Vor diesen nüchternen Zahlen ist es, weit über die Aktionärsinteressen hinausgehend, im Hinblick auf die gesamte deutschen Volkswirtschaft nicht gleichgültig, ob es an der Spitze der Unternehmensgruppe VW harmonisch zugeht oder eben nicht. Insofern war es fast schon – weit über das Unternehmerische – ein Politikum, als Großaktionär Ferdinand Piëch am 10. April 2015 als Aufsichtsratsvorsitzender auf Distanz zu seinem Vorstandschef Martin Winterkorn ging und für die Zukunft Kompetenzen an der Spitze des VW-Vorstandes und im Amt des Aufsichtsratsvorsitzenden als Nachfolger seiner Person einforderte.
Nun mag man über die Form der Kritik von Piëch an Winterkorn streiten. Unbestritten ist, dass Piëch der eigentliche Motor des gesamten Konzerns war. Piëch hat etwa Audi aus den Niederungen zur einmaligen Erfolgsstory geführt; mit seinem Namen sind bahnbrechende technische Entwicklungen verbunden und vielleicht wäre VW ohne Piëch längst nicht mehr ein eigenständiges Unternehmen. Gelüste anderer Autokonzerne, bei VW mitzubestimmen, gab es ja schon in der Ära, als Ferdinand Piëch noch Vorstandsvorsitzender bei VW gewesen ist.
Unkluges Verhalten von Winterkorn
Nun ist ja Ferdinand Piëch über die Porsche Holding, bei der die Familienstämme Piëch und Porsche ihre VW-Mehrheit von knapp über 50% bündeln, auch als einzelner Großaktionär nicht irgendwer, wobei zu bemerken ist, dass die Familien ihre Interessen harmonisch infolge eines Konsortialvertrages abstimmen müssen. Ist es vor diesem Hintergrund von Martin Winterkorn klug gewesen, stur an seiner Position festzuhalten, wenn ein so wichtiger Aktionär wie Piëch ihm das Vertrauen entzieht? Eigentlich hätte Winterkorn von sich aus das Handtuch werfen müssen, um ein Auseinanderbrechen der Familie Piëch/Porsche, die immerhin drohen kann, zu verhindern. Denn wenn dies geschieht, ist natürlich auch der Familienzweig Porsche geschwächt und die Mehrheit der Gesamtfamilie wäre weg. Dies wäre im Interesse von VW fatal. Nun ist Ferdinand Piëch von seinem Amt als Aufsichtsratsvorsitzender bei VW zurückgetreten, seine Frau als einfaches Mitglied des Aufsichtsrates ebenfalls. Dies ist ein denkbar schlechtes Signal.
Deshalb ist Martin Winterkorn nicht mehr zu halten. Immerhin ist er letztendlich „nur“ ein Angestellter, wenn auch als fürstlich bezahlter Top-Manager. Dies ist der große Unterschied zu Ferdinand Piëch und dessen Cousin Wolfgang Porsche. Die beiden Repräsentanten der Familienstämme haben als gesamte Familie nur gemeinsam über ihre Holding als Aktionäre mehrheitlichen Einfluss bei VW oder eben auch künftig nicht. Blut ist aber dicker als Wasser und auch deshalb ist Winterkorn nicht mehr zu halten, zumal letztendlich die Familienstämme bisher – Zwistigkeiten hin, Zwistigkeiten her – immer zusammengehalten haben. Über kurz oder lang wird Winterkorn gehen müssen, spätestens dann, wenn sich die Cousins Ferdinand Piëch und Wolfgang Porsche wieder zusammengerauft haben.
Dabei ging die völlig andere Frage unter, weshalb Ferdinand Piëch kein Vertrauen mehr zu Winterkorn hatte. Die Antwort ist aber relativ einfach. Winterkorn „lebte“ (dies hat der Patriarch natürlich gemerkt) von den Erfolgen der Tochterperlen Audi und Porsche, die für Zweidrittel des operativen Konzernergebnisses des Gesamtkonzerns VW stehen. Viele Bereiche der Kernmarke VW schwächeln hingegen. Dies wurde nur durch die großartigen Erfolge von Audi und Porsche retuschiert.