Aus der Sicht der Befürworter hat alles nichts genützt: Eine breite parteiübergreifende Koalition zwischen der CSU, SPD und der FDP, das persönliche Engagement der Bayerischen Staatsregierung durch die führenden Repräsentanten (Ministerpräsident Horst Seehofer, Finanzminister Markus Söder, jeweils CSU, und Wirtschaftsminister Martin Zeil von der FDP), das Engagement der Wirtschaft und das Votum des SPD-Oberbürgermeisters der Landeshauptstadt, Christian Ude. Selbst der immer noch in München sehr populäre Altoberbürgermeister Hans-Jochen Vogel setzte sich für den Ausbau ein. Offenbar vergebens. Während OB Christian Ude sich vom Saulus zum Paulus, respektive nach der Abstimmung wieder vom Paulus zum Saulus zurückwandelte und das Ergebnis „ohne Wenn und Aber“ akzeptieren will, ist das für die Staatsregierung noch keineswegs eine ausgemachte Sache.
Staatsregierung hält an 3. Start- und Landebahn fest
Im Gegenteil, Wirtschaftsminister Martin Zeil will an der Entscheidung der Bayerischen Staatsregierung „am Bau der dritten Bahn ohne Wenn und Aber“ festhalten und nun, wie Markus Söder, Finanzminister und Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafen München GmbH, über die Gremien über das weitere Procedere beraten.
In der Tat ist die jetzt stattgefundene Entscheidung gegen die 3. Startbahn durch Münchens Bürger theoretisch nur ein Jahr bindend und zwar lediglich nur für den Gesellschafter Stadt München, der 23% hält. Weitere Gesellschafter sind bei der Flughafen München GmbH der Freistaat Bayern mit 51% sowie die Bundesrepublik Deutschland mit 26%. Würden also die Gesellschafter Bayern und Deutschland Münchens Anteile übernehmen, entstünde eine neue Situation. Doch dies ist Theorie, denn die Stadt, so ist zu hören, will ausdrücklich Miteigner bleiben. Eine andere Frage ist, ob die Gesellschaftersatzung, demnach grundsätzliche wichtige Entscheidungen einstimmig gefällt werden müssen, noch sinnvoll ist. Immerhin gehören 77% der Flughafen München-Anteile, über Dreiviertel, eben nicht der Stadt München.
Auch zeigt sich, dass in einer gegen Projekte der Infrastruktur sensibilisierten Gesellschaft die Grundlagen für Bürgerentscheide neu überdacht werden müssen. Die Deutschen bejahten die Energiewende, sind aber nach wie vor gegen Stromtrassen für die Energieübertragung; regenerative Pumpspeicherkraftwerke dürfen es auch nicht sein und selbst die umweltfreundliche Bahn wird bei Hochgeschwindigkeitsstrecken behindert. Juchtenkäfer, bei allem erfreulichen Engagement für die Schöpfung, haben oft einen höheren Stellenwert als notwendige Umgehungsstraßen, die den geplagten Bürgern in den Ortskernen mehr Ruhe bieten würden. Wie passt dies alles zusammen?
Vordergründig haben jetzt beim Bürgerentscheid zur 3. Start- und Landebahn 54,3% der Münchnerinnen und Münchner gegen den Ausbau gestimmt. Doch Fakt ist auch, dass lediglich ein knappes Drittel der stimmberechtigten Bürger die Wahllokale aufsuchten. Dies mag für einen Bürgerentscheid viel sein – aber eben auch wieder nicht. Es ist schon ein Unterschied, ob über eine Allerweltstiefgarage im Dorfzentrum von „Waldspechthausen“ zu entscheiden ist, oder über eine Infrastrukturmaßnahme, die für ein großes Land wie den Freistaat Bayern gravierende wirtschaftliche Auswirkungen hat und auch Signale setzt, etwa zur Frage, ob in Bayern künftig noch Luft- und Raumfahrt einen wirtschaftlichen Stellenwert hat. Und kann, eine weitere offene Frage, eine Entwicklung blockiert werden, die in spätestens 15 Jahren, wenn überhaupt, nur noch einen theoretischen Stellenwert hat, wenn darauf hingewiesen werden darf, dass künftige Flugzeuge mit weiteren Lärmreduzierungen von gut 15% auskommen. Möglich macht dies die neue „Clean Air Engine (Clair)“ bei den Triebwerken durch einen optimierten Getriebefan. Versperren wir uns also durch eine Lärmdiskussion, die gelöst wird, Zukunftsperspektiven?
Eine echte Mehrheit sieht anders aus
Es ist daher zumindest eine Überlegung, ob bei grundsätzlichen Entscheidungen mit landesweiten Auswirkungen Bürgerentscheide auf einer Wahlbeteiligung von mindestens 50% beruhen sollten. Ansonsten kann eine gut durchorganisierte Minderheit, die stramm an die Urnen geht, einer schlafenden Mehrheit ihren Willen aufzwingen. Wer bei einem wichtigen Projekt nicht wenigstens die Hälfte der Bürger mobilisieren kann, wird wohl nicht mit dem Anspruch der echten Mehrheit antreten können. In München haben jetzt ca. 182.000 Bürger(innen) von 1.032.855 Wahlberechtigten eine Mehrheit erreicht. Eine echte Mehrheit sieht anders aus.
Wie geht es jetzt bei der geplanten 3. Start- und Landebahn weiter? Für die nächsten Jahre ist wohl das Projekt auf Eis gelegt. Noch gilt die Gemeindeordnung, Artikel 18 a, für den Freistaat Bayern. Ob dies so bleiben wird, ist eine andere Frage, wenn Deutschland kein Land der Eigenbrötler, die gegen alles sind, werden will. Natürlich wollen wir den mündigen Bürger – aber wir wollen auch den Bürger, der nicht nur fordert und ablehnt, sondern frei nach John F. Kennedy auch fragt, was er für sein Land tun kann.