichhaltig. In dem Buch „Ebert, Hindenburg, Hitler“ (Bechtle) weist der damalige Staatssekretär Otto Meissner, engster Mitarbeiter der Reichspräsidenten Ebert und von Hindenburg, an zahlreichen Beispielen und Besprechungsprotokollen nach, dass von Hindenburg sehr wohl Hitler verhindern wollte und diesem wiederholt in Besprechungen eine Abfuhr erteilte. Aber der Reichspräsident scheiterde schließlich am Parteiengezänk in der Weimarer Republik.

Selbst wenn von Hindenburg ein schwacher Reichspräsident gewesen wäre (was ausdrücklich nicht zutreffend ist), würde dies nach über 80 Jahren heute kein Beleg dafür sein, den Bundespräsidenten nicht durch das Volk zu wählen. Dem Volk politische Unreife zu attestieren, führt unweigerlich zu einer weiteren Politik-Verdrossenheit. Im Übrigen wählte nach dem 2. Weltkrieg die Bundesversammlung leider auch ausgesprochen schwache Bundespräsidenten …

Anstelle endlich in der Politik darüber nachzudenken, die Grundlagen dafür zu schaffen, um den Bundespräsidenten künftig wie in anderen Ländern durch das Volk zu wählen, wollen die Parteien und deren Vertreter aber weiterhin klüngeln und im „Hinterzimmer“ die Wahl absegnen. Das Volk hat das Geschacher hinter den Kulissen zu akzeptieren. Welch eine Arroganz des Machtkartells der Parteien.

3. Die „Kandidaten“

Bizarr bzw. ungewöhnlich ist die derzeitige öffentliche Diskussion über Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten, die zum Teil vorher überhaupt nicht gefragt wurden. SPD-Chef Sigmar Gabriel brachte zunächst die wegen Trunkenheit am Steuer zurückgetretene ehemalige Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot Käßmann, ins Gespräch. Die politisierende Käßmann – die schon einmal in einer Neujahrspredigt den Einsatz deutscher Soldaten am Hindukusch mit den Worten „nichts ist gut in Afghanistan“ kritisierte – sah ein, dass sie für viele Bürger nicht konsensfähig ist und verzichtete. Damit blieben Peinlichkeiten erspart. Aktueller Favorit von Gabriel ist jetzt Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier – eine Persönlichkeit, die übrigens in der Bevölkerung (auch in konservativen Kreisen) auf eine breite Zustimmung stoßen würde.

Nach dem Motto „Wer will noch mal, wer hat noch nicht“ wurden die Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann, Volker Bouffier und Annegret Kramp-Karrenbauer (Baden-Württemberg, Hessen, Saarland), der amtierende Bundestagspräsident Norbert Lammert, Finanzminister und CDU-Urgestein Wolfgang Schäuble, EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (wurde auch schon als SPD-Kanzlerkandidat gehandelt), Gerda Hasselfeldt (Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag) sowie wieder der Präsident des Bundesverfassungsgerichtes in Karlsruhe, Prof. Dr. Andreas Voßkuhle, ins Gespräch gebracht. Glücklich sind die nicht gefragten „auserwählten“ Kandidaten nicht immer.

Allein durch dieses öffentliche Kandidatenkarussell aus den Hinterzimmern besteht die Gefahr der Demontage der Persönlichkeiten. Ein seriöses Gebaren sieht anders aus. Selbstverständlich, wie kann es auch anders sein, hat sich der amtierende Bundespräsident geäußert. Ein Muslim als Bundespräsident wäre für ihn durchaus vorstellbar. Michel Houellebecq’s vielbeachteter Roman „Unterwerfung“ (DuMont-Verlag) lässt grüßen. Im Roman wird schließlich die fiktive Person Ben Abbes als Muslim französischer Staatspräsident. Die Unterwerfung Frankreichs begann.

4. Muslim als Bundespräsident?

Nicht nur für den Bundespräsidenten ist ein Muslim als deutsches Staatsoberhaupt vorstellbar. Auch höchste Kirchenvertreter in Deutschland schließen eine derartige Entwicklung nicht aus. Navid Kermani, deutsch-iranischer Publizist und Schiite bzw. Muslim, wurde von der Linken als Kandidat in die Diskussion gebracht. Er könnte für ein rot-rot-grünes Bündnis Kandidat sein. Wäre eine derartige Kandidatur gegenüber dem deutschen Volk vertretbar? Für Dr. Peter Ramsauer (CSU) sind solche Gedankenspiele nicht vermittelbar: „Mit so einer Aussage werden die Leute auf die Palme gebracht, und das ist nicht gut für unser Land“, sagte Ramsauer. Und sein Bundestagskollege Karl-Georg Wellmann (CDU) stieß bei der Überlegung Muslim als Bundespräsident in das gleiche Horn: „Das wäre in der gegenwärtigen Situation überhaupt nicht angebracht. Das würde die Spaltung der Gesellschaft nur vertiefen.“

Wenn man dies alles so liest und hört, kann man nur lapidar feststellen: Wie wäre es, wenn man tatsächlich das Volk befragen, besser wählen, ließe? Vielen Repräsentanten aus der Politik möchte man in Erinnerung bringen: Der Souverän ist das Volk.

Letzte Änderung am Freitag, 07 April 2017 12:53
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag