Ein erbärmliches Bild
Europa vor der Wahl
In vier Wochen wird das 9. Europäische Parlament gewählt. Doch wie und wen sollen die Europäer wählen? Die Verdrossenheit ist bei den Menschen in Europa groß, denn die EU – wohlgemerkt nicht generell Europa – gibt derzeit ein geradezu jämmerliches und wenig attraktives Bild ab. Die EU selbst hat sich als unfähig erwiesen, zum Beispiel die Migrationskrise einvernehmlich zu managen. Die von der deutschen Bundeskanzlerin 2015 losgetretene völlig ungeordnete und auch unsinnige Willkommenskultur hat zu einer europaweiten Kritik der Bürger, keineswegs nur in Deutschland, und zu einer gefährlichen Identitätskrise geführt, die weder etwas mit Fremdenfeindlichkeit noch mit Rechtspopulismus zu tun hat. Dies hat das Beispiel des Brexit gezeigt. Die Briten, traditionell ein aufgeschlossenes Volk fern vom Rassismus, haben im 20. Jahrhundert in zwei Weltkriegen die Fahne der Freiheit auch für Frankreich und die Benelux-Länder hochgehalten. Sie brauchen daher keine Belehrungen von einer Oberinstanz einer EU-Kommission. Sie wollten und wollen aber von ihrem „Hausrecht“ Gebrauch machen und keine quasi von Brüssel „befohlenen“ Schlüsselzuweisungen in der Migrationskrise umsetzen. Die Briten wollten vor allem keine EU, deren Richtung weitgehend von Frankreich und Deutschland bestimmt wird.
Macrons Ablenkungsmanöver
Illusionen à la francaise
Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron hat mit viel Pathos in einem Gastbeitrag für verschiedene Tageszeitungen in den EU-Ländern (in Deutschland „Die Welt“) ein Europabild gezeichnet, das man eher reserviert sehen muss. Weder ist Europa in großer Gefahr (eher die vielen selbstherrlichen Strukturen in der EU), noch ist der von Macron vorgeschlagene Neubeginn in Europa umsetzbar. Überhaupt wirken die Vorschläge des Staatspräsidenten seltsam. Er will Europa reformieren und findet noch nicht einmal in seinem eigenen Land die Zustimmung der „Bürgerinnen und Bürger“ (so die Anrede in seinem Zeitungsbeitrag) für eine Reform in Frankreich. Macrons Umfragewerte liegen im eigenen Land am Boden, selbst seine ehemaligen Förderer wie Expräsident Francois Hollande wenden sich von ihm ab. Die Protestbewegung der „Gelbwesten“ zeigen ein Frankreich, dass nicht unbedingt Kompetenz und Führungsstärke von Macron zeigt. Viele Menschen, nicht nur in Frankreich, sagen nicht zu Unrecht, dass sich der Präsident – bevor er Illusionen verbreitet – erst mal um sein eigenes Land kümmern soll. Macron hat nämlich keine Autorität mehr. Er wollte ein Gegengewicht gegen die „Populisten“ in Frankreich aufbauen und hat das Gegenteil erreicht.
Unrealistische Planspiele einer „Europa-Armee“
Die Hintergründe des französischen Präsidenten
Der französische Präsident Macron hat mal wieder eine Idee. Er will eine „wahre europäische Armee“ schaffen, die Europa unabhängiger machen soll. Gegenüber wem soll diese neue Armee unabhängig sein? Macron kann ja damit nur die USA meinen. Für seinen theoretischen und wohl kaum umsetzbaren Plan hat Macron immerhin – wie könnte es auch anders sein – eine Verbündete gefunden, die Noch-Kanzlerin Angela Merkel. Doch die Idee einer gemeinsamen Europa-Armee ist politisch unsinnig und militärisch gefährlich, konterkariert sie doch das bestehende NATO-Bündnis ganz erheblich. Eine bessere Steilvorlage hätte Frankreichs Präsident seinem US-Kollegen im Weißen Haus nicht liefern können. Prompt erinnerte Donald Trump nun Macron daran, wer letztendlich Frankreich sowohl im ersten und auch im zweiten Weltkrieg militärisch geholfen hat, nämlich die USA und das Vereinigte Königreich.
Europa ja – EU, so nicht
Das Versagen der Politik
Was ist eigentlich aus der großartigen europäischen Idee der Europa-Pioniere Robert Schuman, Jean Monnet, Alcide De Gasperi, Walter Hallstein u.a. geworden? Zusammengefasst kann die Situation der EU heute als Trauerspiel beschrieben werden. Streit und Misstrauen zwischen der Kommission, des Rates der EU und des Europäischen Parlaments um den Brexit sowie heftige Auseinandersetzungen mit einzelnen Mitgliedsländern. Ein Chaos, angerichtet durch abgehalfterte Provinzpolitiker, die nach Brüssel „abgestellt“ und mit gut dotierten Posten versorgt wurden. So war dies durch die Gründerväter der EU und deren Vorgängerinstitutionen nicht vorgesehen. Das katastrophale Image der EU in breiten Bevölkerungskreisen ist daher leider nicht zufällig.
EU am Scheideweg
Drohender Zerfall
Die Vorschläge des französischen Präsidenten Emmanuel Macron für eine EU-Reform zu mehr Einheit (in Wirklichkeit nach Art à la francaise) können nicht darüber hinwegtäuschen, dass der EU anstelle von mehr Einheit ganz im Gegenteil der Zerfall droht. Dieses eigentlich bedauernswerte Szenario trägt zwei Namen: Angela Merkel zuerst und jetzt immer stärker auch Emmanuel Macron.