Entscheidungen an den Menschen vorbei
Es gibt viele Gründe. Immer noch – oder schon wieder – haben z.B. die Ostdeutschen das Gefühl, abgehängt zu sein, obwohl die Bilanz im Osten seit der Wiedervereinigung durchaus auf der Aktivseite viele positive Entwicklungen aufweisen kann. Aber nach wie vor droht Ostdeutschland von der Bevölkerung her auszudünnen. Das Land, so scheint es, ist für viele jüngere Bürger nicht mehr attraktiv. Die Menschen haben dort das Gefühl, das die großen Entscheidungen, etwa aktuell der bevorstehende Ausstieg aus der Braunkohle in der Lausitz, über ihre Köpfe durch ideologische Strömungen aus dem Westen Deutschlands vorgegeben werden. Teilweise durch politische Gruppierungen, die im Osten völlig bedeutungslos sind.
Die Ostdeutschen beurteilen die Gefahren des Verlustes ihrer Arbeitsplätze nach den bitteren Erfahrungen nach der „Wende“ aus guten Gründen für wichtiger, im Vergleich zu den derzeitigen dominierenden pessimistischen Klimadiskussionen, bis hin zum angeblich unmittelbar bevorstehenden Untergang der Erde. Die Bevölkerung im Osten Deutschlands – vor allem im Grenzbereich der Oder – registriert in der Energiepolitik das direkte Nachbarland Polen mit einer grundlegend anderen Sicht zum Klima und zur Kohle; die Ostdeutschen bemerken, im Gegensatz zu den deutschen Entscheidungen, das Bekenntnis der polnischen Regierung zur weiteren sauberen und sehr wohl möglichen Kohleverstromung. Bereits wenige Kilometer östlich der deutsch-polnischen Grenze entstanden und entstehen modernste Kohlekraftwerke, z.B. in Turow. Die Menschen in der Lausitz sehen deshalb einen Widersinn zum deutschen Ausstieg bei der mitteldeutschen Kohleverstromung mit modernsten Kraftwerksanlagen. Während in Ostdeutschland Arbeitsplätze vernichtet werden, geschieht auf polnischer Seite in der Stromerzeugung gerade das Gegenteil. Dies begreife wer will! Ostdeutsche Arbeitsnehmer spüren den real werdenden Verlust ihrer gutbezahlten Arbeitsplätze, ohne Aussicht auf wirkliche neue industrielle Beschäftigungsmöglichkeiten zu erkennen. Dies ist nur ein Beispiel der verständlichen Wut der Ostdeutschen auf die Politik.
Nach der Unterzeichnung des am 3. Oktober 1990 geschlossenen Einigungsvertrages sind inzwischen nach mehr als 29 Jahren immer noch fast keine Entscheidungszentralen deutscher Großunternehmen in Leipzig, Dresden, Halle, Chemnitz oder Magdeburg vorhanden. Zweifelsohne haben Unternehmen wie BMW, VW, Infineon oder DHL, um Beispiele zu nennen, unendlich viel Engagement in Mitteldeutschland mit zahlreichen Großinvestitionen gezeigt. Doch die großen Standortentscheidungen fallen im Westen Deutschlands, etwa wenn Siemens seinen Standort Görlitz (Turbinenherstellung) in Frage stellte. Unabhängig davon, ob derartige unternehmerische Planungen notwendig sind: Es ist die Abhängigkeit von westdeutschen Zenralen, die die Ostdeutschen beim Thema Arbeitsplätze spüren. Immer noch oder gerade wieder weisen sie daher auf eine gewisse „Siegermentalität“ des Westens, die freilich nicht zutreffend ist, hin. Es müsste daher eine völlig neue Kultur – wirtschaftlich und politisch – in Ostdeutschland realisiert werden.
Auch Gesamtdeutschland ist zerrissen
Doch die zerrissene Republik zeigt sich nicht nur im Osten, sondern auch in Gesamtdeutschland auf verschiedenen Feldern. Jung und Alt werden nicht zuletzt beim Thema der Sozialversicherung in eine Konfliktsituation gebracht. Alte Menschen driften in die Altersarmut und insbesondere Klimaaktivisten sehen in der älteren Generation völlig zu Unrecht einen Bremsklotz beim Klimaschutz. Nur weil ältere und noch aktive Arbeitnehmer mehr auf eine notwendige und vernünftige Balance zwischen Ökonomie und Ökologie bestehen. Wo sollen über 50jährige Arbeitsnehmer noch eine Beschäftigung finden, wenn ihre Arbeitsplätze durch politische Entscheidungen „wegideologisiert“ werden? Sichtbares Zeichen der unseligen Entwicklung der Generationenpolarisierung war jetzt ein schrecklicher und menschenverachtender Tweet der Friday for Future – Bewegung: „Warum reden uns die Großeltern eigentlich immer noch jedes Jahr rein? Die sind doch eh bald nicht mehr dabei.“ Es war ein erbärmlicher und trauriger Höhepunkt der Meinungsverrohung und ein Versuch, die Gesellschaft und die Generationen zu spalten. Zwar ging zum guten Glück der Versuch nicht auf, weil der überwiegenden Mehrheit der Jugend sehr wohl bewusst ist, dass die ältere Generation die Grundlagen der wirtschaftlichen Bedeutung mitgestaltet hat. Es war das Markenzeichen Deutschlands, im Vergleich zu streikfreudigen Nachbarländern wie Frankreich oder Italien, einen sozialen Frieden zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu praktizieren. Daran waren ganz bewusst auch „ältere“ erfolgreiche Familienunternehmer beteiligt, die sich heute wieder einer überwunden geglaubten Neidkultur beim Thema „Reichensteuer“ erwehren müssen.
Neidkultur stört den sozialen Frieden
Immer öfters werden erfolgreiche Familienunternehmer mit dem Begriff „Reichensteuer“ negativ konfrontiert. Eine Nichtregierungsorganisation heizte das Thema an. Die deutschen „Superreichen“ würden ein Drittel des gesamten Vermögens Deutschlands besitzen. Berechnungsgrundlagen fehlen freilich. Die politisch motivierte „Reichen“-Diskussion ist auch der Versuch, eine Sozialisierungsstrategie letztendlich mit Enteignungen gesellschaftsfähig zu machen. Multimillionäre, wer immer diese ab wann sind, müssten, so die SPD-Politikerin Manuela Schwesig, ihren Beitrag für die Zukunft leisten. Vergessen wird aber, dass die überwiegende Mehrheit der Unternehmerfamilien längst ihren Beitrag geleistet haben. Ohne die Investitionen zahlreicher Familienunternehmen hätte Deutschland seine Position als führende Exportnation nicht erreicht. Zumeist ist das Vermögen der sogenannten „Reichen“ in Fabriken, Anlagen und Maschinen gebunden. So z.B. die immer wieder in der Öffentlichkeit zitierten „Milliarden“ der BMW-Großaktionäre Stefan Quandt und Susanne Klatten, die in erster Linie im Unternehmen BWM stecken. Was würde geschehen, wenn sich die Geschwister Stefan Quandt/Susanne Klatten als Großaktionäre vom Unternehmen BWM trennen würden? Es bestünde die Gefahr des Abdriftens eines deutschen Kernunternehmens mit allen damit verbundenen Folgen. Dies könnte ein Einstieg anonymer ausländischer Investoren sein. BMW ist übrigens ein gutes Beispiel für unternehmerisches Engagement privater Investoren. Denn ohne den Mut von Herbert Quandt (der 1982 gestorbene Vater von Stefan Quandt und Susanne Klatten) gäbe es die Erfolgsgeschichte BMW nicht, weil das Unternehmen vor dem 1960 erfolgten Einstieg von Herbert Quandt am Ende war.
Bereits jetzt hat der SAP-Mitgründer Hasso Plattner darauf hingewiesen, dass er bei einer weiteren Besteuerung seines Vermögens unter Umständen Deutschland verlassen würde. Dies sind keineswegs Drohungen; Plattner ist einer der großen Förderer gesellschaftlicher Einrichtungen, Aktivitäten, die ansonsten staatliche Stellen finanzieren müssten. Schon aktuell ist der Erbschaftssteuersatz eine Belastung bei der Übergabe von Familienunternehmen an die nächste Generation. In einer wie derzeit in Deutschland drohenden Rezession sind weitere Steuererhöhungen Gift für Investitionen. Wer in Deutschland Arbeitsplätze sichern will, sollte nicht an der Steuerschraube drehen. US-Präsident Donald Trump hat bewusst die Unternehmenssteuern gesenkt, um Anreize für Investitionen und somit für Arbeitsplätze zu schaffen. Seit Jahrzehnten hatten die Vereinigten Staaten nicht mehr eine so geringe Arbeitslosenquote wie unter Trump.
Mehr Zusammenhalt ist gefragt
Deutschland braucht wieder einen gesellschaftsübergreifenden Dialog. Dies schließt auch die Kommunikation mit ein. Nach dem Entstehen der jungen Bundesrepublik Deutschland, war die Meinungsfreiheit der einzelnen Bürger in Deutschland ein hohes Gut. Doch viele Menschen halten wieder aus Angst mit ihrer Meinung in der Öffentlichkeit zurück. Dies sind unselige Entwicklungen. Die Medien müssen wieder stärker Meinung und Nachricht trennen – es darf aus einem falsch verstandenen Betroffenheitsjournalismus (wenn Redakteurinnen und Redakteure eine Sache zu ihrem persönlichen Anliegen machen) weder eine Nachricht verschwiegen, noch übertrieben dargestellt werden. Ansonsten wird Journalismus, insbesondere im Online-Zeitalter unglaubwürdig. Deutschland braucht wieder mehr inneren Zusammenhalt.