Gefehlt hat jetzt in München die oberste politische Garnitur aus China, Russland und den USA. Die Sicherheitskonferenz wurde allerdings immer überschätzt, weil sie als Zweck keine zwischenstaatlichen Vereinbarungen zum Ziel hat, sondern lediglich eine informelle Diskussionsplattform mit der allerdings wichtigen Möglichkeit des direkten Gespräches darstellt. Jetzt wurden in München wüste Szenarien – die Welt am Abgrund – beschworen, auch vom Noch-Außenminister Sigmar Gabriel.
Aber wann war die Welt politisch ideal und friedlich? Nach 1945 waren bis heute ganz andere Kaliber von Herausforderungen zu bestehen, die da heißen: Koreakrieg, Kubakrise, bei der in letzter Minute der 3. Weltkrieg und somit die nukleare Katastrophe verhindert wurde, der jahrelange Kalte Krieg zwischen Ost und West, verschiedene Nahostkriege, Vietnamkrieg, Irak und Afghanistan, IS-Kämpfer und weltweiter Terror und schließlich drohende Cyberkriege. Jetzt will der ukrainische Präsident Petro Poroschenko den NATO-Beitritt seines Landes und die Mitgliedschaft in die EU voranbringen. Damit würde der letzte Puffer zwischen Russland und der NATO, die Ukraine, in Mitteleuropa wegfallen – ein Gefahrenpotential ohnegleichen, denn ein direktes Andocken der NATO (mit einem großen Grenzverlauf in Mitteleuropa) an Russland wird die russische Führung wohl nicht akzeptieren.
Für Deutschland kann ein derartiges sicherheitspolitisch bedenkliches Szenario nicht wünschenswert sein, zumal die USA, nicht nur durch Präsident Trump, sondern auch durch seinen Vorgänger Obama, die mangelhaften sicherheitspolitischen Anstrengungen der europäischen NATO-Länder schon länger beklagen. Die USA wollen nicht weiter, quasi „zum Nulltarif“, den großen Bruder spielen, der in Krisen in Europa helfen wird. Bei der Eröffnung der Sicherheitskonferenz hat ausgerechnet Ursula von der Leyen als Bundesverteidigungsministerin, die allen Grund hätte, sehr zurückhaltend zu sein, die USA bei ihrem derzeitigen Kurs kritisiert.
Ausgerechnet von der Leyen
Die USA, so die Ministerin, müssten zu einem stärkeren Engagement bereit sein: „Auch unsere amerikanischen Freunde haben eine kostbare Verpflichtung.“ Das sagt eine Verteidigungsministerin, die dieses Amt immerhin seit dem 17. Dezember 2013, also seit über vier Jahren, verantwortet und damit wesentlich für den Schlendrian der Bundeswehr-Vernachlässigung verantwortlich ist. Aber auch die Bundeskanzlerin kann sich nicht aus der Verantwortung stehlen, denn sie bestimmt die Richtlinien der Politik und dazu gehört auch selbstverständlich die Verteidigungs- und Sicherheitspolitik. Das Verteidigungsministerium wird schließlich seit dem 22. November 2005 von den Unionsparteien CDU/CSU geführt.
Vielleicht ist von der Leyen gut beraten, im Thomasevangelium das Gleichnis vom Balken und Splitter nachzulesen: „Den Splitter im Auge deines Bruders siehtst du, aber den Balken in deinem Auge siehst du nicht.“ Und dieser Balken (Zustand der Bundeswehr) ist groß. Immerhin hat sich die Ministerin bei der Bundeswehr nach ihrer pauschalen Kritik zum Thema „Führungsschwäche und Haltungsproblem“ entschuldigt. Die Bundeswehr heute hat nicht in erster Linie militärische Führungsprobleme; da wurden einzelne Vorkommnisse in Kasernen maßlos auch in den Medien übertrieben. Die Bundeswehr wurde vielmehr skandalös politisch heruntergewirtschaftet und ist jetzt in einem Zustand des Jammers. Immerhin hat dies von der Leyen in München auf der Sicherheitskonferenz erkannt: „Wir haben 24 Jahre gespart, und es ist unmöglich, das innerhalb von zwei Jahren umzukehren“, sagte sie und versuchte, auch andere verantwortlich zu machen. Doch das wird ihr nicht gelingen, weil sie damit indirekt die seit dem 22. November 2005 amtierende Kanzlerin mit in die „schuldnerische Haftung“ nimmt. Und so ganz nebenbei: In den gut vier Jahren, in denen von der Leyen Verteidigungsministerin ist, hätte sie längst die Weichen umstellen können und müssen …
Skandal und Schande
Die Amerikaner, die von Europa, Großbritannien ausgenommen, zurecht mehr finanzielles Engagement für die militärische Sicherheit fordern, haben längst das katastrophale Erscheinungsbild der gesamten Bundeswehr erkannt. Egal, ob Heer, Luftwaffe oder Marine – in allen Bereichen wurde die Bundeswehr in einem politischen Sparwahn der Lächerlichkeit preisgegeben. Bereits in unserem Beitrag „Aus dem Land der Ideen wurde ein Pannenland“ haben wir über den desolaten Zustand der deutschen U-Boote (Hightech-Brennstoffzellen-Boote) berichtet. Sämtliche U-Boote, sie sind die modernsten konventionellen Schiffe, sind derzeit nicht einsatzfähig, weil an Ersatzteilen und Logistik gespart wurde – eindeutige jüngere Versäumnisse der Verteidigungsministerin als oberste Dienstherrin. Die deutsche U-Boot-Flotte befindet sich derzeit auf „Urlaub“ – Abwehrbereitschaft daher gleich null.
Hans-Peter Bartels, Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages, in einem Alarmruf: „Der Marine gehen die einsatzfähigen Schiffe aus“ und dies vor allem auch bei den Überwasserschiffen. Grund auch hier sei Mangel an Ersatzteilen. Der Wehrbeauftragte sorgt sich bei maritimen Missionen von NATO, EU oder der UN um die Sicherheit der Soldaten. Selbst Norbert Röttgen, immerhin CDU-Mann und Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses, spricht im Hinblick zur Vernachlässigung der Bundeswehr von einem „staatlichen Offenbarungseid“. Deutlicher kann die Kritik an der Ministerin wohl nicht ausfallen. Das neue Super-Schiff der Marine, die Fregatte 125, musste bereits nach ersten Probefahrten wieder in die Werft. Offensichtlich hat bereits beim Bau das technische Controlling durch das Ministerium gefehlt oder schlecht funktioniert.
Die BILD-Zeitung berichtete jüngst unter der Überschrift „Image der Bundeswehr sinkt in Richtung Schrott-Armee“, dass die Mehrheit der Kampfpanzer nicht einsatzfähig wären und beruft sich dabei auf Informationen aus Führungskreisen der Bundeswehr. Wolfgang Hellmich (SPD), Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im Bundestag, beklagt, dass die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr offensichtlich nicht sichergestellt sei, und der Chef des Bundeswehrverbandes (Oberstleutnant André Wüstner bescheinigt in der Tageszeitung „Die Welt“ der Bundeswehr eine katastrophale Einsatzbereitschaft.
Bei der Luftwaffe gibt es nach wie vor u.a. Probleme mit Hubschraubern und großen Transportmaschinen. Vor einigen Tagen konnten Soldaten von ihrem Mali-Einsatz nicht in die Heimat zurückkehren, weil die vorgesehene Transportmaschine einen Defekt aufwies und erst in Afrika repariert werden musste. Ein Dauerbrenner ist auch der Hoffnungsträger A400M, eine innovative Transportmaschine, die das betagte System Transall ablösen soll. Vor einem Jahr musste sogar die Ministerin selbst bei ihrem geplanten Rückflug aus Litauen auf eine alte Transall umsteigen, weil bei der auf dem Hinflug benutzten A400M in Litauen Triebwerksprobleme auftraten. Immer wieder heißt es, dass die bei der A400M auftretenden Schwierigkeiten finanzierungsbedingt seien. Auf gut deutsch: möglicherweise wurde auch da zu Lasten der Qualität gespart …
Kann eine Ministerin, die für eine derartig heruntergekommene Bundeswehr mitverantwortlich ist, glaubwürdig sein? Vor allem, wenn sie auf der Sicherheitskonferenz mit Phrasen wie „Wir haben uns aufgemacht, eine Armee der Europäer zu schaffen“, die Konferenzteilnehmer zum peinlichen Schmunzeln bringt. Oder, eine weitere Stilblüte der Ministerin, „Deutschland steht zu seiner Verantwortung!“ Wie man bei der Bundeswehr sieht, ist das leider eben nicht so … Verantwortlich für das traurige Bundeswehr-Bild sind nicht die Mannschaften, Unteroffiziere und Offiziere, ja noch nicht einmal die Generalität/Admiralität – von den ergebenen Hofschranzen, die es leider immer gibt, einmal abgesehen!