Die Parteien haben kein klares Profil und sind nicht nur aus der Sicht der Bevölkerung austauschbar geworden. Gleichzeitig entfernen sie sich immer mehr von ihrer eigenen Basis und auch von der kulturellen, abendländisch geprägten, Identität Deutschlands. Für was steht beispielsweise die lange bürgerlich-konservativ ausgerichtete CDU, wo ist ihr Profil erkennbar als Partei der sozialen Marktwirtschaft, die als Wirtschaftsmodell immerhin auch ohne die EU-Bindung Voraussetzung und Grundlage unseres hohen Lebensstandards gewesen ist? Deutschland schaffte, daran darf heute durchaus einmal erinnert werden, das Wirtschaftswunder und seine Exportstärke im Rahmen der EWG und der EG (Europäische Gemeinschaft) auch ohne das Korsett der später gegründeten EU.
Leider hat aktuell auch die bayerische Schwesterpartei CSU (von Kraftmeiereien und Lippenbekenntnissen abgesehen) offensichtlich nicht den Mut und Willen, sich von der verhängnisvollen Politik der gewandelten Merkel-CDU zu trennen und bundesweit als bürgerlich-konservatives Regulativ aufzutreten. Damit verspielt die CSU die große Chance, zu einem gesamtdeutschen Sammelbecken der unzufriedenen Wähler der Merkel-CDU und überhaupt Deutschlands zu werden. Im Gegenteil – auch die CSU läuft Gefahr, von der inzwischen links-grün angehauchten CDU mit in den Abstiegsstrudel gerissen zu werden. Bayern hätte sowohl durch seinen Einfluss als größter Flächenstaat Deutschlands als auch durch seine enorme Wirtschaftskraft die Instrumente (z.B. durch einen bundesweiten Auftritt der CSU), um die immer häufiger realitätsfremd werdende Angela Merkel in die Schranken zu weisen. Notfalls auch dafür, ihre Ablösung als Kanzlerin durchzusetzen. Man müsste halt nur echt wollen und nicht nur einen Parteivorsitzenden haben, der sich leider vom Seehofer zum Wendelhofer entwickelte. Nach der zehnten Drohung Richtung Merkel nahmen auch die CSU-Wähler Seehofer nur noch als einen zahnlosen Papiertiger wahr.
Merkel als neuer Garant für Wahlniederlagen
Viele früheren Wähler der Unionsparteien sehen insbesondere in der CDU-Vorsitzenden und Kanzlerin Angela Merkel inzwischen nicht mehr die Leitfigur für politische Qualität. Im Gegenteil – Merkel’s Zeit ist abgelaufen, man will sie in weiten Bevölkerungskreisen nicht mehr. Ihre peinlichen Unterwürfigkeiten und Anbiederungen gegenüber Obama, Hollande, Faymann und Erdogan werden mit Unverständnis registriert. Lange „turnte“ sie vor allem auch um den Franzosen Hollande und den Österreicher Faymann, heute ist der neue Sonnenkönig für Merkel der Türke Erdogan. Wäre die Sache nicht so ernst, könnte Merkel in ihrer Naivität schon wieder Mitleid erregen! Aber Mitleid haben die Wähler nicht: Viele Menschen schalten schon ab, wenn die Kanzlerin am Fernsehbildschirm erscheint. Soweit ist es gekommen. Die Tragik ist nur, dass sie diese Tatsachen entweder nicht merkt oder nicht wahrhaben will. Langjährige CDU-Wähler und frühere Mitglieder wurden durch den Linksschwenk ihrer Partei unter Merkel inzwischen politisch heimatlos. Die Bundeskanzlerin wird immer stärker zu einem Garanten für Wahlniederlagen ihrer Partei. Sie hat es aus purem Machterhalt noch nicht einmal als Parteivorsitzende verstanden, potenzielle Nachfolger aufzubauen. Im Gegenteil. Persönlichkeiten wie etwa Friedrich Merz wurden vergrault oder abgeschoben. Halten konnten sich in ihrem Umfeld nur geneigte Hofschranzen, denen das notwendige Rückgrat fehlt. Deutlich wurde dies in den letzten Monaten. Dies alles merken natürlich die Wähler! Und deshalb laufen sie der Union davon.
Sozialdemokratie: Mitgegangen, mitgefangen
Und die Sozialdemokratie? Sie musste in ihrer durchaus auch patriotischen Geschichte (man denke nur an die Zustimmung zu den Kriegskrediten unter Kaiser Wilhelm II.) schon viele Krisen bewältigen. Aber aktuell wird sie vor allem als Anhängsel der Union wahrgenommen. Sie scheint endgültig zur Randpartei zu verkümmern. Ihr linkes Wählerpotenzial ist zur Linkspartei abgewandert und ihre früheren Stammwähler aus der Arbeitnehmerschaft nehmen ihre Partei in Sippenhaftung für die unselige aktuelle Politik der Großen Koalition. Ein traditioneller Arbeiterbezirk wie Mannheim-Nord ging jüngst bei der Landtagswahl in Baden-Württemberg ausgerechnet an die AfD. In Mannheim-Nord wohnen keine linken Ideologen, sondern u.a. brave, fleißige „Benz-Arbeiter“ (Mercedes-Benz-Werk Mannheim), deren Väter, Großväter und Urgroßväter schon im Sinne der Arbeiterbewegung SPD wählten. SPD-Chef Sigmar Gabriel setzt auf die Mitte. Aber dort ist für die SPD kein Blumentopf zu gewinnen.
Weshalb sollen Wähler der Mitte – frühere Unionswähler – zur SPD, wenn dort kein klares Gegenprofil zur unseligen Politik der Angela Merkel erkennbar ist? Und das linke Spektrum ist, wie erwähnt, durch die Linkspartei besetzt. Sichtbares Zeichen des SPD-Niederganges war vor allem das diesjährige Wahlergebnis der Landtagswahl in Baden-Württemberg – das Land stellt zusammen mit Bayern die Spitze der deutschen Bundesländer mit einer leistungsstarken industriellen Basis dar. Ausgerechnet in Baden-Württemberg sackte die Partei auf einen kümmerlichen vierten Platz mit beschämenden 12,7% bei der jüngsten Landtagswahl ab und dies in einem Land, in dem seit 1952 die Sozialdemokratie in Landtagswahlen immerhin trotz der jahrzehntelangen Vorherrschaft der CDU einen Durchschnitt von 30,8% erreichte – einschließlich der bereits relativ schlechten SPD-Ergebnisse im Südwesten in den Wahlen 2006 und 2011. Ansonsten wäre der Schnitt von 30,8% seit Gründung des Südweststaates höher gewesen, denn die SPD erreichte in guten Zeiten in Baden-Württemberg landesweit Ergebnisse von über 35% (37,3 und 37,6%).
Elementare Entscheidungen brauchen eine breite Bevölkerungszustimmung
Der Aufschwung der AfD ist auch das Ergebnis der Politik der Großen Koalition in Berlin am Bürger vorbei: Elementare wichtige Entscheidungen der Außen-, Europa- und Flüchtlingspolitik führen inzwischen zu einer Polarisierung bzw. Spaltung der Gesellschaft und auch zu einer Verstimmung in guten Nachbarländern wie Österreich, Tschechien, Polen u.a.. Im Lande selbst sehen viele Deutsche durch die Unionsparteien und der Sozialdemokratie nur noch einen Filz der Macht: um jeden Preis an den Fleischtöpfen bleiben! Die ehemalige führende und untergegangene italienische Democrazia Cristiana lässt grüßen. Die Funktions- und Mandatsträger der etablierten Parteien kleben an ihren „Pöstchen“. Viele seien, so Kritiker und Kommentatoren in einflussreichen ausländischen Weltmedien, schlichtweg „Sesselfurzer“. Recht haben sie. Sichtbares Zeichen des Filzes ist bereits jetzt wieder das peinliche Geschachere um den künftigen Bundespräsidenten. Anstelle endlich einmal darüber nachzudenken, ob es nicht doch besser wäre, die Grundlagen dafür zu schaffen, damit der Bundespräsident künftig durch die Bevölkerung – wie etwa in Frankreich oder im Nachbarland Österreich – gewählt werden kann, bringen sie jetzt schon wieder parteiintern Namen wie Außenminister Steinmeier ins Gespräch. Nichts gegen den braven Steinmeier – aber welch eine Arroganz des Machtkartells Unionsparteien/SPD kommt da zum Ausdruck. Das Volk hat offenbar nur Entscheidungen der Hinterzimmer abzusegnen! Wer Bundespräsident werden kann, entscheiden leider die Spitzen der bisher noch etablierten Parteien – nicht der Souverän, das Volk … Und dann wundern sich die Parteien über die Politikverdrossenheit.
Bürger sind kein „Stimmvieh“
Dabei haben sich die Zeiten auch politisch geändert. Die Bürger sehen sich längst nicht mehr als Stimmvieh – sie wollen elementare grundsätzliche Entscheidungen im Sinne einer echten Volksdemokratie nach dem Muster der Schweiz direkt bestimmen. Die Briten stimmen demnächst über einen Verbleib in der EU – der richtig oder gut sein kann – ab. In Deutschland wäre dies undenkbar. Wer hat der Bundeskanzlerin die Vollmacht für eine Politik gegeben, dass sich Deutschland in seiner Identität verändern müsse? Wer sagt dies, außer der Kanzlerin und der geneigten Instanzen? Das Freihandelsabkommen TTIB mit den Vereinigten Staaten stößt beispielsweise inzwischen auf eine große Ablehnung in der Bevölkerung. Diese Ablehnung ist auch deshalb verständlich, weil die Bürger sich durch einsame Entscheidungen der Angela Merkel mit Barack Obama bevormundet fühlen und keine offene Transparenz erkennen. Wenn auch die Bundesregierung entsprechende Papiere der Vertragskriterien zum TTIB-Projekt geheim halten will, darf sie sich nicht wundern, wenn in der Bevölkerung das Misstrauen zunimmt. Was gut ist (und hoffentlich ist dies das Handelsabkommen TTIB auch wirklich) braucht doch keine Geheimhaltung. Dabei gibt es durchaus gute Gründe für ein neues Freihandelsabkommen mit den USA. Grundsätzlich ist ein Handelsabkommen für die Wirtschaft und die Menschen immer gut, denn Handel sorgt für Arbeitsplätze. Aber weshalb das Gemauschel? Werden Dinge den USA – etwa in der Lebensmittel-Sicherheit – zugesagt, die unserem Volk nicht vermittelbar sind? Dies ist nur ein Beispiel. Geheimniskrämerei ist immer verdächtig!
Beispiel Österreich und italienische Democrazia Cristiana
Im kleinen Nachbarland Österreich – dort sind die Probleme der ehemaligen Volksparteien, der konservativen katholischen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) und der Sozialdemokratie (SPÖ) fast deckungsgleich – sind die etablierten Parteien inzwischen offenbar schlauer und realistischer. Man könne nicht etwa ein Drittel der Bürger ausgrenzen, beleidigen und in eine bestimmte Ecke stellen wollen, nur weil sie nicht mehr die „alten“ historischen Parteien wählen. So jetzt – man höre und staune – die Meinung nicht weniger wichtiger Funktionsträger der SPÖ. In einigen österreichischen Bundesländern sitzt die dortige Freiheitliche Partei (FPÖ) inzwischen in der Regierung. Die Denkweise, die Fragestellung, weshalb die Bürger zu Alternativen greifen, müssen hierzulande auch die Unionsparteien, die möglicherweise vor einer Spaltung stehen, und die deutsche Sozialdemokratie erkennen. Machtkartelle zerbrechen irgendwann; dies hat die Jahrzehnte führende Festung Democrazia Cristiana (die italienische CDU/CSU) – die schließlich zerfiel – in Italien erfahren müssen.