Tatsächlich hat die sogenannte „Kohlekommission“ in schier unendlichen Sitzungen nach Monaten eine 126-seitige Empfehlung für die Umsetzung des Kohleausstiegs erarbeitet. Demnach soll in Etappen bis spätestens 2038 „die große Aufgabe“ (Regierungssprecher Seibert) des Ausstiegs aus der Kohle bzw. deren Verstromung erledigt sein. Doch kaum wurde der Abschlussbericht bekannt, hagelte es politische Kritik aus den Reihen der Union und insbesondere durch die FDP und AfD. Die Kritik ist berechtigt, sowohl an der personellen Besetzung der Kommission selbst, als auch am Abschlussbericht, der sich in erster Linie durch realitätsfremde Theorie auszeichnet.
FDP-Chef Christian Lindner kritisierte die zunehmende Regierungspraxis, Entscheidungsvorlagen durch parlamentsfremde Kommissionen erarbeiten zu lassen. In der 31 köpfigen (!) Kommission – einen derartigen Unsinn muss man sich erst einmal vergegenwärtigen – hatten gegen die Kohle und deren Verstromung voreingenommene Vertreter aus dem ideologischen Lager ein überproportional starkes Gewicht. Vertreten waren in der Kommission z.B. Nichtregierungsorganisationen wie Greenpeace, der Bund für Umwelt und Naturschutz oder das Bündnis Klima-Allianz. Hinzu kamen Repräsentanten ideologisch geprägter „Denkfabriken“. Beispiele dafür sind die „ Agora Energiewende“ sowie das Öko-Institut. Schließlich hatten Persönlichkeiten wie ein ehemaliger Direktor des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung ebenso ein Stimmrecht wie ein Vorstandsmitglied des Verbandes Erneuerbare Energien, deren Präsidentin die frühere Grünen-Vorsitzende Simone Peter ist.
Man fragt sich, was von solchen „Kommissionen“ zu erwarten ist. Es ist zwar richtig, dass gesellschaftsübergreifend auch die der Kohle kritisch gegenüberstehenden Nichtregierungsorganisationen gehört werden sollen, doch dies kann durchaus im Rahmen eines schriftlichen Anhörungsverfahrens geschehen. Die Unsitte, deren zufolge immer mehr die Politik in Deutschland durch Nichtregierungsorganisationen bestimmt wird, zeigt sich ja auch beim Diesel. Wie befürchtet, ist der gesamte Abschlussbericht der Kohlekommission zu einseitig auf das Themenfeld der deutschen Klimaschutzziele, insbesondere ideologisch, fokussiert.
Einseitige Fokussierung
Die Hauptmotivation für den deutschen Kohleausstieg ist das Ziel der Rettung des Weltklimas. Wolfgang Kubicki, Bundestagsvizepräsident und stellvertretender Bundesvorsitzender der FDP, wies darauf hin, dass der Aktionismus der Kohlekommission beim Kohleausstieg dem Weltklima überhaupt nichts bringt (siehe weiter unten), aber den Industriestandort Deutschland ruinieren und in die ökonomische Katastrophe führen könnte. Schließlich sei die Versorgungssicherheit bei der Strombereitstellung gefährdet.
Ins gleiche Horn stieß der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung der Unionsparteien, Carsten Linnemann. Er warnte vor einer Überforderung der Steuerzahler und befürchtet eine zu starke Abhängigkeit vom Ausland, wenn deutsche Ressourcen ohne Not aufgegeben würden. Selbst Unions-Fraktionschef Ralph Brinkhaus steht einem zu ehrgeizigen Kohleausstieg reserviert gegenüber.
Bereits der erfolgte Atomausstieg – hin zu den Erneuerbaren Energien – ist auch vom politischen Management der Bundesregierung her eine einzige Katastrophe, die Deutschland inzwischen den traurigen Rekord mit den höchsten Stromkosten in Europa gebracht hat. Die im Zuge der Energiewende vorgesehenen Stromleitungen von Norddeutschland nach Süddeutschland hängen um Lichtjahre der Zeitplanung hinterher. Von 7.700 Kilometer neuen Stromleitungen für die Windenergie sind lediglich 950 Kilometer gebaut. Wirtschaftsminister Peter Altmaier, will einmal wieder den Stromtrassenbau vorantreiben …
Wie unausgegoren die deutsche Strompolitik infolge der Energiewende in der Realität aussieht, unterstreicht auch die (berechtigte) Forderung der Netzbetreiber Tennet, Amprion und TransnetBW, mehrere 300 MW-Gaskraftwerke für Süddeutschland auszuschreiben. Die Anlagen würden spätestens bis 2022 benötigt, um nach der Abschaltung der letzten Kernkraftwerke den schwankenden Wind- und Sonnenstrom abzusichern. Dies heißt im Klartext, dass Deutschland weiter einen Schattenkraftwerkepark aufbauen muss, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Auf der anderen Seite sollen jetzt schon zur Verfügung stehende moderne Kohlekraftwerke im Zuge des Kohleausstiegs abgeschaltet werden. Wer einigermaßen logisch denken kann, weiß, dass derartige absurde Entscheidungen zu höheren Preisen führen, denn die jetzt ausgeschriebenen Gaskraftwerke müssen ja letztendlich von den Stromverbrauchern finanziert werden. Uniper hat jetzt von Tennet den Auftrag für ein neues Gaskraftwerk mit 300 MW erhalten, das aber nicht für den Markt Strom produzieren soll, sondern lediglich Schwankungen ausgleichen und für Versorgungssicherheit sorgen muss. Uniper erhält von Tennet Bereitstellungsvergütungen, die natürlich auf die Stromkunden umgelegt werden. Das alles ist ein Wahnsinn pur – aber die geplanten Anlagen werden tatsächlich benötigt, weil es nämlich im Gegensatz zu dem ideologischen Gerede durch erneuerbare Energien keine Sicherheit gibt und funktionierende Kohlekraftwerke lt. der Kohlekommission in Etappen abgeschaltet werden.
Klima, Preise, Kosten, Sicherheit
1. Klima
Dem Weltklima hilft ein deutscher Kohleausstieg überhaupt nicht. Selbst ein kurzfristiger Kohleausstieg wird bereits durch den im Jahr 2017 erfolgten Kapazitätszuwachs neuer chinesischer Kohlekraftwerke mit 39 Gigawatt kompensiert (Quelle „China Electricity Council“ – die Organisation der chinesischen Energieunternehmen). Allein dieser chinesische Zubau entspricht der Kapazität von 35 (!) Kohlekraftwerken mit der Leistung der noch nicht in Betrieb gegangenen brandneuen Anlage Datteln 4 (1100 MW) oder 43 Anlagen mit der Leistung des innovativen neuen Blocks 9 (900 MW) des GKM in Mannheim. Trotz des Pariser Klimaabkommens ist laut World Energy Outlook die weltweite Nachfrage nach Kohle sogar weiterhin noch steigend. Neben China sind vor allem Indien und andere asiatische Länder ein Treiber der zunehmenden Kohleverstromung. Nach Berechnungen des BMI-Research (Fitch-Group), beruhen im Jahr 2026 noch 70% der Stromversorgung in Indien auf der Stromproduktion mit der Kohle. Auch in Europa werden „Kohleländer“ wie Polen keineswegs aus der Kohle aussteigen. Dem Klima ist durch einen deutschen Aktionismus nicht geholfen.
2. Preisentwicklung beim Strom und Kosten des Kohleausstiegs
Bereits heute hat Deutschland zusammen mit Italien die höchsten Strompreise. Diese Entwicklung wird durch den Kohleausstieg erheblich beschleunigt. Bereits jetzt können viele Privathaushalte ihre Stromrechnung nur noch sehr schwer bezahlen. Noch gravierender – dies geht beim Papier der Kohlekommission weitgehend unter – wird die für die deutsche Volkswirtschaft wichtige stromintensive Industrie belastet. Die stromintensive Industrie (Chemie, Zementherstellung, Stahl- und Aluminiumindustrie, Glas) erwirtschaftet mit 330 Milliarden Euro 18% des verarbeitenden Gewerbes in Deutschland. Wenn diese Industrie in ihrer Wettbewerbsfähigkeit durch weiter steigende Strompreise eingeschränkt wird, gibt es neben der Einstellung geschäftlicher Aktivitäten nur noch das Abwandern vieler Unternehmen in das Ausland. Dies würde zwangsläufig zum Verlust von Arbeitsplätzen und somit zu einem wirtschaftlichen Ruin Deutschlands führen. Bereits jetzt zeigen sich infolge der unseligen ideologischen Dieseldiskussion negative Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt.
3. Versorgungssicherheit
Wie bereits oben erwähnt, ist die Versorgungssicherheit durch die zu starke einseitige Forcierung der erneuerbaren Energien gefährdet, sodass weiterhin in einem erheblichen Umfange Schattenkraftwerke geplant werden müssen. Ende 2018 hatten wir lt. dem Bundesverband der Deutschen Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) in Deutschland noch eine konventionelle Kraftwerkskapazität von 90.057 MW (Braunkohle, Steinkohle, Kernenergie, Erdgas und Mineralöl). „Die heute noch bestehenden Überkapazitäten werden in wenigen Jahren nicht nur vollständig abgebaut sein. Vielmehr laufen wir sehenden Auges spätestens im Jahr 2023 in eine Unterdeckung bei der gesicherten Leistung“ (Stefan Kapferer, Hauptgeschäftsführer des BDEW). Strom ist nach wie vor keine Ware wie jede andere, die großtechnisch „gelagert“ werden kann. Die einzigen funktionierenden großen Stromspeicher sind Pumpspeicherkraftwerke, die in unserer ideologischen Welt in Deutschland aber auch nur schwer – wenn überhaupt – noch realisiert werden können.
Die Versorgungssicherheit muss auch unter dem Aspekt der geplanten E-Mobilität gesehen werden. Leider haben auch einzelne Branchenunternehmen nur theoretische Antworten. Auf die Frage, woher der Strom für E-Autos kommen soll, wenn jeder ein Elektroauto hat, teilte Eon folgendes mit: „Der Strom wird von Ihnen selbst kommen … Viele Menschen produzieren heute schon zu Hause ihren eigenen Strom, von Solar- bis hin zu Windenergie“. Solche Antworten zeigen nur Ratlosigkeit. Denn Otto Normalverbraucher – Wohnungsmieter etwa – wird wohl nicht mit einer eigenen PV-Anlage den für die Elektromobilität benötigten Strom selbst produzieren – von den Kosten einmal ganz abgesehen.ƒ
4. Kosten des Ausstiegs
Die Kohlekommission hat 40 Mrd. Euro an Hilfen für die Beschäftigten im Kohleabbau und in den Kraftwerken und auch für den Strukturwandel veranschlagt. Doch diese Summe dürfte bei weitem nicht ausreichen, denn insbesondere in den Braunkohle-Revieren in Mitteldeutschland hat die Braunkohle auch Wertschöpfungs- und Beschäftigungspotentiale in andere Branchen (Instandhaltung, Handwerksberufe bis hin zum Bäcker und Metzger, der seine Waren in die Kantinen liefert). Viele seriöse Untersuchungen gehen von Kosten von sogar 80 Milliarden und mehr Euro aus. Nach einer IW-Studie könnten in verschiedenen Bereichen 72.000 Arbeitsplätze durch den Kohleausstieg gefährdet werden. Die FDP sieht erhebliche Ausgaben auf den Steuerzahler zukommen – nicht nur für Abfindungen und Strukturhilfen.
Wenn man die bisherigen politischen schlechten Erfahrungen beim Atomausstieg Revue passieren lässt, dann sind berechtige Zweifel jetzt beim Kohleausstieg durchaus angebracht. Es könnte ein böses Erwachen geben. Jetzt ist die Politik am Zuge, denn die Empfehlungen der Kohlekommission sind zum Glück nicht bindend.