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Katerstimmung nach den Landtagswahlen

Katerstimmung nach den Landtagswahlen Landtag BW

Denk ich an Deutschland in der Nacht …

Viele Deutsche – keineswegs nur die bisher beschimpften AfD-Wähler – beschleicht ein mulmiges Gefühl. Frei nach Heinrich Heine’s Nachtgedanken (Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht), könnte man auch abweichend formulieren: Denk ich an Merkel in der Nacht, sind große Zweifel an Deutschlands Zukunft angebracht! Die Kanzlerin und politische „Hofschranzen“ (vor allem Altmaier, Kauder, von der Leyen sowie „geneigte“ Kommentatoren) kapieren es trotz des für die etablierten Parteien katastrophalen Ausganges der Landtagswahlen in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt noch nicht: Immer mehr Bürger wenden sich von der Kanzlerin und ihrer Politik ab. Das konservative Lager, früher Domäne der Union, hat dank Merkel, unter deren Leitung die CDU zu einer Art bürgerliche SPD abdriftete, keine politische Heimat mehr.

In der Europapolitik wenden sich die EU-Partner gegen die Sturheit (und Verblendung) der Kanzlerin. Ausländische Leitmedien wie die „Neue Zürcher Zeitung“ (Kommentar von Markus Ackeret) oder die „New York Times“ (Kommentar von Ross Douthat) zweifeln an der Strategie der Kanzlerin, weil ihr, außer einer europäischen Lösung und einem Pakt mit der Türkei offensichtlich zu aktuellen innenpolitischen Problemstellungen nichts mehr einfällt.

Ein entschiedenes „Nein, Deutschland schafft es leider nicht“, alle möglichen Herausforderungen der Welt zu lösen, kommt der Kanzlerin partout nicht über die Lippen. Weil die Menschen an der Basis durchaus zwei und zwei zusammenrechnen können und sich Sorgen um ihre Enkelkinder und um die Zukunft Deutschlands machen – deshalb liefen sie jetzt in Scharen der Union, der SPD und – die Ausnahme Baden-Württemberg ist lediglich der honorigen Persönlichkeit Kretschmann geschuldet – den Grünen davon. Die Entwicklung, weg von den etablierten Parteien, wird noch zunehmen, wenn nicht gestandene Männer und Frauen in der Union aufstehen und Frau Merkel das Misstrauen aussprechen. In diesem Jahr werden weitere Wahlen in Deutschland stattfinden …

Die bisherigen Rezepte, große Teile der Wähler zu beschimpfen, laufen ins Leere. Es gilt auch nicht, jetzt, wie Medien schon wieder schreiben, die AfD in den Landtagen zu entzaubern. Sie wird trotz der jetzigen Erfolge Opposition sein. Als Oppositionspartei soll und muss sie Fehler aus ihrer Sicht aufzeigen und den Finger in die Wunde legen. Oppositionsparteien, egal wer sie sind, haben die wichtige Aufgabe der Kritik. Da gibt es nichts zu entzaubern, denn die Regierung hat zu gestalten und muss Problemstellungen lösen – nicht die Opposition. Auch bisher hat die gescholtene AfD vor allem Fragen gestellt, die offenbar – siehe Wahlergebnisse – nicht zufriedenstellend vom politischen Establishment beantwortet wurden.

Fragen, Fragen…

Wie steht es mit der nationalen Sicherheit und bei der Bekämpfung des internationalen Terrors in Deutschland, wenn Menschen unkontrolliert in unser Land kommen? Wie sollen viele Hunderttausende zuwandernde Menschen in den Arbeitsprozess integriert werden, wenn sie entweder unsere Sprache nicht lernen wollen oder nicht lernen können? Welche Firmen stellen – bitte konkret – überhaupt und in welcher Anzahl Zuwanderer aus Syrien, Afghanistan, aus afrikanischen Ländern und woher auch immer, ein? Wer finanziert unser Krankenkassensystem, wenn Hunderttausende Zuwanderer ärztliche Leistungen in Anspruch nehmen müssen? Das Geld fällt ja nicht vom Himmel. Natürlich wissen die Bürger, dass sie als Steuerzahler letztendlich zur Kasse gebeten werden. Gewiss ist – noch – Deutschland ein leistungsstarkes Land. Aber auch gute Volkswirtschaften stoßen an ihre Grenzen. Die Bürger fragen auch, weshalb reiche Nationen am Golf (siehe Saudi Arabien) sich so „vornehm“ bei der Aufnahme von Menschen aus ihrem Kulturkreis zurückhalten. Sie wollten ihr Land nicht destabilisieren, heißt es …

Die Bürger und Wähler in Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt haben diese Fragen gestellt. Leider wurden sie von den Medien, was ihre Aufgabe wäre, nicht aufgegriffen. Natürlich will Deutschland helfen, und dies tun wir ja auch. Aber helfen kann man nur, wenn man leistungsfähig bleibt. Es kann und wird auch keine europäische Lösung der derzeitigen Probleme geben. Frankreich hat eigene Schwierigkeiten. Die Briten schotten sich ab, desgleichen die Skandinavier. Die Osteuropäer – Polen, Tschechien, die Slowakei und Ungarn – lehnen gleich von vornherein eine Merkel’sche Lösung ab.

Neue Parteienstruktur

Die Unionsparteien stehen vor einer Zerreißprobe, die SPD erreicht ihre Stammwähler nicht mehr und verkümmert – siehe Baden-Württemberg und Sachsen-Anhalt – fast schon zur Sektiererpartei. Im deutschen Südwesten mit den bedeutenden Industriemetropolen Stuttgart und Mannheim (beide Städte haben immer noch eine starke Arbeitnehmerbasis) erreichte die SPD traurige 12,7% und ist nur noch – man muss sich dies einmal vorstellen – viertstärkste Partei. Einen historischen Wahlbezirk, den nach dem 2. Weltkrieg immer die SPD gewann, Mannheim-Nord, hat die Partei jetzt verloren. Selbst in Rheinland-Pfalz sind die von der SPD-Führung gelobten Ergebnisse der Partei eigentlich nur noch ein Abglanz der einstigen Spitzenwerte unter dem langjährigen Ministerpräsidenten Kurt Beck. Man ist bescheiden geworden.

Auch die Grünen wurden in den Landtagswahlen zurechtgestutzt. In Rheinland-Pfalz und in Sachsen-Anhalt mussten sie sogar um den Einzug in die Landtage bangen. Jeweils mit knapp über fünf Prozent, landete die Partei an fünfter Stelle. Lediglich in Baden-Württemberg konnten die Grünen dank der Ausnahmeerscheinung eines allseits beliebten „Landesvaters“ Kretschmann überzeugen – aber selbst da ist der Preis hoch, weil Kretschmann, sollte sich die CDU verweigern, jetzt sogar zusätzlich zwei Parteien (SPD und FDP) für die Regierung braucht. Das kann noch heiter werden, wenn die Liberalen selbstbewusst ihre Bedingungen präsentieren. Kretschmann hat es, als sich die Parteifreunde noch am Wahlabend berauschten, schnell erkannt.

Von zentraler Bedeutung jedoch wird nun bundesweit sein, wie sich vor allem die CDU entwickelt. Sie muss ein klares Profil zeigen. Noch betont die Schwester CSU unter dem Strich Geschlossenheit. Wie lange noch? Spätestens nach der nächsten Bundestagswahl – dann werden offene Rechnungen beglichen – ist die CDU auf ihre Schwester wieder dringend angewiesen, will sie nicht zur Bedeutungslosigkeit verkommen. Die Menschen fragen sich aber jetzt: Für was steht die CDU heute? Rennt sie dem Merkel’schen Zeitgeist hinterher und lässt sich von der Meinung des Mainstream und vereinzelter Nichtregierungsorganisationen beeinflussen oder zeigt sie endlich wieder klar Kante als Partei der Mitte? Derzeit ist noch nicht einmal klar, ob sie den „Firmennamen christlich“ verdient. Noch behaupten die „Hofschranzen bei Hofe“ im Bundeskanzleramt und in der Unionsfraktion, dass es zu Merkel keine Alternative gäbe. Wer soll es machen, so heißt es? Wenn sich die CDU beim Vorhandensein von Führungspersonal so klein macht, dann ist dies ein Armutszeugnis. Abgesehen davon wäre es die Aufgabe der Parteivorsitzenden Merkel gewesen, künftige Führungskräfte aufzubauen.

Uniform und austauschbar

Die CDU war einmal als Partei die Heimat sowohl liberaler als auch konservativer Kreise gewesen. In ihr hatten Angestellte, Beamte, Dienstleister wie Rechtsanwälte, Steuerberater oder Mediziner, Handwerker und Mittelstand, Geschäftsleute, Unternehmer und selbst – ja – Kreise aus der Arbeiterschaft eine politische Heimat. Hingegen waren im alten Rollenverständnis die SPD und die Grünen ein Anker der Intellektuellen, Lehrer, Künstler und Umweltfreaks. Klassische Arbeitnehmerpartei, z.B. für den braven Malocher an Rhein und Ruhr, war die SPD. Doch diese Zuordnungen gelten offenbar nicht mehr. Auch die Sozialdemokratie muss sich wieder auf ihre stolze Geschichte besinnen. Die ehemaligen großen Volksparteien, Unionsparteien und SPD, sind leider austauschbar geworden. Auch deshalb wollen die Wähler eine Alternative.

Letzte Änderung am Mittwoch, 19 April 2017 15:08
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag