Zunächst ist interessant, dass über 25 Jahre nach seinem Tod heute einige Provinzpolitiker ihre Bekanntheitsdefizite an ihm aufpolieren wollen. Dies spricht zunächst einmal für Strauß; der vor über einem Vierteljahrhundert vom Leben geschiedene Politiker hat offenbar immer noch eine hohe Ausstrahlung. Bayerns FDP-Chef Albert Duin – eigentlich kennt man ihn nicht, er wurde bisher außerhalb der Bayern-FDP nicht wahrgenommen – will z.B. nun im Umfeld des Geburtstages von Strauß den Namen des CSU-Übervaters beim Flughafen München streichen, weil DER SPIEGEL (Ausgabe 35 vom 22.8.2015) völlig unbewiesene „neue“ Enthüllungen über Strauß veröffentlichte. Bei Lichte besehen stehen in der Spiegel-Geschichte jedoch unverbindliche vage Andeutungen mit den Worten könne, offenbar, angeblich, muss offen bleiben, Hinweise im strafrechtlichen Sinne finden sich nicht in den Unterlagen. Typischer Spiegel-Journalismus.
Vielleicht gäbe es ohne FJS die Erfolgsgeschichte und „Jobmaschine“ des Airports im Erdinger Moos heute noch nicht. Die Entwicklung zum ersten 5-Star-Airport Europas bleibt untrennbar mit seinem Namen verbunden. Aber jeder – hier der FDP-Chef Bayern – blamiert sich so gut er kann, wenn er den Namen des Flughafens ändern will! Unabhängig von diesen Albernheiten: Wer war Strauß wirklich?
Die Gleichung Hass oder Verehrung jedenfalls verkürzt die Beurteilung von Strauß. „Gehasst“ wurde er allenfalls – weil er so uneinholbar erfolgreich war – von seinen politischen Gegnern und auch von bestimmten Medien, die ein Reibeisen für ihre Auflagen brauchten. Von der Bevölkerung in Bayern erhielt FJS jedenfalls bei Wahlen enorme Zustimmungen, wie die brillanten Ergebnisse für seine Partei bewiesen. Und selbst im berühmten Bundestagswahlkampf 1980 (da war Strauß Kanzlerkandidat für die CDU/CSU) bekam er, dies wird heute zuweilen vergessen, mehr Stimmen als Helmut Schmidt, der nur mit Hilfe der FDP Kanzler blieb. Im direkten Vergleich Union mit der SPD, war diese damals zweiter Sieger. Die FDP bildete aber zusammen mit der SPD eine Koalition und rettete somit Schmidt die Kanzlerschaft.
Strauß war nicht stromlinienförmig
War er nun, wie die Basler Zeitung meinte, ein „Titan“? Auch diese Umschreibung, zwar schon eher zutreffend, hätte wohl Strauß selbst nicht gefallen. Er war vielmehr ein Politiker, volksnah und doch intellektuell beschlagen mit Visionen, die er auch mit Tatkraft erfolgreich umsetzte. Strauß war bewusst kantig und eben nicht stromlinienförmig. Er schielte eben nicht nur nach populären Wählerstimmen und der veröffentlichten Meinung (was etwas anderes ist als die Meinung des Volkes). Man braucht sich nur frühere Bundestagsdebatten mit Strauß und zugegebenermaßen auch von Wehner (SPD) anzusehen, um zu erkennen, wie lahm und langweilig – nur kein falsches Wort sagen – es heute im Bundestag zugeht.
Der Vollblutpolitiker Strauß war mit allen Wassern gewaschen. Zwei Jahre im Wirtschaftsrat, 29 Jahre Bundestagsabgeordneter, 12 Ministerjahre in drei Kabinetten, 1961 zum CSU-Vorsitzenden gewählt und schließlich Bayerischer Ministerpräsident von 1978 bis zu seinem Tod 1988. Die Herkulesaufgabe der Aufstellung der Bundeswehr in schwierigen Zeiten ist eindeutig mit seinem Namen verbunden. Als Finanzminister in der Großen Koalition Kiesinger/Brandt hat er sich selbst bei politischen Gegnern durch Leistung Ansehen erworben. Die Entwicklung Bayerns zum modernen innovativen Wissens-, Forschungs- und Industriestandort, der heute auch aus der Sicht ausländischer Investoren führend in Europa (in Deutschland ohnehin) ist, wurde durch ihn durch seine klaren Vorgaben und Weichenstellungen vorangetrieben, ohne die Identität Bayerns als liebenswertes Land aufzugeben. Grüne und umweltfreundliche Politik etwa wurde vor den „Grünen“ durch Strauß praktiziert. Grün war zunächst weiß-blau – da gab es die Grünen noch nicht!
Strauß als Spiritus Rector
Bayern wurde unter der CSU und insbesondere unter FJS Zentrum für Hightech-Branchen wie beispielsweise mit der Luft- und Raumfahrtindustrie. Heute sind in Bayern die Bereiche Airbus Defence and Space mit Standorten in Ottobrunn, Unterschleißheim und Manching und Airbus Helicopters in Donauwörth präsent. Augsburg ist u.a. durch die Firmen MT Aerospace und Premium Aerotec, die als Systemführer Komponenten für die wichtigsten Programme der zivilen und militärischen Luft- und Raumfahrt einschließlich der Satellitentechnik herstellen, vertreten und in Oberpfaffenhofen befindet sich das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR). MTU Aero Engines in München ist schließlich Systempartner und wurde zum führenden Triebwerkebauer. Zu den größten wirtschaftspolitischen Leistungen von FJS gehört die Etablierung von Airbus zum Weltkonzern, der zum lange dominierenden Konkurrenten Boeing nicht nur aufschloss. Insbesondere dafür war Strauß der Spiritus Rector! Dies alles ist keine Lobhudelei. Dass ihn heute nämlich die Airbus Group, ein Unternehmen mit weltweit 60,7 Milliarden Euro Umsatz, in einem Gastbeitrag mit der Überschrift „Danke“ würdigt, unterstreicht seine Verdienste. Die ganze Entwicklung Bayerns zum führenden Luft- und Raumfahrtstandort hat als Anpusher einen Namen: Franz Josef Strauß!
Dies gilt auch für die industrielle Entwicklung allgemein. Zusammen mit dem langjährigen Ministerpräsidenten und Vorgänger von Strauß im Amt, Alfons Goppel, betrieb er eine positive Industriepolitik. Bereits 1959 rettete Strauß – damals war BMW fast am Ende – das weiß-blaue Paradeunternehmen. Die Werke in Dingolfing und Regensburg sind auch mit seinem Namen verbunden. Da war viel Überzeugungsarbeit notwendig.
Als Gegner wie der letzte Verkehrsminister der sozialliberalen Koalition in Bonn, Volker Hauf, – ein anderes Beispiel – noch den Bau des Rhein-Main-Donau Kanals als die „größte Dummheit seit dem Turmbau zu Babel“ bezeichneten (damals waren viele Donauländer noch im Würgegriff des abgeschotteten kommunistischen Ostblockes), erkannte Strauß visionär die Zukunft dieser großen europäischen Wasserstraße als eine Notwendigkeit der grenzüberschreitenden europäischen Infrastruktur. Strauß wusste, dass eine gute Infrastruktur zu Lande, zu Wasser und in der Luft einschließlich der Logistik eine Voraussetzung für einen prosperierenden Standort darstellt. Deshalb trieb er den Bau des internationalen Flughafens im Erdinger Moos vor den Toren Münchens zum bedeutenden internationalen Drehkreuz voran. Schließlich gehört zu einem Standort mit Format auch das entsprechende Umfeld für Forschung und Entwicklung. Bayern setzt auch hier mit seinen führenden Universitäten und zahlreichen Forschungseinrichtungen internationale Maßstäbe.
Schlussendlich sind die richtigen politischen Rahmenbedingungen für die Wirtschaft von ausschlaggebender Bedeutung. Dass Bayern heute an der Spitze steht, ob es das Bruttoinlandsprodukt, die Exportstärke seiner Wirtschaft oder die günstigen Ziffern im Arbeitsmarkt sind: die Erfolge sind nicht vom Himmel gefallen. Für Strauß und der von ihm maßgebend geprägten CSU war Bayern nie ein Bundesland wie jedes andere. Das Selbstbewusstsein des Freistaates Bayern basiert auf einer mehr als tausendjährigen Geschichte. Strauß hat das Ansehen Bayerns in der Welt auch als Kulturstaat von europäischem Rang ganz wesentlich gefördert. Er war als Bayer seiner Heimat verbunden, aber gleichzeitig auch Weltpolitiker, der ganz wesentlich z.B. beim damaligen Präsidenten Michail Gorbatschow Anerkennung fand. Mao wurde schon eingangs erwähnt. Auch im Verhältnis der Bundesrepublik zur damaligen DDR – hier mit dem nicht von allen verstandenen Milliardenkredit an Erich Honecker – hat Strauß politische Weitsicht bewiesen. Strauß war ein Ausnahmepolitiker, gewiss zuweilen auch im guten Sinne ein Polterer. In vielen politischen Fragen würde man sich heute mehr Politiker seiner Weitsicht wünschen, wenn nur an die Wohlfühlpolitik (nur nicht in den Medien anecken) der derzeitigen Bundeskanzlerin erinnert werden darf.