Sowohl China als auch Deutschland fürchten die Abschottung des US-Marktes nach dem Motto „America first“. Der amerikanische Präsident lässt offen, ob er „Strafzölle“, auch gegen Deutschland z.B. beim Import deutscher Autos, verhängt. Und insbesondere die Handelsauseinandersetzungen der Vereinigten Staaten mit China zeigen schon negative Auswirkungen. Insofern ist es verständlich, dass Merkel den Schulterschluss mit Peking (und umgekehrt) sucht, um eventuelle Einbußen auf dem amerikanischen Markt mit höheren Exportvolumina nach China kompensieren zu können. Hinter dieser Strategie steckt aber auch für Deutschland und China eine gewisse Brisanz. Es darf nämlich auf keinen Fall beim amerikanischen Präsidenten der Eindruck entstehen, dass eine erweiterte Liaison Peking/Berlin eine Retourkutsche für die Vereinigten Staaten ist.
Win-Win-Situation
China ist inzwischen mit einem Volumen (Export und Import) von ca. 200 Mrd. US-Dollar ein enorm wichtiger Handelspartner Deutschlands. Bei den Exporten allein sind allerdings die Vereinigten Staaten mit 113,5 Mrd. US-Dollar noch Deutschlands größter Kunde. Allerdings ist auch für die Weltwirtschaft das Handelsvolumen der Giganten USA und China mit 659,8 Mrd. US-Dollar bedeutend größer. Hier besteht allerdings eine starke Schieflage. Während die Chinesen für 539,5 Mrd. US-Dollar Waren in die USA lieferten, betrugen deren Importe aus den USA lediglich 120,3 Mrd. US-Dollar. Alle Zahlen beziehen sich auf 2018. Es liegt daher auf der Hand, dass China den Handel mit Deutschland und der EU ausbauen will, um evtl. Verluste mit den USA auszugleichen.
Weil auch Deutschland den Handel mit China im eigenen Interesse pflegen muss, ist es unsinnig, wenn immer wieder Stimmen vor der zu gefährlichen Abhängigkeit vom chinesischen Markt warnen. Es ist richtig: Deutschlands Automobilwirtschaft braucht den chinesischen Markt, aber umgekehrt China auch Deutschland als Kunden und vor allem als Brückenpfeiler für die gesamte EU. Ein gut florierender Handel ist auf jeden Fall sowohl für Deutschland als auch für China eine echte Win-Win-Situation. Beim jetzigen Besuch der Bundeskanzlerin hat Chinas Ministerpräsident Li Keqiang – wie Merkel auch – ein Bekenntnis zum Multilateralismus abgelegt. Dies ging eindeutig in Richtung USA. Li will ein bilateriales Handelsabkommen zwischen China und der EU und setzt dabei auf den Einfluss Deutschlands. Gleichzeitig versprach er die weitere Öffnung seines Landes und versicherte den Schutz des geistigen Eigentums. Die deutsche Wirtschaft beurteilt in Summe die Chancen für Investitionen in China durchaus positiv. Allein in den ersten 7 Monaten des laufenden Jahres 2019 sind die deutschen Investitionen gegenüber dem Vergleichszeitraum 2018 erheblich auf 1,17 Mrd. US-Dollar gestiegen, wie Gao Feng, Sprecher des chinesischen Handelsministeriums auf einer Pressekonferenz betonte (GERMAN:CHINA:ORG:CN). Das Handelsvolumen habe um 2,4% zugelegt. Insbesondere die BASF, VW und BMW hätten ihre Investitionen kräftig gesteigert. Auch das deutsch-chinesische Handelsvolumen habe um 2,4% zugelegt.
Bewusste Destabilisierung?
Nach wie vor sieht China auch für deutsche mittelständische Firmen durch die Belt and Road Initiative (BRI) ein weiteres und erhebliches Geschäftspotential. Auch bei diesem Großprojekt für Infrastrukturen entlang der „Seidenstraße“ will China den Zugang für deutsche Firmen weiter verbessern. Die Kritik von deutschen Medien im Zusammenhang mit der derzeitigen Protestbewegung in Hongkong sollte kein Kriterium für die Teilnahme an der Belt and Road Initiative sein. Die Kritik übersieht das Zerstörungspotential der Protestierenden mit Brandsätzen auf Menschen und Sachen sowie die wiederholten gewalttätigen Übergriffe und das Lahmlegen der öffentlichen Infrastruktur – etwa am Luftverkehrsdrehkreuz Hongkong. Diese Übergriffe schädigen und behindern auch völlig unbeteiligte Personen – etwa Geschäftsreisende. Obwohl inzwischen die Regierung Hongkongs weitere Zugeständnisse an die Protestbewegung machte, gehen die Unruhen weiter. Keine Regierung kann aber auf Dauer Chaos tolerieren. Dies ist in Hongkong nicht anders wie in Paris, wo viele „Gelb-Westen“ Protest mit Zerstörungswut verwechselten.
Siemens-Chef Joe Kaeser, Mitglied der Wirtschaftsdelegation der Kanzlerin in China und Vorsitzender des deutsch-chinesischen Wirtschaftsausschusses, betont indirekt die Notwendigkeit einer friedlichen Lösung der Auseinandersetzungen in Hongkong. Alles andere würde die wirtschaftliche Entwicklung mit China belasten. In einem Gespräch mit einer deutschen Boulevard-Zeitung deutete Kaeser aber auch Zweifel bei der Motivation für die Unruhen in Hongkong an. „Ich habe auch das Gefühl, dass es da Interessenslagen geben könnte, die China destabilisieren sollen“, sagte der Siemens-Chef. Bereits in der Vergangenheit gab es ausgerechnet etwa im Vorfeld der Olympischen Spiele in Peking Unruhen in Tibet, diesmal vor dem Staatsjubiläum 70 Jahre Volksrepublik ...