Tatsächlich ist die nunmehr „fast“ endlich fertiggewordene Hochgeschwindigkeitslücke zwischen Ebensfeld (nördlich von Bamberg) und Erfurt durch den Thüringer Wald eine ambitionierte Strecke mit zahlreichen spektakulären Brücken und Tunnel. Doch festzustellen ist auch, dass die zusammen mit Stuttgart 21 wohl anspruchsvollste Großinvestition der Bahn nicht über die nach wie vor gravierenden Mängel in der schienengebundenen Mobilität hinwegtäuschen kann. Daran ist aber nicht nur die Deutsche Bahn AG, deren Aktien sich immer noch voll im Besitz der Bundesrepublik Deutschland befinden, schuld, sondern neben Versäumnissen der Bahn eine völlig vernachlässigte Schienenmobilität in der Fläche.
Dies ist einerseits ein Versäumnis in der Verkehrspolitik unter der Bundeskanzlerin Angela Merkel in den letzten zwölf Jahren, andererseits – dies an die Adresse der Grünen – kann auch die beste öffentlich-rechtliche Mobilität den Individualverkehr abseits der großen Zentren nie ersetzen. Was nützt es, wenn ein Zug etwa im mittelfränkischen Allersberg konkurrenzlos schnell in 13 Minuten den Nürnberger Hauptbahnhof erreicht, aber der für Allersberg zuständige nächste Bahnhof Rothsee nur schwer vom Ortskern Allersberg im Zweistundentakt (vom Wochenende und der spätabendlichen Anbindung ganz zu schweigen) zu erreichen ist. Sollen die Bürger, weitere Beispiele, im Bayerischen Wald oder in der Lüneburger Heide – so das Auto bzw. der Diesel in der unsinnigen und weltfremden Vorstellungswelt der Grünen verbannt werden soll – von der Mobilität abgeschnitten werden? Allerdings hat sich die Bahn von vielen Flächen in der Grundversorgung aus Rentabilitätsgründen verabschiedet und der Eigentümer Bund hat dabei in den letzten 12 Jahren tatenlos zugesehen. Verkehrspolitische Verantwortung sieht anders aus!
Es ist erstaunlich, dass das so wichtige Thema „Mobilität der Zukunft“ (die nur in einem guten Mix Schiene, öffentlich-rechtlicher Busverkehr und halt mit dem Individualverkehr funktionieren kann) auch jetzt wieder im Bundestagswahlkampf weitgehend ausgeklammert wird. In regionalen Bereichen mit einer schlechten Anbindung verweisen die Grünen Phantasten immer wieder auf das Fahrrad. Das Fahrrad nützt aber nichts, wenn etwa im Winter im Harz oder Erzgebirge bei widrigen Wetterverhältnissen ein Ziel erreicht werden soll. Da sagen sich dann viele Bürger „nein danke“ Grundsätzlich – dies ist wahr – wurde aber die öffentlich-rechtliche Mobilität als Partner des Individualverkehrs vernachlässigt.
Der Bund hat da viel – auch organisatorisch – der Bahn durchgehen lassen. Es fängt schon an mit dem völlig intransparenten Tarif- und Preissystem, das u.a. günstige Fahrpreise vom Reisetag abhängig macht. Wie soll ein Würzburger Geschäftsmann, der kurzfristig einen Termin in Hannover für den nächsten Tag erhält, da an preislich vertretbare Tickets kommen? Wie sollen Frühbucher wissen, ob sie am Tag der geplanten Reise überhaupt gesund und somit reisefähig sind? Fakt ist, dass der „normale Fahrpreis“ bei der Bahn entschieden zu teuer ist, vor allem auch dann, wenn eine vierköpfige Familie mit der Bahn fahren will.
Die Bahn muss immer noch wesentlich flexibler und schneller in der Abwicklung werden, von der innerbetrieblichen Organisation einmal abgesehen. Ein Beispiel ist ja jetzt die neue Referenzstrecke. Jetzt nach 26 Jahren seit Beginn der Bauzeit – man muss sich dies einmal vorstellen und mit dem Ausland vergleichen – befindet sie sich endlich in der Testphase! Zehn Milliarden Euro kostete die Strecke. Doch herausgekommen ist nicht das Gelbe vom Ei! Selbst die jetzt gelobte Verbesserung in der Geschwindigkeit ist nicht wirklich sensationell. Beweis gefällig? Im Gebirgsland Spanien mit schwierigen topographischen Verhältnissen wird die Strecke Madrid-Barcelona (sie entspricht der Entfernung Berlin-München) in 2 ½ Stunden bewältigt! Die Bahn hat hingegen von wenigen Referenzstrecken abgesehen, die Geschwindigkeit ihrer Züge reduziert. Warum ist die Schweiz ein leidenschaftliches Bahnland, obwohl die Schweizer – wohlhabend wie sie sind – weitgehend individuell motorisiert sind? Vielleicht sollte man einmal Nachhilfeunterricht bei unseren Nachbarn nehmen und weniger in Europa besserwisserisch, wie unsere Kanzlerin jetzt wieder gegenüber Polen, auftreten.