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La Tricolore in Rüsselsheim

La Tricolore in Rüsselsheim Opel

Flaggenwechsel bei Opel

Opel ist immer noch eine Traditionsmarke und eine wirtschaftliche Institution respektive ein Standort- und Wirtschaftsfaktor, insbesondere in Rüsselsheim, dem Sitz des Unternehmens. So weit, so gut. Das 1882 gegründete Unternehmen hat Höhen und Tiefen – die Tiefen keineswegs nur in den vergangenen Dekaden – erlebt. Ende der zwanziger Jahre des vorigen Jahrhunderts war man als Autoproduzent sogar deutscher Marktführer. Die Familienfirma expandierte. Doch (damit wären wir bei den ersten Tiefen) mit der 1929 einsetzenden Weltwirtschaftskrise war die Familie Opel als Alleininhaber der Autofabrik überfordert. Zu allem Unglück waren damals infolge einiger Todesfälle in der Familie noch enorme Erbschaftssteuern zu verkraften. Kurz: Die Firma Opel stand 1929 finanziell vor dem Aus. Die Familie konnte es allein nicht mehr schaffen.

Die Rettung kam aus Amerika und hieß General Motors (GM). Ohne GM hätte Opel die Weltwirtschaftskrise nicht überlebt – die Kapitaldecke der Familie war zu dünn. Dies nur, weil heute zuweilen Stimmen den Eindruck vermitteln, dass an allem Übel bei Opel die Amerikaner schuld seien. Dies ist ausdrücklich nicht so. Jedenfalls wurde 1929 Opel nach dem Verkauf durch die Familie amerikanisch, aber immerhin hat GM sogar die Identität als „deutsches Unternehmen“ bestehen lassen. Viele Käufer der Fahrzeuge mit dem Blitz wussten selbst noch nach dem 2. Weltkrieg nicht, dass Opel komplett eine Tochtergesellschaft von GM war. Diese historischen Anmerkungen vor dem Hintergrund des jetzt stattfindenden Eignerwechsel bei Opel.

Die Geduld war zu Ende

Nun wird, wenn die behördlichen Genehmigungen vorliegen, wovon auszugehen ist, Opel demnächst französisch, d.h. eine Tochter der französischen PSA-Gruppe. Die Geduld von GM war bei der Tochter Opel einfach zu Ende. Entgegen den Unternehmensplanungen schrieb Opel im Geschäftsjahr 2016 erneut rote Zahlen. Der Verlust von 241 Millionen Euro war aber nur das berühmte „i-Tüpfelchen“. Seit 18 Jahren – also weit vor der zweiten großen Finanzkrise 2008/2009 – erzielten die Rüsselsheimer keinen Gewinn mehr. Nicht jeder Eigner hätte so lange zugeschaut. Immerhin hatte die neue oberste Konzernchefin von GM, Mary Barra, noch zu Beginn des Jahres 2016 ein klares Bekenntnis zu Opel, verbunden mit erheblichen Investitionen in neue Produkte und Werke, abgelegt. Aber nach dem erneuten Verlust musste Barra nach 88 Jahren in Rüsselsheim die Reißleine ziehen.

Für Opel ist dies dennoch tragisch, denn die Führungscrew um den seit vier Jahren amtierenden Opel-Chef Karl-Thomas Neumann hat die Traditionsmarke vom verstaubten Image befreit und neue marktfähige Modelle auf die Straße gebracht oder bestehende Modelle aufgewertet. Beispiele dafür sind der neue Astra, immerhin Auto des Jahres 2016, der modifizierte Insignia, das jugendliche Kultauto Adam, der neue Mokka und, und, und. Eigentlich ging Neumann davon aus, für 2016 erstmals schwarze Zahlen zu schreiben. Doch dann wurden die Kunden durch die Dieseldiskussionen – eigentlich eine Hatz – verunsichert. Eine Nichregierungsorganisation (NRO) erhob schwere Vorwürfe gegen das für Opel so wichtige Auto Zafira. Letztendlich bleibt es offen, ob Opel ohne die unseligen Diskussionen um den Diesel 2016 die Gewinnzone erreicht hätte. Die Würfel sind gefallen. Opel wird französisch.

Auch PSA „erzielte“ gewaltige Verluste

Ob demnächst, wenn PSA auch formal Eigner bei Opel ist, alles besser – auch für die Beschäftigten – wird und die Rüsselsheimer endlich aus dem Jammertal kommen, bleibt noch eine offene Frage. Zwar erreichte PSA im Geschäftsjahr 2016 bei einem Umsatz von 54 Mrd. Euro einen Gewinn von 1,73 Mrd. Euro, doch ist dies im Vergleich zur französischen Konkurrenz Renault bescheiden. Renault erzielte – eben falls 2016 – mit 3,4 Mrd. Euro gegenüber PSA den doppelten Gewinn und dies mit einem kleineren Umsatz von 51,2 Milliarden Euro. Auch darf nicht vergessen werden, dass PSA auch nicht gerade vor Kraft strotzt. Ohne die Kapitalbeteiligung des französischen Staates und des chinesischen Konkurrenten Dongfeng bei PSA wäre es sehr kritisch geworden. Der Einstieg des Portugiesen Carlos Tavares als Sanierer und neuen PSA-Konzernchef war dringend geboten. In den Geschäftsjahren 2012, 2013 und 2014 war PSA selbst ein Sanierungsfall. Es musste in den drei genannten Jahren ein kumulierter Verlust von über 8 Mrd. Euro verkraftet werden.

Insgesamt zahlen die Franzosen für die Marken Opel und Vauxhall sowie für einen Anteil an einer Finanzierungsgesellschaft 1,8 Mrd. Euro. Dies ist vielleicht vordergründig für die Opel-Gruppe, die insgesamt 38.000 Menschen in sieben Ländern beschäftigt, nicht viel. Doch PSA-Chef Tavares ist Realist. Das pure Zusammenzählen von Umsatzzahlen allein ist an sich noch kein Wert. Gewiss können einige Fixkosten – auch Entwicklungskosten – umgelegt bzw. gespart werden, aber es ist eine regelrechte Herkulesarbeit zu erledigen, um Opel in einer überschaubaren Zeitachse in die Gewinnzone zu bringen. Bei einer Pressekonferenz in Paris kündigte PSA-Konzernchef an, nach der Opel-Übernahme jährlich 1,7 Mrd. Euro einsparen zu wollen. Bis 2020 soll dann Opel profitabel sein. Es wird wohl ohne einen Personalabbau nicht gehen. In Deutschland beschäftigt Opel 19.000 Mitarbeiter(innen). Gleichzeitig muss weiterhin in die Modellpflege investiert werden.

Was wird nach 2018?

Zwar sind bis Ende 2018 die Beschäftigten bei Opel geschützt. Aber was sind noch nicht einmal zwei Jahre? Was dann? Welche Strategie soll bei Opel umgesetzt werden, um dem Unternehmen eine langfristige Perspektive zu ermöglichen? Ein Kompetenzzentrum Elektrofahrzeuge wird beispielsweise für Opel kurz- und mittelfristig keine Wunder erbringen. Dies sind populistische Momentstrategien – mehr nicht. Dies sollte gerade ein Unternehmen wie Opel wissen, denn auf die Politik – siehe Diesel – ist kein Verlass. Sie kapituliert immer vor der gerade „richtigen Meinung“ selbsternannter Fachleute aus den ideologisch gesteuerten Nichtregierungsorganisationen. Jahrelang hat die Politik im Dieselantrieb die notwendige und daher zu fördernde Technologie gesehen, um die Emissionen zu reduzieren. Opel hat daher moderne Dieselmotoren entwickelt. Heute ist der Diesel völlig zu Unrecht am Pranger.

Der Elektroantrieb ist derzeitig vor allem in Deutschland ein umweltpolitischer Hype, mehr nicht. Und dieser Hype ist sogar umweltpolitisch bedenklich. Der Strom für das Laden der Batterien muss ja schließlich produziert werden. Lange wurde gerade durch politische Vertreter das Einsparen von elektrischer Energie gefordert. Nach dem Motto, was interessiert das dumme Geschwätz von gestern, gilt jetzt wieder das Gegenteil… Auch die Produktion der Batterien ist eine enorme umweltpolitische Herausforderung. Ob sich der Elektroantrieb trotz der derzeitigen Förderung in Deutschland bei den Käufern durchsetzen wird, ist derzeit noch längst nicht ausgemacht. Nach wie vor ist das Reichweitenproblem und die notwendige Ladeinfrastruktur in Deutschland nicht gelöst. Aber dies wäre noch in einer gewissen Zeitachse zu lösen. Autos können aber nicht nur für einen gerade populären Aktionismus in Deutschland produziert werden. Solange der Elektroantrieb noch nicht einmal europäisch harmonisiert wird, kann man Elektrofahrzeuge etwa im grenzüberschreitenden Urlaubsverkehr vergessen. Wer kauft schon ein Fahrzeug, mit dem er noch nicht einmal an die Adria kommt? Wichtige zentrale Märkte denken im Traum nicht daran, dem Elektroantrieb eine Priorität einzuräumen.

Hinzu kommt, dass es neben dem Elektroantrieb noch andere Alternativen gibt, die man optimieren kann, etwa den Wasserstoffantrieb oder auch umweltfreundliche Gasfahrzeuge. Es wäre also geradezu für einen Autohersteller gefährlich und leichtsinnig, einseitig auf eine Technologie zu setzen, die sich möglicherweise international nicht durchsetzt.

Unglückliche Erfahrungen mit französischen Partnern

Alles in allem wird auch PSA bei Opel nicht zaubern können und als Nischenmarke in Deutschland, wo PSA unterbelichtet ist, ist Opel zu groß. Mit französischen Partnern hat Deutschland im Unternehmensbereich nicht immer die besten Erfahrungen gemacht, wenn nur an die angebliche Fusion unter Gleichen zwischen der ehemaligen deutschen Industrieikone Hoechst mit dem französischen Unternehmen Rhone-Poulenc erinnert werden darf. Unter dem neuen Namen Aventis spielte ganz schnell die Musik französisch – die Zentrale kam nach Straßburg. Längst gibt es auch Aventis nicht mehr. Heute sind die Aktivitäten bei Sanofi, dem größten französischen Pharmakonzern mit Sitz in Paris gebündelt. Auch der traditionsreiche Turbinen- und Generatorenstandort Mannheim (früher die ruhmreiche BBC bzw. ABB) wurde nach der Übernahme durch Alstom nicht glücklich. Inzwischen hat Alstom die Energieerzeugung an GE verkauft – Zukunft des Standortes Mannheim offen. Nur nebenbei: BBC beschäftigte einmal in Mannheim 10.000 Menschen.

 

Zumindest vorläufig wird jetzt aber bei der Opel-Zentrale in Rüsselsheim La Tricolore wehen. Es wäre Opel und den Beschäftigten zu wünschen, dass dies so auch für eine längere Zeit so bleibt. Ob es 88 Jahre – wie bei General Motors – werden, darf freilich bezweifelt werden.

Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag