Und die moralische Legitimation des „Sieges“ bei der Landtagswahl 2011 ist ja klein, wenn man berücksichtigt, dass die CDU von 70 Wahlkreisen 60 direkt gewonnen hat. Das Gerede von Kretschmann im „Bild am Sonntag“-Interview lässt jedenfalls vermuten, dass Grün-Rot das erste und gleichzeitig das letzte Mal in einer Zwischenepisode Baden-Württemberg regiert, sofern die geplante Koalition überhaupt durchhält…
Was hat Kretschmann konkret geantwortet? Auf die Frage „Werden Sie als erster Ministerpräsident von Baden-Württemberg sagen: Es ist besser, wenn wir weniger Autos verkaufen?“, erklärte er „Weniger Autos sind natürlich besser als mehr.“ Und dies vor dem Hintergrund, dass die Interviewer ihre Frage mit dem Hinweis verbanden, dass alle Vorgänger als Regierungschef in Baden-Württemberg über jedes Auto, das im Südweststaat mehr produziert wurde, stolz waren. Und auch Porsche (eine Qualitätsinstitution für Baden-Württemberg und Deutschland insgesamt) bekam Fett ab: Porsche und Mobilitätskonzepte seiner Partei, so Kretschmann, passten nicht zusammen.
Nun, zumindest im Falle Porsche kann dem künftigen Grünen-Ministerpräsidenten geholfen werden. Der neue Porsche Cajun wird in Leipzig gebaut; Porsche wird dort weitere 1.000 Arbeitsplätze in einem neuen Werk schaffen. Leipzig und der Freistaat Sachsen freuen sich. Derzeit kämpft Porsche-Konzernbetriebsrat Uwe Hück auch für einen weiteren Ausbau des Stammwerkes Stuttgart-Zuffenhausen (ca. 5.500 Beschäftigte), Herz und Seele von Porsche. Wenn natürlich unter einem Grünen-Ministerpräsidenten Kretschmann Porsche im „Ländle“ nicht mehr willkommen ist, hat es der brave Hück schwer, das Management vom Standort Zuffenhausen zu überzeugen.
Wäre das „Gschwätz“ von Kretschmann nicht so unsinnig, landesschädlich und somit kontraproduktiv, könnte man getrost zur Tagesordnung übergehen. Aber dem ist nicht so. Baden-Württemberg ist das Autoland. Carl Benz in Mannheim und Gottlieb Daimler in Stuttgart haben das Auto erfunden. Sowohl der „Benz“, wie die Mannheimer sagen, als auch der „Daimler“ in Stuttgart und im benachbarten Sindelfingen sind die wichtigsten Arbeitgeber in den beiden baden-württembergischen Zentren. Weitere Werke befinden sich in Gaggenau und Rastatt. Hinzu kommt die Daimler-Tochtergesellschaft EvoBus mit ihrem Hauptwerk, ebenfalls in Mannheim.
Eine weitere Trumpfkarte der Autoindustrie in Baden-Württemberg ist der Audi-Produktionsstandort Neckarsulm bei Heilbronn, der auf eine über 100jährige stolze Geschichte zurückblicken kann (NSU). Gut 14.000 Mitarbeiter(innen) stellen heute am Traditions-Standort in modernsten Fabriken insbesondere die Premiumautomobile Audi A8, A7 und A6 her.
Aber das Autoland Baden-Württemberg wird auch von den großen Systemhäusern rund um das Auto inklusive Motor geprägt. Die Firma Robert Bosch ist als weltweiter Innovations- und Technologieführer untrennbar mit dem Automobil verbunden und geradezu der Ausbund eines erfolgreichen Weltkonzerns mit den Wurzeln in Stuttgart bzw. Stuttgart-Feuerbach. Der Stuttgarter Konzern beschäftigt weltweit 284.000 Mitarbeiter und erzielte im Gj. 2010 mit einem Umsatz von 47,3 Milliarden Euro ein Vorsteuerergebnis von 3,5 Milliarden Euro. Fast 60% der Bosch-Aktivitäten entfallen auf den Bereich Kraftfahrzeug-Technik. Nahezu alle Innovationen, die das Auto sparsamer und umweltfreundlicher machen, stammen von Bosch. Das Familien-Unternehmen, Gesellschafter sind die Bosch-Stiftung und die Familie Bosch, wäre als Aktiengesellschaft eines der wertvollsten Unternehmen der Welt. Bosch zeigt sich seiner baden-württembergischen Stammheimat durch Investitionen immer wieder verbunden. So floss die größte Einzelinvestition der letzten Zeit, 600 Millionen Euro, in die Kraftfahrzeugtechnik mit der Fertigstellung der Halbleiterfabrik für 200-mm-Wafer in Reutlingen. Ein Bekenntnis zum „Ländle“. Die neue grün-rote Landesregierung könnte sofort „einpacken“, wenn die Automobilindustrie Baden-Württembergs künftig entsprechende Großinvestitionen am Lande vorbei in andere Standorte lenken würde.
Und natürlich könnte man noch eine ganze Reihe baden-württembergischer Asse und Weltfirmen rund um den Bereich Systeme für das Auto nennen: ZF, als führendes Unternehmen der Antriebs- und Fahrwerktechnik, ist weltweit der Kompetenzpartner für die Autofabriken. Auch ZF ist trotz aller Aktivitäten rund um den Erdball heimatverbunden und investiert rechtzeitig zum Firmenjubiläum 2015 in eine futuristische „Wissenswerkstatt“ in Friedrichshafen. Dies könnte das Unternehmen nicht mehr tun, wenn es politisch „madig“ gemacht wird. Ein Aufruf, weniger Autos in Baden-Württemberg zu produzieren, ist auch da kontraproduktiv. Weitere Weltplayer mit Stammsitz in Baden-Württemberg sind Voith mit seinem Geschäftsbereich Turbo (Motorenkomponenten), Mahle und Behr, jeweils in Stuttgart, als Entwicklungspartner der Motoren- und Fahrzeugtechnik und der Motorkühlung, Eberspächer mit Sitz in Esslingen vor allem als Systemhaus für Fahrzeugheizungen oder der Weinheimer Familienkonzern Freudenberg mit seinem wichtigen Bereich Automotive u.a. mit Dichtungs- und Schwingungstechnik sowie Filter.
Ohne die Export- und Steuerkraft der baden-württembergischen Industrie rund um das Auto und ohne den Stellenwert der Branche als Jobmaschine könnte Kretschmann als Ministerpräsident seine Vorstellungen noch nicht einmal ansatzweise realisieren. Da dies unbestritten so ist, kann man nur hoffen, dass die Automobilindustrie Baden-Württembergs Kretschmanns Unsinn als solchen relativiert. Was soll das Gerede vom ökologischen Umbau der Autoindustrie? Die Industrie hat längst die Herausforderungen angenommen. Der Markt aber will Mercedes-Benz oder Porsche! Dies zeigen alle wichtigen Absatzmärkte. „Trabis“ können sich die Chinesen selbst bauen.
Die Grünen, und Kretschmann macht offenbar da keine Ausnahme, neigen gerne zur Selbstüberschätzung und zum Übermut (siehe Freie und Hansestadt Hamburg, wo sie abgestraft wurden). Die Stimmungslage ist ihnen derzeit aufgrund der Ereignisse in Japan gewogen, doch dies ändert sich auch wieder. In Baden-Württemberg war dann noch die außergewöhnliche Situation um Stuttgart 21, was ihnen in Stuttgart Zulauf verschaffte. Doch auf die Dauer kann man mit dem Postulat „Dagegenpartei“, Autofeindlichkeit, Kernenergie und Klima (unter diesem Stichwort überleben ganze Heerscharen angeblicher Klimatologen durch bewusste Übertreibungen) nicht bestehen. Politik ist schon etwas vielschichtiger. Irgendwann entscheidet dann doch der Geldbeutel, wenn die Bürger nicht mehr bereit sind, über Spielwiesen der Stromeinspeisung, etwa durch Photovoltaik, überteuerte Strompreise zu akzeptieren. Die Zeit kommt und zwar recht bald. Je übermütiger die Grünen werden, desto eher werden wir in Deutschland österreichische Verhältnisse bekommen. Dort regiert – von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen – grundsätzlich eine schwarz-rote oder wie derzeit eine rot-schwarze Koalition – auf jeden Fall eine Koalition der Vernunft unter Wahrung der Interessen eines Wirtschaftsstandortes.