Die EU sei, so heißt es, ein Friedensprojekt und die Voraussetzung für eine erfolgreiche Wirtschaft. Grundsätzlich stimmt dies auch, wobei aber nicht vergessen werden darf, dass Deutschland bereits zu EWG-Zeiten Exportweltmeister, auch ohne EU und ohne den Euro, wurde. Dies soll aber die EU und den Euro keineswegs schmälern. Aber die Regulierungswut und die Festsetzung unrealistischer Grenzwerte unter dem Deckmantel des Klimaschutzes, die Bürokratie, die Bevormundung souveräner Staaten durch Eurokraten und insbesondere die Ausuferung des EU-Haushalts in astronomische Höhen – all dies hat dazu geführt, dass die EU ihre Bürger nicht mehr begeistern kann. Hinzu kommt eine selbstherrlich gewordene deutsche Bundeskanzlerin, die in völliger Verkennung der Lage in der Flüchtlingspolitik anderen EU-Staaten ihren Wahnsinn, der ganz wesentlich zum Brexit im Vereinigten Königreich beitrug, aufzwingen will. Es ist daher kein Wunder, dass die Kanzlerin etwa in Polen, Ungarn, Tschechien, Italien und sogar in Österreich nicht mehr vermittelbar ist.
Aufruf „In tiefer Sorge“
Das Drama der EU-Entwicklung haben jetzt auch besorgte Stimmen ehemaliger Spitzenpolitiker aus den Reihen der Union und der SPD erkannt. Wie denn sonst, hätten z.B. parteiübergreifend der frühere erfolgreiche Fraktionschef der Union, Friedrich Merz oder Hans Eichel, ehemaliger Bundesfinanzminister, einen Aufruf „In tiefer Sorge um die Einigung Europas und die Zukunft Deutschlands“ zusammen mit weiteren Vertretern aus der Politik und Wissenschaft gestartet. Europa steht vor der Zerreißprobe. Es ist nicht nur der Brexit. Da geht es nicht nur um das inzwischen berühmt gewordene Schlagwort Rosinenpicken. Großbritannien ist als NATO-Mitglied mit seinen nuklearen Kapazitäten (interkontinentale Atom-U-Boote) ein wichtiger Akteur für die europäische Sicherheitspolitik. Nicht auszudenken, was geschähe, wenn Großbritannien für diesen Schutz eine „Rechnung“ (Argumentation US-Präsident Trump) präsentieren würde. Die EU wird ihre Position vom „hohen Roß“ beim Brexit aus Sicherheitsgründen überdenken müssen.
Streit mit Italien
Aktuell bahnt sich eine weitere gefährliche Auseinandersetzung der EU mit Italien um den Haushalt des Landes an. Italien soll einen neuen Haushalt in Brüssel vorlegen. Die neue italienische Regierung hat aber sofort angekündigt, dass sie genau dies nicht tun wird, weil über die Finanzpolitik des Landes die Italiener selbst entscheiden müssten. Was aber will die EU, sollte Rom nicht einlenken, tun? Will sie mit der Kavallerie am Brenner aufmarschieren? Rom hat einen Haushaltsentwurf mit einer Ausweitung der Neuverschuldung des Landes von 2,4% vorgelegt. Ob diese weitere Neuverschuldung der nach dem Austritt des Vereinigten Königreichs dann drittgrößten EU-Volkswirtschaft, dies ist Italien, sinnvoll ist, darüber kann man trefflich streiten. Fakt ist aber auch, dass die EU-Regeln sehr wohl eine Neuverschuldung von 3% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) ermöglichen. Insofern befindet sich Italien im legalen Rahmen.
Musterknaben bei der Staatschuldenquote (Verhältnis der Schulden zum BIP) sind übrigens mit einer Quote von 64,1% auch die Deutschen nicht. Da liegen so starke Industrieländer wie Schweden mit seinen zahlreichen industriellen Weltfirmen (Volvo Truck, Atlas Copco, Sandvik, SKF, Elektrolux, SCA/Essity, Ericsson, AstraZeneca, Trelleborg u.a.) oder die Niederlande klar vor Deutschland. Aber es ist richtig: Deutschland hat eine starke Realwirtschaft. Die hat aber auch entgegen vieler Veröffentlichungen in den Medien Italien mit seinen Weltmarktführern sehr wohl auch: ENI/Agip, Enel, Fiat/Chrysler, CNH Industrial (Iveco, Magirus, Case Landmaschinen), Luxottica, Prysmian, Fincantieri (Europas größte Werft), Marcegaglia, Trevi-Group, Soimec, Leonardo, Ferrero und, und, und. Die italienische Werkzeugmaschinenindustrie hat weltweit eine führende Position. Generali ist einer der wichtigsten weltweit aktiven Finanzkonzerne. Konkret: Italien kann weder mit Spanien und Portugal, noch mit Griechenland verwechselt werden. Würde Italien die EU ebenfalls verlassen (was die italienische Regierung nicht will), könnte man das „Projekt Europa“ auf lange Zeiten vergessen. Auch scheinen manche Politiker in Brüssel zu vergessen, dass das Land schließlich ein Gründungsmitglied der EWG (Vorgängerinstitution zur EU), die 1957 durch die „Römischen Verträge“ entstand, ist. Etwas mehr Respekt von Brüssel gegenüber Italien wäre wohl angebracht.
Strafverfahren sind immer ein schlechter Weg
Auch „Strafverfahren“ gegen Ungarn oder Polen sind nicht der richtige Weg, um die Länder bei der Ablehnung einer europäischen Migrationspolitik wieder gefügig zu machen. Es kann auch nicht die Aufgabe des Europäischen Gerichtshofs sein, in die Souveränität Polens bei seiner Justizreform einzugreifen. Der Gerichtshof in Luxemburg hat nichts mit dem Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg zu tun; er ist ein juristisches Format innerhalb der EU zur Sicherung und Auslegung der EU-Verträge (Artikel 19 des EU-Vertrags). Der Gerichtshof der EU entscheidet bei Vertragsverletzungen durch EU-Mitglieder, nicht über deren souveräne Entscheidungen. Hier liegt, bei Eingriffen die die Souveränität, eindeutig eine Selbstermächtigung des Europäischen Gerichtshofs vor. Deshalb lehnt Polen Entscheidungen aus Luxemburg zu seiner eigenen Justizreform strikt ab. Dies ist Sache, so Warschau, der Polen. Die Zwistigkeiten der EU mit osteuropäischen Mitgliedern – und jetzt auch mit Italien – zeigen, dass sich in der EU viele Strukturen verselbständigt haben – zum Nachteil der Akzeptanz bei den Bürgern. So kann die EU nicht funktionieren. Bei der Europawahl 2019 (Wahl des EU-Parlaments) könnte es eine böse Überraschung geben.