Die Kehrtwende der Angela Merkel in der Gaspolitik
Heute so, morgen so
Es gibt wankelmütige Entscheidungsträger, die nach dem Motto „heute so, morgen so“ handeln. Recht bekommen bei dieser Spezies immer die Personen, die das Glück haben, zuletzt in einer Sache vortragen zu dürfen. Offenbar ist dies auch bei der Kanzlerin ein Kriterium. Dabei neigt sie nach wie vor (wie seinerzeit beim Kernenergie-Ausstieg oder vor drei Jahren bei der einsetzenden Flüchtlingskrise) zu Alleingängen, ohne Zustimmung durch den Bundestag und ohne Abstimmung mit den Fachministerien.
Das Tribunal – Vorwand für was?
Die neuen Schlafwandler im Westen
Ein nach wie vor ungeklärter Giftgasanschlag vom 4. März 2018 im britischen Salisbury wurde zum Hintergrund für eine einmalige Hexenjagd Großbritanniens gegen Russland und seinen Präsidenten Wladimir Putin. Für die britische Premierministerin Theresa May und ihrem Außenminister Boris Johnson war es sofort eine ausgemachte Sache: Russland bzw. Präsident Putin wären verantwortlich. Siehe hierzu auch unseren Kommentar „Politische Hysterie um Russland“.
Was folgte aus London? Unterstellungen, zum Teil auch persönliche Beleidigungen sowie mehr oder weniger offene Drohungen – weitere Sanktionen gegen Russland sind da noch harmlos: ein ganzes diplomatisches Arsenal unter Zuhilfenahme einiger Boulevard-Medien wird aufgeboten. Nicht eine wünschenswerte Deeskalation ist die Devise, sondern der ganz bewusste Aufbau eines Feindbildes namens Russland.
Leider haben sich beim britischen Kesseltreiben mit dem Ziel des „Bestrafens“ der Russischen Föderation, außer den USA und weiteren EU-Ländern (längst nicht alle) auch die deutsche Bundesregierung – wie könnte es auch durch die Bundeskanzlerin anders sein – sowie verschiedene andere deutsche Repräsentanten der Politik beteiligt. Die vom Vereinigten Königreich geforderte Loyalität durch Premierministerin Theresa Mai genügte. Deutschland stand, im Gegensatz zu Österreich, durch die Kanzlerin sofort stramm. Und dies ohne Beweise zur Frage, ob die britischen Anschuldigungen gegen Russland realistisch sind. Mit im Tribunal sind auch deutsche Scharfmacher aus der Medienlandschaft.
Nicht alle Medien machten allerdings mit, aber immerhin einige Hofberichterstatter. Mit an der vordersten Front stand sofort beispielsweise der stellvertretende Chefredakteur der Bild-Zeitung, Nikolaus Blome. Für Blome, der schon vorher die rhetorische und polemische Frage stellte, ob man eine Fußballweltmeisterschaft bei „Feinden“ abhalten könne, war der Giftgasanschlag in einem Kommentar ein „Weckruf“ an Putin: Bis hierher und nicht weiter! Da fehlt nur noch die Ergänzung „sonst“ …
Wehret den Anfängen
Durch Scharfmacher fing auch 1914 die Tragödie des 1. Weltkrieges an, wie der Historiker Christopher Clark in seinem zum Bestseller gewordenen Buch „Die Schlafwandler“ so treffend skizzierte. Auch damals gab es eine Vorgeschichte, die zu einem durchaus nicht gewollten aber vermeidbarem Ergebnis, den Krieg, führte. Soweit sind wir jetzt natürlich gottlob auch nicht ansatzweise, aber durch politische Dummheiten und ein katastrophales politisches Krisenmanagement schaukelten sich damals die Entwicklungen hoch. Wehret also heute den Anfängen einer gefährlichen Entwicklung.
Es sei daher den voreiligen und alles schon wissenden Hellsehern und „Analysten“ der „richtigen Argumente“, etwa im Vereinigten Königreich, in Brüssel und auch in Berlin, dringend geraten, sowohl Clark’s Werk „Die Schlafwandler“, als auch das nicht weniger beeindruckende Buch „14/18 – Der Weg nach Versailles“ des Historikers Jörg Friedrich zu lesen. Auch damals gab es Noten, Depeschen, Telegramme, Intrigen und vor allem falsche Behauptungen durch die Doppelmonarchie in Wien und das Deutsche Kaiserreich. Auch damals war viel vom Bestrafen und „Aufräumen“ die Rede. Wohin dies führte, ist bekannt.
Scharfmacher und von der Leyen
Jetzt erleben wir ein regelrechtes vorgefasstes Tribunal, auch in Deutschland, voll von Widersprüchen. Einer der Höhepunkte in Deutschland war der Auftritt der Bundesverteidigungsministerin von der Leyen in einem sogenannten „Bild-Talk“ mit Nikolaus Blome und Anna von Bayern am 19. März 2018. Unter dem Thema „Was lassen wir Putin noch alles durchgehen?“, sagte die Ministerin zur Frage, ob Putin noch ein Partner des Westens sei, wörtlich „Er ist schon lange kein Partner mehr“. In Oberlehrermanier fügte sie noch hinzu, dass wir (der Westen und Deutschland) nicht auf Putins Art reagieren, sondern auf unsere… Und dann kam die Drohung und „Analyse“ der von der Leyen wörtlich: „Was tut dem Autokraten (Wladimir Putin war gemeint) weh? Wo ist Russland schwach? Wir bleiben bei den Sanktionen, die richtig weh tun.“ Belehrend fügte sie dann noch hinzu, dass die NATO das stärkste Militärbündnis der Welt sei.
Um die Analyse der Ministerin im „Bild-Talk“ perfekt zu machen, verwickelte sie sich dann sogar noch in Widersprüche. Sie will einerseits auf Dauer gute Beziehungen zu Russland und zu Putin, obwohl dieser, andererseits, schon lange kein Partner mehr sei (siehe oben). Das „schwache Russland“ sei ernst zu nehmen, klärte sie dann noch auf … Wenn man dieses Gerede verinnerlicht, bleibt nur eine Konsequenz: Ernst nehmen, kann man die Ministerin schon lange nicht mehr …
Kontraproduktive Sanktionen
Das laut von der Leyen „schwache Russland“ braucht den Westen beim Aufbau neuer Technologien nicht unbedingt. Längst stellen, um ein Beispiel stellvertretend für andere Produkte zu nennen, die Russen nahtlose Hightech-Großrohre für Unterwasser-Gasleitungen in Moskau und in Tscheljabinsk, dort in einem hochmodernen neuen Werk namens Chelpipe, selbst her. Zum Leidwesen der deutschen Salzgitter AG.
In wenigen Tagen wird Präsident Putin die Türkei besuchen und zusammen mit seinem türkischen Kollegen Erdogan den Baustart für das nach seiner Fertigstellung weltgrößten Atomkraftwerkes in Akkuyu feiern. Russland wird schlüsselfertig das 4.800 MW (das Vierfache der Leistung von Isar 2 bei Landshut) starke Kraftwerk bauen. Zum Einsatz kommt modernste Technik. Russland ist inzwischen Marktführer in der nuklearen Kraftwerkstechnik und führend in der internationalen Luft- und Raumfahrt. Wer derartig komplizierte Technologien beherrscht, muss westliche Sanktionen nicht fürchten. Die Wirtschaft – etwa in Deutschland – ist im Gegensatz zur Politik viel realistischer. „Strafen“ mit Sanktionen gegen Russland, so sehen dies die Vertreter der deutschen Wirtschaft, gehen eher zu Lasten deutscher Firmen. Deshalb halten die deutschen Unternehmen von Sanktionen überhaupt nichts.
Signale für eine Entspannung kommen in Deutschland erfreulicherweise aus den Reihen der CSU. So bezweifelt CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt den Nutzen von Sanktionen. Auch der FDP-Chef Christian Lindner sieht in der bevorstehenden Fußball-Weltmeisterschaft eine gute Chance für eine Entkrampfung des deutsch-russischen Verhältnisses. Sich freuen über deutsche Sanktionen, die nach der Ministerin von der Leyen „wehtun“ müssen, werden sich allenfalls Konkurrenten der deutschen Industrie; Japan, Südkorea und inzwischen auch schon China.
Was bleibt von einem Tribunal gegen Russland? Außer einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen dem Westen und Russland nicht viel. Ohnehin wird sich das globale Gewicht zugunsten der Achse Russland-China verändern. Gefragt ist jetzt im Westen mehr Vernunft. Scharfmacher haben da keinen Platz. Die „Schlafwandler“ lassen grüßen …
Politische Hysterie um Russland
Präsidentenwahl – Giftgasanschlag – Sanktionen
Das derzeitige Gezeter vor der Fußballweltmeisterschaft 2018 in Russland erinnert fatal an die Hysterie im Vorfeld der Olympischen Spiele Sotschi 2014, die vom 7. bis 23. März 2014 stattfanden. Da gab es zwar bürgerkriegsähnliche Zustände auf dem Maidan in der ukrainischen Hauptstadt Kiew, aber die Krim konnte damals nicht der Grund für die Medienschelte gegen Russland sein; sie wurde erst später nach einer Zustimmung der Krim-Bevölkerung von 95,5% Bestandteil der Russischen Föderation. Dennoch war sowohl das Vorfeld der Sotschi-Spiele, als auch die Eröffnungsfeier von vielen deutschen Medien in der Berichterstattung „ideologisch geprägt und reichlich unfair“, wie damals zurecht Ex-Kanzler Gerhard Schröder befand.
Doping, Olympische Spiele und IOC
Die Scheinheiligen
Das IOC hat Russland wegen angeblichem Doping von den olympischen Spielen in Peyongchang ausgeschlossen. Während den einen, denen die „Strafe“ nicht weit genug ging, von einem faulen Kompromiss sprachen, sehen viele im IOC die eigentlichen Verantwortlichen und Scheinheiligen für die heutigen Missbräuche im Sport. In der Tat sind die Gedanken eines Pierre de Coubertin, Begründer der olympischen Spiele der Neuzeit, demnach dabei sein alles sei und im Mittelpunkt der Spiele die „Jugend der Welt“ einen Beitrag zur Völkerverständigung leisten solle, längst Makulatur.
Wirtschaftssanktionen gegen Russland wirkungslos
Deutsche Wirtschaft begehrt auf: 150.000 bedrohte deutsche Arbeitsplätze
Es ist eigentlich erstaunlich, wie lange die Bundesregierung die von der US-Regierung gewünschte Sanktionspolitik gegen Russland mitträgt. Und dies vor dem Hintergrund, dass die „Bestrafungen“ bei der russischen Führung weitgehend verpfuffen, ihre Wirkung völlig verfehlen und ganz im Gegenteil die deutsche Wirtschaft immer mehr dazu bringt, jetzt sehr deutlich das Ende der für die Unternehmen kontraproduktiven Sanktionen zu fordern. So geschehen jetzt am Rande des Internationalen Wirtschaftsforums 2015 in Sankt Petersburg. Das Wirtschaftsforum wurde von wichtigen westlichen Konzernchefs und Investoren besucht.