Es ist Mode geworden, einige Entscheidungen der Wirtschafts-, Arbeits- und Familienpolitik unter dem Deckmantel demografischer Wandel zu begründen. Auch jetzt soll der außer Kontrolle geratene Massenzustrom von Asylanten, Wirtschaftsflüchtlingen und Migranten (diese Unterschiede werden in einen Topf geworfen) dazu dienen, falsche Weichenstellungen und Versäumnisse in der deutschen Asyl- und Flüchtlingspolitik – aber auch in der Familienpolitik – zu übertünschen. Zuwanderung sei, siehe oben, ein Segen und liege im Interesse des deutschen Volkes.
Der renommierte Bevölkerungswissenschaftler Prof. Dr. Birg Herwig kommt zu anderen Erkenntnissen: Politiker, die Zuwanderung als Chance oder gar Lösung des demografischen Wandels ansehen, würden das Land „sehenden Auges in eine Sackgasse“ führen, weil das eigentliche Problem Demografie andere Ursachen habe. Von diesen Ursachen würde die Politik mit dem Eintreten für die Zuwanderung ablenken: Der Wissenschaftler macht vielmehr eine verfehlte Politik in der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung verantwortlich, die de facto Kinderlosigkeit prämiere und Familien mit Kindern bestrafe. Unabhängig von diesen grundsätzlichen Prämissen begründet die Politik – und hier vorwiegend die derzeitige Bundesregierung – die Vorteile der Zuwanderung für die Entwicklung der Demografie mit völlig falschen Kriterien.
Die angeblichen Vorteile
Drei Kriterien werden genannt, mit der die Zuwanderung als „Segen“ oder Vorteil für Deutschland begründet wird. Erstens bräuchte unser Land junge Zuwanderer, die als Beschäftigte mit ihren Beiträgen in die Sozialversicherung u.a. die Renten und die Krankenversicherung stützen würden. Zweitens könne der Industriestandort Deutschland ohne Zuwanderung seinen Arbeitskräftebedarf nicht decken und drittens würde Zuwanderung durch Migranten helfen, die Entvölkerung ganzer Landschaften, etwa in Mitteldeutschland, auszugleichen. Viele Bürgermeister sehnten Asylanten herbei, um das „Ausbluten“ ihrer Gemeinden zu verhindern.
Zumindest der dritte Grund ist menschenverachtend – und zwar gegenüber den Flüchtlingen –, impliziert er doch unausgesprochen, dass Krisengebiete einen Beitrag leisten, das Schrumpfen deutscher Gemeinden zu verhindern, indem Asylsuchende aus den Krisengebieten den Verlust deutscher Einwohner ausgleichen. Wenn Zuzug so begründet wird, dann ist dies makaber. Denn ganz im Gegenteil ist mittelfristig Asyl, nach Beendigung kriegerischer Auseinandersetzungen, sogar zu verurteilen, werden doch dadurch den Herkunftsländern dringend benötigte Humanressourcen entzogen. Dies gilt auch für „Wohlstandsflüchtlinge“. Bürgerkriegsgebiete wie Syrien müssen mit internationaler Hilfe einschließlich Russlands befriedet werden. Dann haben die jungen Syrer eine Perspektive und beim Wiederaufbau ihres Landes viel zu tun.
Deutschland braucht künftig weniger Arbeitsplätze
Unabhängig davon, dass die meisten derzeit ankommenden Asylanten oder Wirtschaftsflüchtlinge aufgrund einer fehlenden oder mangelhaften Ausbildung nicht oder nur sehr schwer durch die deutsche Wirtschaft in den Arbeitsprozess integriert werden können, werden die Unternehmen und Betriebe (besonders die Industrie) im Gegensatz zur Meinung der Bundeskanzlerin, künftig deutlich weniger Arbeitsplätze benötigen. Nach der 1. und 2. Industriellen Revolution und der Datenverarbeitung und Kommunikation, später durch das Internet, folgt nun mit der weiteren Automatisierung der industriellen Abläufe durch die neue Robotik der „denkenden Generation“ die größte Herausforderung für den deutschen Arbeitsmarkt unter dem Stichwort Industrie 4.0.
Die Bundeskanzlerin weiß dies auch, denn sie hat ein vollautomatisches Werk der Siemens AG in Amberg besichtigt. Weiter berühren die Veränderungen sogar den Bereich Dienstleistungen. In Hotels wird z.B. elektronisch eingecheckt; die Zimmer reinigen „denkende“ Roboter. In Japan gibt es dies schon.
Die neuen Herausforderungen – verbunden mit einem drastischen Verlust von Arbeitsplätzen – belegt eine seriöse Studie der Oxford-Wissenschaftler Frey und Osborne, die das Zentrum für europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim für das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ergänzt hat. Die Studie liegt dem Ministerium vor. Bestätigt wurde aktuell die Studie durch das „Economic Research“ der ING DiBA, der deutschen Tochter des globalen niederländischen Finanzriesen ING Groep. Die Studie liegt auch unserer Redaktion vor.
18,3 Millionen Arbeitsplätze sind gefährdet
Nach der Studie sind von 30,9 Millionen Beschäftigten 18,3 Millionen oder 59% der untersuchten deutschen Arbeitsplätze durch die Technologisierung mittelfristig bedroht. Darüber berichtete auch in der Ausgabe 38 das Magazin Focus. Selbst wenn unterstellt wird, dass die Szenarien nur zu einem Drittel eintreten, wird klar: Für die gleiche Wertschöpfung werden deutlich weniger Arbeitsplätze benötigt. Die Thesen werden noch dadurch erhärtet, dass in Produktbereichen, in denen unser Land noch führend ist, verstärkt neue Wettbewerber (etwa aus China) als Konkurrenten in deutsche Absatzmärkte eintreten. Dies führt dazu, dass bei uns schon jetzt Arbeitsplätze abgebaut werden – bei Siemens, ABB, Alstom, Voith, in Unternehmen der Stahlindustrie sowie in zahlreichen anderen Firmen.
Vor wenigen Wochen hat McKinsey Global Institute ein ernüchterndes Szenario aufgezeigt. Die Ertragssituation der Firmen – noch von einem hohen Niveau – nehme in den nächsten zehn Jahren weltweit deutlich ab. Der Consulter hat 30.000 Unternehmen analysiert.
McKinsey begründet die Entwicklung ebenfalls mit neuen Wettbewerbern aus Schwellenländern. Dortige Märkte – früher eine Domäne der deutschen Industrie – produzieren inzwischen ihren Bedarf – Stahl etwa – schon selbst.
Welche Erkenntnisse sind zu ziehen? Wir brauchen künftig, im Gegensatz zu den jetzt im Zusammenhang mit dem Zustrom von Flüchtlingen verbreiteten Meinungen, infolge der Robotik und aufgrund neuer Marktstrukturen eher weniger Arbeitskräfte in Deutschland. Künftige Probleme der gesetzlichen Sozialversicherung müssen durch neue Instrumente politisch gelöst werden. In Österreich ist derzeit eine Wertschöpfungsabgabe (der alte Hut Maschinensteuer) in der Diskussion.
Schwer vermittelbar
Losgelöst von den aufgezeigten volkswirtschaftlichen Prämissen haben jetzt beim Zustrom von Asylanten und Migranten ernüchternde Erkenntnisse bestätigt, dass die derzeit zuwandernden Menschen nur schwer, wenn überhaupt, in den Arbeitsprozess integriert werden können. Die „syrischen Ärzte“ waren wohl eine Mär. Arbeitsministerin Andrea Nahles hat im Spiegel zugegeben, dass es in puncto Qualifikation bei den Asylsuchenden erhebliche Defizite gibt. Ein ähnliches Urteil fällte Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner. Viele der zuwandernden Menschen haben nach den jüngsten Erkenntnissen keine berufliche Ausbildung. Ein nicht kleiner Teil der ankommenden Flüchtlinge kann weder lesen noch schreiben. Schwer ist auch die kulturelle Integration im Arbeitsprozess, weil z.B. das Rollenverständnis Frauen/Männer bei vielen Asylanten grundlegend (verglichen mit Deutschland) anders ist. Viele männlichen Migranten erkennen zum Beispiel Frauen als Vorgesetzte nicht an. Hier prallen Welten aufeinander.
Das langjährige tschechische Staatsoberhaupt, der angesehene Wirtschaftswissenschaftler Prof. Václav Klaus, hat in einem Gastbeitrag in der Zeitung „Die Welt“ u.a. zur Meinung der Bundeskanzlerin, Zuwanderung könne die demografischen Probleme Deutschlands lösen, als Ökonom ein nüchternes Urteil gefällt. Diese Vorstellung, so Klaus, sei „geradezu lächerlich“ und stünde im krassen Widerspruch zu allen Erfahren.