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70 Jahre Grundgesetz

70 Jahre Grundgesetz – es wurde zur deutschen Erfolgsgeschichte. 70 Jahre Grundgesetz – es wurde zur deutschen Erfolgsgeschichte. © Pixabay

Eine Erfolgsgeschichte

Das Grundgesetz wurde am 23. Mai 1949 in Bonn im Bundesgesetzblatt „ausgegeben“, wie es damals im Amtsdeutsch hieß. Der damalige Parlamentarische Rat hat in nichtöffentlicher Sitzung mit 53 gegen 12 Stimmen festgestellt, dass das am 8. Mai des Jahres 1949 ebenfalls vom Parlamentarischen Rat beschlossene Grundgesetz für die (heute muss man sagen die damals „alte“) Bundesrepublik Deutschland angenommen worden ist. Damit wurde zumindest für den Bereich der damaligen Westzonen eine juristische Grundlage für den weiteren Aufbau des geschundenen Nachkriegsdeutschland geschaffen.

Vorbehalte durch den „Alliierten Kontrollrat“

Am 9. Mai 1945 kapitulierte Deutschland bedingungslos. Fortan entwickelte sich Deutschland sowohl im Westen als auch im Osten unter dem Vorbehalt der Alliierten (USA, Vereinigtes Königreich, Frankreich und Sowjetunion). Dies spiegelte sich im Westen bei den Debatten um das Grundgesetz wider, die durchaus sehr kontrovers verliefen. So forderte die Sozialdemokratie eine „Sozialisierung der Grundstoffindustrie“, die aber von den Mitgliedern des Alliierten Kontrollrates (General Lucius D. Clay für die USA und General Sir Brian H. Robertson für das Vereinigte Königreich) energisch regelrecht „verboten“ wurde. Die Handschrift der Alliierten beim Entstehen des Grundgesetzes der alten Bundesrepublik Deutschland gehört übrigens – ohne tiefe Substanz allerdings – zu den wenigen Kritikpunkten aus heutiger Sicht. Im großen und ganzen hielten sich aber die westlichen Alliierten bei der Abfassung des Grundgesetzes zurück. Aufgrund der Erfahrungen in der 2. und 3. Republik Deutschlands war der Entwurf des Grundgesetzes mustergültig. Er bekennt sich bereits im 1. Artikel zur Würde des Menschen, die unantastbar und zu achten und zu schützen ist, wie es im Gesetzestext heißt.

Gelegentlich wurde nach der Wiedervereinigung Deutschlands am 3. Oktober 1990 auch bemängelt, dass das „westliche“ Grundgesetz der DDR im Wiedervereinigungsvertrag übergestülpt worden sei – doch was wäre die Alternative gewesen? Bereits am 30. April 1945 landete die Gruppe Ulbricht aus Moskau kommend auf dem Feldflughafen Küstrin mit der Maßgabe, sich absolut den Weisungen des Marschalls der Sowjetunion, Georgi Konstantinowitsch Schukow, unterzuordnen. Während im Westen über den Parlamentarischen Rat – zwar auch noch wie erwähnt eingeschränkt – wenigstens verschiedene Parteien bzw. Gruppierungen vertreten waren, die den Willen der Bevölkerung abbildeten, gab es von der ersten Stunde im Osten auch nicht ansatzweise ein Verständnis für Demokratie. Im Gegenteil, die dortige SPD und die KPD wurden zur SED zwangsverschmolzen.

Andere Strukturen in der damaligen DDR

Weit vor der Verabschiedung des Grundgesetzes im Westen, wurden im Bereich der sowjetisch besetzen Zone Deutschlands alle wichtigen Funktionen durch die zwangsvereinigte SED besetzt. Folgerichtig veröffentlichte die in Absprache mit den Sowjets bestimmende SED bereits am 15. November 1946 den Entwurf einer Verfassung für die Deutsche Demokratische Republik. Der Entwurf sollte zwar auch bei einer Wiedervereinigung, wohlgemerkt nach den Vorstellungen der DDR, umsetzbar sein, doch dazu ist es ja glücklicherweise nicht gekommen. Ganz im Gegenteil ist durch die Etablierung der „Deutschen Demokratischen Republik“ dokumentiert worden, dass die „DDR“ – vorgegeben durch die Sowjetunion – an einer Wiedervereinigung Deutschlands nicht wirklich interessiert gewesen war.

Zwar gab es auch in der DDR nach dem erwähnten Entwurf von 1946 eine Verfassung von 1949. Diese wurde aber am 9. April 1968 wiederum überarbeitet. Der Sozialismus war nun ein zentraler Mittelpunkt des Textes. Schließlich wurde 1974 eine dritte Verfassung für die DDR etabliert, in der die Freundschaft mit der Sowjetunion mit einem eigenen Artikel untermauert wurde. Die sogenannten Verfassungen der DDR hatten keine Grundlagen im Verständnis für Freiheit, Offenheit und Transparenz.

Neue Verfassung nach der Wiedervereinigung?

Nach der Wiedervereinigung Deutschlands wurde trotzdem darüber nachgedacht, ob eine grundsätzlich neu erarbeitete Verfassung für Deutschland notwendig wäre. Das in der alten Bundesrepublik gültige Grundgesetz galt als Provisorium bis zu einer endgültigen Wiedervereinigung. Doch der Artikel 23 des Grundgesetzes ermöglichte den Beitritt der DDR in die Bundesrepublik. Somit wurde das Grundgesetz für das wiedervereinigte Deutschland gültig. Der ehemalige Bundespräsident Johannes Rau zog zehn Jahre nach dem Mauerfall eine Zwischenbilanz: Die Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 sei ein Meilenstein für 16 Millionen Deutsche in der ehemaligen DDR gewesen. Das Grundgesetz prägte fortan auch für die Ostdeutschen die „Werte der Ermutigung.“

Das Grundgesetz ist ein Rahmen – keine politische Spielwiese

Muss nun heute, nach 70 Jahren, das Grundgesetz, das als Verfassung in Kraft getreten ist, angepasst werden? Zu warnen ist in diesem Zusammenhang vor Änderungen, die durch den Zeitgeist vorgegeben werden. Das Grundgesetz ist ein Rahmen, es ist keine Regierungserklärung. Sosehr zum Beispiel Klimafragen heute einen hohen Stellenwert haben, sosehr sind entsprechende politische Umsetzungen Sache der Tagespolitik. Man kann nicht ständig ein Grundgesetz aufgrund temporärer Ereignisse – wie zum Beispiel aus Anlass neuer Strukturen in der EU – ändern. Was aktuell als richtig zu gelten hat, kann nämlich wieder in wenigen Jahren überholt sein. Die Väter des Grundgesetzes haben sich daher aus guten Gründen auf das Grundsätzliche konzentriert.

Dennoch – und dies sei als vorsichtige Kritik angemerkt – wäre mehr Bürgereinfluss als Verankerung im Grundgesetz wünschenswert, weil vor 70 Jahren nach dem Ende des 2. Weltkrieges andere Prämissen galten. Die Bürger sind heute anders geprägt. Grundlegende Entscheidungen sollten nach dem Vorbild der Schweiz durch Volksentscheide legitimiert werden. Dadurch würde viel politischer Streit vermieden. In den Nachkriegsjahren nach dem 2. Weltkrieg wurde die Meinung vertreten, dass die Bürger gewisse Fragen und Entscheidungen nicht überblicken könnten. Deshalb wird beispielsweise der Bundespräsident aufgrund der Erfahrungen in der Weimarer Republik in Deutschland nicht direkt durch das Volk gewählt. Doch die Deutschen sind längst durchaus politisch gereift. Deshalb wäre die stärkere Einbindung des Volkes in die wichtigen grundsätzlichen Entscheidungen durchaus sinnvoll.

Letzte Änderung am Mittwoch, 22 Mai 2019 15:57
Günter Spahn

 Herausgeber und Chefredakteur Zielgruppen-Medien Verlag

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