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Macron sollte eine Erfolgsgeschichte nicht belasten:

Die deutsch-französische Freundschaft, dokumentiert durch den Élysée-Vertrag vom 22. Januar 1963, wurde zum Eckpfeiler Europas. Der neue Präsident Macron darf den Partner Deutschland nicht durch eine Schuldenunion überfordern. Die deutsch-französische Freundschaft, dokumentiert durch den Élysée-Vertrag vom 22. Januar 1963, wurde zum Eckpfeiler Europas. Der neue Präsident Macron darf den Partner Deutschland nicht durch eine Schuldenunion überfordern. © Bundesarchiv, B 145 Bild-P106816 / Unknown / CC-BY-SA 3.0

Deutschland und Frankreich

Ähnlich der berühmten „Special Relationship“ zwischen den USA und dem Vereinigten Königreich (nach wie vor eine wichtige Grundlage der amerikanisch-britischen Politik), ist die deutsch-französische Freundschaft spätestens seit dem Élysée-Vertrag vom 22. Januar 1963 die Grundlage der engen Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Frankreich und der Eckpfeiler der europäischen Entwicklung nach dem 2. Weltkrieg. Der enge Schulterschluss ist erfreulicherweise zwischen Deutschen und Franzosen unbestritten.

Die Väter der Aussöhnung waren der französische Staatspräsident General Charles de Gaulle und Bundeskanzler Konrad Adenauer. Es war ein Glück der Geschichte, dass die beiden Senioren auch persönliche Freunde wurden. Vielleicht, die Untersuchung darüber wird wohl eine Jahrhundertaufgabe späterer Historiker werden, haben die „Atlantiker“ der deutschen Politik im zeitlichen Umfeld des Abschlusses des Élysée-Vertrages eine große Chance verspielt: Vive l‘ union allemande-francaise, schrieb der große General auf ein Foto, das den Schreibtisch Adenauers zierte. Die Atlantiker waren deutsche Politiker, die dem Verhältnis zu den USA und den Briten damals eine Priorität vor Frankreich einräumten.

Union allemande-francaise

Hätte man – was de Gaulle zunächst ja wollte – damals einen gemeinsamen Staat Frankreich-Deutschland geschaffen, wäre nicht nur an Karl den Großen angeknüpft worden; es wäre ein starker europäischer Staat entstanden, der ein „Europa der Vaterländer“ angeführt hätte. Es ist leider anders gekommen, weil auf deutscher Seite die Atlantiker keine Weitsicht hatten. Dafür haben wir heute eine EU, bei der die wirtschaftlichen Grundlagen einiger Länder auch für eine gemeinsame Währung hinten und vorn nicht stimmen, wie das Beispiel Griechenland so traurig zeigt. Das Problem Griechenland wäre erst gar nicht entstanden, wenn die Griechen noch ihre Drachme hätten. Dann wäre das Land und seine Wirtschaft einfach wettbewerbsfähiger. Der Euro ist gut, aber nur für Länder, die wirtschaftlich zusammenpassen.

Es muss so weit ausgeholt werden, damit die heutigen Vorstellungen des neuen französischen Staatspräsidenten Macron relativiert werden. Denn letztendlich wird Deutschland mit Forderungen Macrons konfrontiert, die darauf hinauslaufen, den Geist des Élysée-Vertrages zumindest aus deutscher Sicht aufzuweichen. Was fordert Macron von den Deutschen? Im Grunde ein Bekenntnis zu einer Schuldenunion, er will ein europäisches Investitionsprogramm und einen Euro-Finanzminister. Nicht allen ist klar, worauf dies bei einer Realisierung hinauslaufen würde.

Macron will nichts anderes, als die Korrektur einer verfehlten französischen Wirtschaftspolitik der Vergangenheit durch den Zahlmeister Deutschland. Im Beiboot wären dann noch die „reichen“ Euro-Länder Niederlande und Finnland. Dieses Ansinnen führt zu Irritationen in Deutschland und könnte die EU spalten (Niederlande und Finnland). Bedenklich ist auch, dass Macron den deutschen Exportüberschuss allgemein kritisiert. Dies hat zwar auch der Amerikaner Donald Trump getan – aber sowohl Macron als auch Trump übersehen, dass die deutschen Exporterfolge nicht gottgegeben sind, sondern durch Leistung hart erkämpft wurden.

Keine neue Finanz-Architektur

Bayerns Finanzminister Markus Söder, ein Mann der für höhere Aufgaben geeignet erscheint, hat nun prompt einer Reform zu einer neuen europäischen Finanz-Architektur á la Macron eine Absage erteilt. Die enge Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich bedeutet nicht, Unzulänglichkeiten der französischen Politik zu tolerieren und dem deutschen Steuerzahler aufzubürden. Ein derartiges Verlangen wäre auch eine falsch verstandene deutsch-französische Freundschaft, zu der wir uns ausdrücklich bekennen.

Natürlich soll und will Deutschland seinem engsten Partner beistehen. Da gibt es auch verschiedene Szenarien – eine Schuldenunion gehört allerdings nicht dazu. Aber vorstellbar ist, dass Deutschland das Importvolumen aus Frankreich deutlich erhöht. 2016 betrugen die deutschen Exporte nach Frankreich 101,4 Milliarden Euro. Damit stand der „Kunde“ Frankreich an zweiter Stelle nach den USA, die noch mehr deutsche Güter abnahmen. Auf der anderen Seite importierte Deutschland 2016 aus Frankreich „nur“ Waren im Wert von 65,7 Milliarden Euro. Da besteht in der Tat eine Schieflage Exporte/Importe zu Lasten Frankreichs. Da hat Macron Recht! Deutschland könnte die Unausgewogenheit im Außenhandel mit Frankreich angleichen, indem es z.B. die Importe aus China reduziert und dafür wie bereits erwähnt, mehr Waren aus Frankreich abnimmt. Zusätzlich muss aber Frankreich anderseits seine Exporte durch die Entwicklung neuer Absatzmärkte erhöhen. Dies ist nicht leicht – aber machbar, denn Frankreichs Industrie hat viel zu bieten.

Eigene Kräfte bündeln

Leistungs- und konkurrenzfähige Produkte aus Frankreich für die weltweiten Märkte sind sehr wohl vorhanden. Frankreich hat zahlreiche erstklassige Industrie-Unternehmen, die zum Teil sogar besser aufgestellt sind als die deutschen Firmen. Pharmaprodukte von Sanofi sind so ein Beispiel, Schneider Electric in der Automatisierung und Elektronik ein weiteres. Das 1665 gegründete Unternehmen Saint Gobain erwirtschaftete mit 173.000 Beschäftigten 2016 einen Umsatz von 39,1 Milliarden Euro und ein Vorsteuerergebnis von über 1,7 Milliarden Euro. Der Konzern ist auf verschiedenen Feldern wie Hightech- und Sicherheitsglas und anderen innovativen Baustoffen Weltmarktführer. Michelin, Total, Alstom, Renault und PSA (Peugeot und Citroen) kennt jeder – von den Luxusgüterherstellern LVMH oder L’Óreal ganz abgesehen. Safran (Aeronautik, Elektronik, Triebwerke) ist ein in der breiteren Öffentlichkeit unbekannter Weltplayer. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen. Im Gegensatz zu vielen deutschen Medienberichten ist Frankreich natürlich wettbewerbsfähig.

400.000 Arbeitsplätze in Deutschland

Vergessen wird zuweilen, dass zahlreiche französische Unternehmen in Deutschland ca. 400.000 Arbeitsplätze schufen: Sanofi, Michelin, Total (Raffinerien und Tankstellen), Alstom oder im Dienstleistungsbereich der Finanzkonzern AXA sind nur wenige Beispiele. Der zweitgrößte Luft- und Raumfahrtkonzern Airbus SE (früher das deutsch-französische Unternehmen EADS) hat heute seine operative Konzernzentrale in Toulouse und ist nach dem Rückzug des ehemaligen Aktionärs Daimler eine weitgehend französische Gesellschaft geworden und beispielsweise in Hamburg der mit Abstand größte industrielle Arbeitgeber. Opel erhielt eine neue Chance durch das Engagement der PSA-Gruppe.

Die deutschen Medien pflegen leider – vielleicht weil redaktionelle Kompetenzen abgebaut wurden und dadurch möglicherweise Kompetenzen fehlen – ein „French-Bashing“; das negative Berichten über den Nachbar Frankreich unter den Stichworten Front National, Anschläge, Banlieues. Frankreich ist aber weitaus mehr mit seiner hochentwickelten Infrastruktur (TGV) und einer Spitzenforschungslandschaft quer durch das ganze Land. Frankreich verkörpert aber auch liebenswerte Dinge wie Essen (die französische Esskultur wurde zum Weltkulturerbe), Cote d’Azur, Baguette, Wein, Käse – kurz das Leben „wie Gott in Frankreich“.

Weil wir also Frankreich so schätzen, darf die deutsch-französische Freundschaft nicht belastet werden.

 

Letzte Änderung am Mittwoch, 07 Juni 2017 16:45