Die CDU und die Werteunion
Die Partei erreicht die wertkonservative Stammklientel nicht
Bescheiden ist die CDU geworden. Jetzt feiern Merz & Co aktuelle Umfragen, die eine Zustimmung von 27 oder 28% prognostizieren, wenn am Sonntag Bundestagswahl wäre. Angesichts früherer Quoten um die 40% und mehr, als die CDU noch wertkonservativ war, ist die Freude der CDU-Granden über eine sehr geringe „Verbesserung“ der Zustimmungswerte ihrer Partei gegenüber der Bundestagswahl 2021 schon erstaunlich.
Nichts Halbes und nichts Ganzes
Friedrich Merz designierter CDU-Chef
Erstmals in der Geschichte der CDU konnten die Mitglieder bestimmen, wer die Partei künftig in stürmischer See führt. Das Votum war eindeutig, aber nicht berauschend: 62,1% stimmten für Friedrich Merz. Die offizielle Bestätigung findet im Januar 2022 auf einem CDU-Parteitag statt.
Friedrich Merz soll die Partei wieder für breite Bevölkerungsschichten attraktiv machen. Ob mit ihm allerdings die dringend notwendige Erneuerung zur wertkonservativen Volkspartei – weg von der unter Angela Merkel linksgewendeten CDU und hin zu den Wurzeln der Partei – gelingt, darf nach seinen jüngsten Äußerungen („mit mir keine Achsenverschiebung“) und den auffälligen Lobeshymnen für Angela Merkel bezweifelt werden.
Der CDU fehlen Persönlichkeiten mit Charisma
Aufgrund fehlender personeller Alternativen haben sich die Mitglieder der CDU wohl für das kleinere Übel entschieden. Die Mitbewerber von Merz für den Parteivorsitz, Helge Braun und Norbert Röttgen, waren nicht wirklich Konkurrenten: Braun stand und steht für das System der Autokratin Angela Merkel und an Röttgen haftet immer noch das Desaster der dramatischen Niederlage der CDU bei der Landtagswahl NRW 2012! Röttgen war damals Spitzenkandidat. Merz heute ist wiederum nicht ansatzweise vergleichbar mit dem konservativen früheren Merz etwa der Jahre 2000 bis 2002. Diesen kennen übrigens die jüngeren Deutschen nur noch vom Hörensagen.
Vielleicht ist der jetzt gewählte künftige CDU-Chef nur ein Übergangskandidat für zwei Jahre. Für einen wirklichen Neubeginn der CDU stehen dann durchaus jüngere Kräfte und Begabungen, etwa Carsten Linnemann, zur Verfügung. Linnemann vertritt wertkonservative Positionen.
Kann Merz als neuer Parteivorsitzender die CDU überhaupt aus dem Tief führen? Viel Zeit hat er nicht. 2022 finden vier Landtagswahlen in den Bundesländern Saarland, NRW, Schleswig-Holstein und Niedersachsen statt. Insbesondere im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW könnte sich im Mai nach der Wahl die CDU wieder in der Oppositionsrolle sehen. Die jüngsten Äußerungen von Merz lassen nämlich keinen großen Wechsel in der Ausrichtung der Partei erkennen. Mit seinen aktuellen Bemerkungen wird Merz jedenfalls nur schwer bürgerlich-konservative Wähler zurückgewinnen.
Keine „Achsenverschiebung“ – doch genau diese wäre notwendig
Inzwischen ist Merz wankelmütig geworden; nach den zwei vergeblichen Anläufen für den Posten des Parteivorsitzenden wollte er erkennbar diesmal exponiert Stimmen aus dem Merkel-Lager gewinnen. Er orientierte und orientiert sich deshalb inzwischen ebenfalls am Zeitgeist. Der langjährige Kritiker der Altkanzlerin, der immerhin 2002 von Angela Merkel als Fraktionsvorsitzender der Union geschasst wurde, ist plötzlich voll des Lobes für Merkel. Dies ist bemerkenswert, weil die langjährige CDU-Vorsitzende und Ex-Kanzlerin, entgegen dem Medien-Hosianna, für den Niedergang der CDU durch ihre linksgrüne Anbiederungspolitik (auch an die Nichtregierungsorganisationen, die NROs) verantwortlich ist.
Jetzt will Merz ein Mann der Mitte sein. Doch welche Mitte meint er? Warum sagt er nicht klar, dass die CDU wieder zurück muss zu ihrer bürgerlichen wertkonservativen Ausrichtung auf einem christlich geprägten Fundament und einem Bekenntnis zu den Prinzipien von Markt und Freiheit? Die Formulierung, dass es „mit Merz keine Achsenverschiebung“ in der CDU gäbe, lässt aufhorchen. Keine Achsenverschiebung – dies heißt im Klartext weiter so und ist eine Verbeugung vor dem Merkel-Lager!
Man höre, lese und staune: Merz will die Leistung von Merkel mehr würdigen und erwägt gar ihre Einbindung in seine Zeit als neuer CDU-Chef. Die katastrophalen politischen Merkel-Fehler in der Energiepolitik bzw. Energiewende, das Versagen in der Asylkrise, die zu einer Verstimmung der Briten (mit ausschlaggebend für deren EU-Austritt) und anderer EU-Länder führte; schließlich das Afghanistan-Desaster sowie die gravierenden Pannen in der Corona-Bekämpfung: dies alles ist plötzlich in der Lesart von Merz eine Merkel-Leistung! Dies klingt verdammt nach Opportunismus!
Der Canossa-Gang
Doch entgegen der Wahrnehmung in der Bevölkerung, die bei den Bundestagswahlen 2021 zum Absturz der Unionsparteien führte, hat jetzt Friedrich Merz die wahre Größe von Merkel bei seinem Canossa-Gang erkannt. Übersehen hat er bei seinem Lob freilich, dass die langjährige CDU-Vorsitzende zum Niedergang der Partei vor allem im Osten Deutschlands, insbesondere mit der von Merkel bestimmten Personalie Marco Wanderwitz, erheblich beigetragen hat. Unser Land ist wieder in Ost und West gespalten.
Die Altkanzlerin wurde immer selbstherrlicher und neigte zu gefährlichen Alleingängen. Beim Afghanistan-Einsatz hat sie in einer falschen Nibelungentreue – im Gegensatz zu Frankreich – viel zu lange am Einsatz am Hindukusch festgehalten. Und selbst in der aktuellen Corona-Politik war sie alles, nur nicht souverän, wenn nur an das Chaos bei der Impfstoffbeschaffung, die sie letztendlich der EU übertrug, erinnert werden darf. Und damit war Ursula von der Leyen offensichtlich überfordert.
Umso mehr muss man sich über das Lob von Friedrich Merz für Merkel wundern. „Wir haben Merkel völlig unterschätzt“; sie sei eine frauenpolitische Schrittmacherin. Doch welche Frauen hat Merkel aus dem Hut gezaubert? Zum Beispiel Ursula von der Leyen, Julia Klöckner und Annegrat Kramp-Karrenbauer. Wegweisendes ist mit diesen Namen nicht verbunden. Beispiel Ursula von der Leyen; sie hat als Verteidigungsministerin ein „Haltungsproblem der Soldaten“ ausgemacht, für ein unglaubliches Aufblähen von Beraterhonoraren im Ministerium gesorgt und schließlich ist mit ihrem Namen die „Berateraffäre“ sowie die „Handy-Affäre“ mit gelöschten Daten verbunden. Dann wurde sie als Kompromisslösung nach Brüssel weggelobt.
Mit Annegrat Kramp-Karrenbauer, ebenfalls Verteidigungsministerin, ist beim Afghanistan-Debakel in der Endphase der Machtübernahme durch die Taliban „unsere Lageeinschätzung falsch“ gewesen, sagte AKK. Sorry, in wichtigen Bereichen der Sicherheit sind falsche Lageeinschätzungen im Falle des Falles unverzeihlich. Auch von Julia Klöckner sind als Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft keine Pioniertaten in der Agrarpolitik bekannt geworden. Vor diesem Hintergrund ist die Merz-Würdigung der Rolle der Altkanzlerin als „frauenpoliitsche Schrittmacherin“ fast schon peinlich. Merkel hat völlig falsche Personalentscheidungen als „frauenpolitische Schrittmacherin“ getroffen.
Die Krise der CDU ist noch lange nicht ausgestanden. Friedrich Merz hat jetzt mit seiner Ankündigung keine Achsenverschiebung vorzunehmen, bereits viele wertkonservativen Anhänger enttäuscht. Er war offensichtlich zu lange von der Politik weg und hat den Bezug zur Realität verloren. Strukturell ist Deutschland immer noch ein konservatives Land. Viele von der CDU enttäuschte Nichtwähler könnten reaktiviert werden. Dem müsste Merz Rechnung tragen. Man müsste aber wollen und da sind nach den jüngsten Merz-Äußerungen Zweifel angebracht: Nichts Halbes und nichts Ganzes. Doch die Hoffnung stirbt zuletzt.
Die CDU leckt die Wunden
Auf der Suche nach einem neuen Profil
Nach der Niederlage der Union bei der Bundestagswahl 2021 liegen die Nerven bei den noch amtierenden Gremien der größeren Schwesterpartei CDU (Präsidium und Vorstand) blank. Schuldzuweisungen sind an der Tagesordnung und Bauernopfer werden gesucht.
Armin Laschet oder Annalena Baerbock
Kompetenz oder Unerfahrenheit
Die Entscheidung ist gefallen. Bei der kommenden Bundestagswahl 2021 tritt Armin Laschet für die Unionsparteien als Spitzenkandidat an. Beim Bündnis 90/Die Grünen konnte sich Annalena Baerbock durchsetzen. Olaf Scholz von der SPD hat nur theoretische Chancen im Herbst Kanzler zu werden; das Rennen machen CDU/CSU und die Grüne unter sich aus.
Endzeitstimmung
„Lame Duck“ – Angela Merkel
Noch im Sommer 2020 hat die linksliberale „Süddeutsche Zeitung“ in einer Video-Botschaft die Bundeskanzlerin überschwänglich gelobt. Sie sei die mächtigste Frau seit Maria Theresia. Doch am 26. März 2021 schrieb Wolfgang Krach, Chefredakteur des Blattes, einen Abgesang auf Merkel: Die Bundeskanzlerin sei am Ende – noch nicht am Ende ihrer Amtszeit, aber ihrer Durchsetzungskraft. Krach hat recht. Spätestens nach der Corona-Entschuldigung aufgrund der mißglückten und wieder zurückgenommenen „Osterbeschlüsse“ wurde die Kanzlerin endgültig zur „Lame Duck“!