Jürgen Todenhöfer, der nach 50 Jahren Parteizugehörigkeit (davon 18 Jahre Mitglied im Bundestag) die CDU verlassen hat, ist nicht irgendwer. Er war Richter und später langjähriger Topmanager beim internationalen Großverlag und Druckereikonzern seines Schulfreundes Hubert Burda, der heutigen Hubert Burda Media-Gruppe. Bekannt wurde er auch als erfolgreicher Buchautor (z.B. „INSIDE IS – 10 Tage im Islamischen Staat“). In den Islamischen Staat zu reisen, um dort mit IS-Kämpfern Interviews führen zu können – dazu gehörte unglaublich viel Mut. Todenhöfer ist aber im Gegensatz zu vielen Politikern und Abgeordneten kein „Sesselfurzer“; er wollte sich vielmehr vor Ort selbst ein Bild machen; beim Besuch des Islamischen Staats war damit ein persönliches Risiko verbunden.
Keine Ideologien
Immer noch ist Todenhöfer nach wie vor hervorragend vernetzt. Doch ein deutscher Bernie Sanders (in Anspielung auf das gemeinsame hohe Alter) möchte er nicht sein. Unbezahlbare linke Vorstellungen vom Zuschnitt des Amerikaners Sanders sind für ihn Utopie. Vergesellschaftungen und fundamentalistische Ideologien in Deutschland – egal ob von SPD, Linkspartei oder von den Grünen – lehnt er und seine junge Partei entschieden ab. Hart rechnet Todenhöfer insbesondere auch mit seiner ehemaligen CDU ab, deren „wirtschaftspolitische Kompetenz“ nur noch ein Schatten sei. Und schließlich habe auch die FDP keine klare Standortbestimmung.
Das kalendarische Alter seiner Person sieht Todenhöfer übrigens entspannt. Immerhin sei Adenauer noch mit 86 Jahren Bundeskanzler gewesen. Die Amerikaner haben jetzt den 78jährigen Joe Biden zum Präsidenten gewählt und der erwähnte Bernie Sanders ist das Idol der US-Jugend. Und selbst der 87jährige Giorgio Napolitano – er war einer der besten Staatspräsidenten Italiens – ließ sich zu einer zweiten Amtszeit überreden. Vielleicht brauchen wir mehr die Gelassenheit und Weisheit der „Elder Statesmen“. Allerdings, so Todenhöfer, habe die von ihm gegründete neue Partei das jüngste Führungspersonal. Das Team Todenhöfer will eine gute glaubwürdige Alternative sein für Bürger, denen die etablierten Parteien zu stromlinienförmig oder austauschbar geworden sind.
Braucht Deutschland eine neue Partei?
Ist die Partei notwendig, hat sie eine Chance? Durchaus. Die neue Partei könnte viele Bürger(innen) aus dem Potential der „Nichtwählerpartei“ reaktivieren, die in den im Bundestag jetzt vertretenen Parteien tatsächlich kein glaubwürdiges Angebot mehr sehen. Man wählt beispielweise „bürgerlich“ und erhält dann aus puren Gründen des Machterhalts eine nicht gewollte Koalitionsregierung, bei der fundamentalistische und ideologische Vertreter beteiligt sind. Inzwischen hofiert z.B. Markus Söder die von ihm und seiner CSU noch vor nicht allzu langer Zeit heftig kritisierten Grünen als Partner für neue Regierungskonstellationen. Politische Glaubwürdigkeit sieht anders aus. Man sollte nicht jahrelang eine Partei verurteilen und dann, wenn es nicht mehr reicht, mit dem verteufelten „Feind“ paktieren.
Das Programm
Was aber will das „Team Todenhöfer – Die Gerechtigkeitspartei“ programmatisch anbieten? Die Partei bekennt sich zum Technologieland Deutschland und sagt ja zum Markt mit einer human orientierten Marktwirtschaft, in der der Stellenwert der menschlichen Arbeit und das Bekenntnis zur Natur im Vordergrund stehen. Das berühmte „Made in Germany“ (und keine Fortschrittsverweigerung) will Todenhöfer wieder beleben. Im Gegensatz dazu wird seiner Meinung nach „die deutsche Automobilwirtschaft, Rückgrat des deutschen Wohlstandes, von grünen Politikern geradezu lustvoll bekämpft“. Auch die deutsche Energie- und Klimapolitik müsse ehrlicher sein. Eine erfolgreiche Klimapolitik, so die These bei der Vorstellung des Parteiprogramms, will die neue Partei im Kontext einer globalen Umsetzung gestalten. In der E-Mobilität sieht Todenhöfer, zurecht übrigens, einen ideologischen Irrweg, der nichts bringt. Die Rohstoffsituation, die Arbeitsbedingungen beim Abbau in zum Teil instabilen Ländern und letztendlich auch die Entsorgung der Batterien sind Themen, die oft ausgeblendet werden. Seine neue Partei setzt hingegen bei der Mobilität der Zukunft auf den Einsatz von Wasserstoff und in der Übergangszeit auf klimaneutrale Treibstoffe. Würde man die derzeit weltweit 1,3 Milliarden „Verbrennerautos“ mit Methanol-Benzin und Methanol-Diesel fahren, könnte nach Ansicht der neuen Partei dem Klima wirkungsvoller geholfen werden. Auch wird den Menschen eingeredet – unisono leider ohne Kritik der etablierten Parteien –, dass eine Energiewende, viel mehr als lediglich die Bereitstellung von Elektrizität, bei einem gleichzeitigen Ausstieg aus der Kernenergie und Kohle erfolgreich sein könne. Die weltweite globale Entwicklung und insbesondere die Versorgungssicherheit bestätigt jedoch nach Ansicht vom Team Todenhöfer diese deutsche politische Einschätzung nicht.
Machterhalt verdrängt Ehrlichkeit
Das Team Todenhöfer will mehr Ehrlichkeit in den politischen Aussagen! Deshalb will die Partei eine Begrenzung der Mandatszeiten erreichen, weil die Politik offenbar nur am Machterhalt interessiert ist. Bei allen großen einsamen Entscheidungen – Energiewende, Migration, jetzt Corona-Maßnahmen (Todenhöfer leugnet die Gefahren der Pandemie keineswegs, vermisst aber ein klares allumfassendes Konzept) – habe es innerhalb der etablierten Parteien keine Opposition mit anderen Sichtweisen gegeben. Das will das Team Todenhöfer ändern. Nochmals; hat die Partei aber im kommenden Bundestagswahlkampf eine Chance? Wenn sie die angepeilten Zielgruppen aus dem Nichtwählerlager und enttäuschte Wähler der etablierten Parteien überzeugen und aktivieren kann, hat sie sogar gute Chancen. Freilich kann auch die neue Partei, so sie ihre ambitionierten Ziele erreicht, ihr Programm bei einer möglichen Regierungsbeteiligung nicht wortgetreu umsetzen. Im Rahmen einer Koalition müsste sie Kompromisse eingehen, es sei denn, sie würde ihre Rolle bewusst als kraftvolle Opposition sehen.
Der Anspruch der neuen Partei ist groß. Jetzt kommt es auf viel Überzeugungsarbeit an. Das Team muss bekannt werden. Doch wie sollen die Bürger respektive Wähler in diesen eingeschränkten Corona-Zeiten erreicht werden? Ein Wahlkampf, gerade für eine neue Partei, kostet viel Geld. Sie ist daher auf Spenden angewiesen, will aber, ein Spagat, andererseits Großspenden nicht annehmen. Es gab bereits in Österreich ein Vorbild, das „Team Stronach für Österreich“. Und diese Partei schaffte 2013 auf Anhieb den Einzug in den Nationalrat. Motor der Partei war der Großunternehmer und Milliardär Frank Stronach. Doch nach vier Jahren löste sich das „Team Stronach“ mit Hinweis auf das hohe Alter von Stronach wieder auf. Doch Insider haben berichtet, dass Stronach die Lust an seiner Partei verloren habe, als zu viele Emporkömmlinge Einfluss und Macht beanspruchten. Aus diesen Erfahrungen muss das Team Todenhöfer lernen. Doch zunächst will die Partei in den Bundestag kommen.