Obwohl in jedem einzelnen Falle die Ausgangskriterien verschieden sind, dokumentieren sie eine gewisse Einfallslosigkeit. Beim Stahl gibt es in der Tat Probleme; es sind die geschaffenen Überkapazitäten durch die Chinesen, die mit Dumpingpreisen auf den europäischen Markt drängen. Doch dies ist nur die eine Seite der Medaille. Denn auch ThyssenKrupp hat in der Vergangenheit eifrig dazu beigetragen, Kapazitäten, etwa in Brasilien (inzwischen wurden diese wieder mit enormen Verlusten verkauft), aufzubauen. Andererseits behauptet sich aber der österreichische Stahltechnologiekonzern Voestalpine als Nischenplayer – Überkapazitäten hin, Überkapazitäten her – recht erfolgreich im Stahlbusiness. Mit einer hohen Material- und Verarbeitungskompetenz verdienen die Österreicher mit einem immerhin keineswegs kleinen Umsatz von über 11 Milliarden Euro rund um Stahl seit Jahren gutes Geld! Weshalb hat ThyssenKrupp mit Stahl Probleme und die Österreicher eben nicht? Vor Jahren wollte übrigens ThyssenKrupp einmal Voestalpine übernehmen!
Vorbild Voestalpine
Voestalpine-Chef Eder hat im Gegensatz zu ThyssenKrupp rechtzeitig die richtigen Weichen für die Unternehmensentwicklung des Stahlkonzerns gestellt. Marktfähige Produkte im Qualitätsbereich anbieten und Systempartner in Sachen Stahl für z.B. die Automobilindustrie sein – dies war und ist das Erfolgsrezept von Voestalpine. ThyssenKrupp hingegen dachte und denkt offensichtlich immer noch beim Stahl in Tonnen und sieht offensichtlich seine Zukunft vor allem im boomenden Aufzugsgeschäft und als Komponentenhersteller wie Nockenwellen, Achsmodule oder Dämpfungssysteme. Stahl mutierte bei den Essenern zum Stiefkind, obwohl gerade das Produkt Stahl eine hohe Querschnittsfunktion für alle anderen Erzeugnisse von ThyssenKrupp hat. Stahl war schon immer auch ein langfristiges zyklisches Geschäft – einmal boomend, dann wieder Sorgenkind. Inzwischen macht ThyssenKrupp jedoch 75 Prozent seiner Umsätze mit Aufzügen, Technologien und dem Marineschiffbau (u.a. Brennstoffzellen U-Boote und Fregatten bzw. Korvetten).
Auch Siemens macht es sich mit seinem Bereich schienengebundene Mobilität zu einfach, wenn das Unternehmen auf die mit der Bahntechnik in die Weltmärkte drängenden Chinesen hinweist. Siemens hat in einer gewissen Naivität und Kurzsichtigkeit China durch „Blaupausen“ der Bahntechnik vor wenigen Jahren erst wettbewerbsfähig gemacht, obwohl das Unternehmen rechtzeitig gewarnt wurde. Dass die Chinesen zumindest so schnell zu einem Global Player und Wettbewerber im Bahnsektor wurden, dazu haben die Münchener mit beigetragen. Jetzt will Siemens die Bahnaktivitäten mit Alstom bündeln. Wird dies ein Ausstieg aus dieser Schlüsseltechnologie in Raten oder soll Alstom übernommen werden? Alstom wurde nach dem Verkauf seiner früheren Kernkompetenz Energietechnik an GE ein fast reiner Bahnhersteller (Hochgeschwindigkeitszüge, Lokomotiven, Regional- und Nahverkehrssysteme incl. Straßenbahnen) mit dem Anspruch eines Referenzunternehmens für französische Hightech-Produkte. Man darf daher gespannt sein, ob sich die „Grande Nation“ mit der Rolle eines Juniorpartners abfindet, sollten Siemens und Alstom ihre Bahntechnik zusammenlegen. Mit dem Abspalten und Einbringen in neue gemeinsame Gesellschaften ist dies so eine Sache: Das Beispiel der ehemaligen Siemens-Aktivität Osram (Lichttechnik) hat ja die Entwicklung gezeigt. Plötzlich war Siemens Juniorpartner.
Hauptsache verkauft
Sehr unlogisch erscheint auch der jetzt angekündigte Verkauf des noch bei Eon verbliebenen Aktienpaketes von fast 47% an der Uniper SE (der Rest befindet sich im Streubesitz) an das finnische Unternehmen Fortum, das zu 50,76% dem finnischen Staat gehört. Was soll das relativ kleine Unternehmen – 3,6 Milliarden Euro Umsatz in 2016 – mit dem Koloss Uniper, der gut zehnmal größer (gemessen am Umsatz) ist, anfangen? Bereits der schwedische Versorger Vattenfall hat ja seine thermischen Energieerzeugungskapazitäten in Deutschland wieder veräußert. Sind die Finnen lediglich an der Wasserkraft von Uniper interessiert? Eon-Chef Johannes Teyssen, dessen Vertrag als Konzernchef vermutlich verlängert wird, muss sich Fragen gefallen lassen. Eine Strategie „Hauptsache verkauft“ ist jedenfalls zu einfach. Dies hörte sich vor zwei Jahren, als das neue Unternehmen Uniper gerade von Teyssen als gute zukunftsfähige Gesellschaft gefeiert wurde, noch ganz anders an.
Alle drei „Fälle“ – so unterschiedlich sie auch sind – beweisen zweierlei: Tatsächlich dreht sich wieder das Unternehmenskarussell mit Strategien, die keinesfalls überzeugen. Unternehmerische Verantwortung sieht anders aus.